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Seite 1Wie der Autoindustrie wirklich geholfen werden kann
Seite 2Europäische Subventionen nur für europäische Autos
Lucas Guttenberg,
Nils Redeker und
Sander Tordoir forschen bei der Bertelsmann-Stiftung, dem Jaques Delors Zentrum und dem Centre for European Reform zur Zukunft Europas. Hier schreiben sie über ihre gemeinsame Vision für die europäische Autoindustrie.
Das europäische Auto ist in Gefahr. Bürokraten in Brüssel
haben ihm den Garaus gemacht und für 2035 das Ende des Verbrennungsmotors
angeordnet. Seitdem darbt die europäische Autoindustrie. Es gibt nur einen Weg zurück: Das Verbrenneraus muss gekippt werden. Nur dann lohnt sich der europäische Autobau wieder, und
unsere Hersteller fahren in eine strahlende Zukunft.
Diese Geschichte hat einen großen Reiz: Sie führt die
Probleme der Autoindustrie auf eine einzelne, politische, umkehrbare
Entscheidung zurück. Sie hat auch einen großen Pferdefuß: Sie stimmt hinten und
vorn nicht. Denn Europas Autobauer sind nicht unter Druck, weil sie in zehn
Jahren keine Verbrenner mehr verkaufen dürfen. Die größte Herausforderung liegt nicht in der Zukunft – sie ist bereits jetzt real.
Die Welt, für die Europa so erfolgreich Autos baute, hat
sich völlig verändert. China war, gerade für deutsche Hersteller, lange Wachstumsgarant. Seit 2022 sind deutsche Autoexporte nach China um 70 Prozent
eingebrochen, und das Land exportiert selbst netto sieben Millionen Autos im
Jahr – dreimal so viel wie Deutschland in seinen besten Exportweltmeistertagen.
Auch die Deutschen kaufen weniger europäische Autos
Eine Weile konnte die amerikanische Nachfrage das ausgleichen.
Seit Trump europäische Autos mit einseitigen Zöllen belegt, fällt auch dieser
Markt als Sicherheitsnetz für Europa aus. Und auch in der EU selbst kaufen die
Kunden nicht mehr wie früher. Noch immer liegt die Nachfrage nach europäischen
Autos im Binnenmarkt 20 Prozent unter dem Vorpandemielevel.
Vor allem die Entwicklung auf dem chinesischen Markt unterstreicht einen grundsätzlichen Wandel: Die Zukunft des Automobils ist elektrisch – nicht, weil
die Politik in Berlin oder Brüssel das so will, sondern weil sich das längst
rechnet und bald noch stärker rechnen wird. Und während China das letzte
Jahrzehnt damit verbracht hat, E-Autos zu perfektionieren und zu „iPhones auf
Rädern“ zu machen, haben Europas Hersteller dem bisher wenig entgegenzusetzen –
und zeigen lieber auf die Politik und ihr Verbrenneraus.
Wo das enden kann, wissen wir: Mitte der 2000er war
Deutschland Weltmarktführer für Solarmodule. Heute sind unsere Dächer mit
Zellen „Made in China“ gepflastert. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass
unsere Straßen in 20 Jahren nicht auch voller chinesischer Autos sein
könnten. Für das Klima wäre das wohl sogar ein Segen – die Elektrifizierung des
Verkehrs käme so vermutlich am schnellsten und billigsten voran.
Ökonomisch und politisch wäre es allerdings ein Wahnsinn.
Die Solarbranche war klein, die Autoindustrie aber ist das industrielle Herz
Europas. 13 Millionen Arbeitsplätze hängen an ihr, ein Drittel aller privaten
Forschungsausgaben, und noch immer zählt sie zu den produktivsten Branchen auf
dem Kontinent. Sollte sie verschwinden, droht ein brutaler Strukturbruch mit
unabsehbaren Folgen – auch für die Demokratie.