Kriminalität in Stuttgart: „Stadtbild ist nicht alles“ – Polizei klärt am Killesberg über Einbrüche auf Anwohner am Killesberg kommen mit dem Polizeioberkommissar und seinem Team ins Gespräch über Einbruchsprävention. Foto: Lichtgut/Christoph Schmid

Oberkommissar L. und seinem Team entgeht kein offenes Fenster: Am Killesberg sensibilisiert die Polizei Anwohner für den Schutz vor Einbrechern. Erkenntnis: Nur aufpassen reicht nicht.

Man lernt zu denken wie ein Einbrecher, wenn man mit Polizeioberkommissar L. an diesem sonnigen Vormittag durch das Villenviertel am Killesberg spaziert. Der 37-jährige Beamte – Schirmmütze, dunkle Bartkontur wie mit Lineal gezogen, Schwabe – erblickt beispielsweise eine offene Balkontür im Erdgeschoss. „Da könnte jemand jetzt einfach hereinspringen, auch wenn noch eine Person in der Wohnung ist. Man darf nicht unterschätzen, wie dreist manche Einbrecher vorgehen“, sagt er.

Doch an diesem Tag gibt es keinen Einbruch in der Wohnung, sondern einen Flyer in den Briefkasten mit dem üblichen Tipp: Halten Sie die Fenster im Erdgeschoss geschlossen! Die meisten Einbrüche würden ohnehin zwischen 18 und 20 Uhr stattfinden, sagt der Polizist, der seinen vollen Namen lieber nicht lesen will. Da finde man nämlich häufig leere Wohnungen vor und die Kriminellen könnten die frühe Dunkelheit zu ihrem Vorteil nutzen.

Polizei verstärkt Präventionstouren in Stuttgarts Vierteln

Der Beginn der dunklen Jahreszeit sei traditionell auch die Zeit, in der die Zahl der Einbrüche steige. Aus diesem Grund sind Polizisten wie Oberkommissar L. und sein Team, die sich auf Präventionsarbeit spezialisiert haben, zurzeit in ganz Stuttgart unterwegs. Sie laufen durch die Viertel, begutachten Alarmanlagen, machen auf Risiken aufmerksam und kommen mit Anwohnern ins Gespräch.

Ein Hausbesitzer, der gerade mit Handwerkern seinen Garten erneuert, erzählt, was auch viele andere berichten: „In beiden Nachbarhäusern hier ist schon eingebrochen worden.“ Jetzt, wo sein Haus saniert werde, werde es sicherlich auch attraktiver für Einbrecher. Ein Motorschloss an der Eingangstür, das sich automatisch verschließe, sei daher ebenfalls Teil der neuen Ausstattung. Einen kleinen Hinweis von Kommissar L. gibt es dennoch für den Nachbarn mit dem neuen Garten gratis dazu. „Seien Sie nicht ängstlich, aber immer wachsam“, sagt er. Und immer zwei Mal abschließen.

Wohngebiete in Stuttgart: Junge Polizisten decken Sicherheitslücken auf

Bei den Spaziergängen des Einbruchspräventionsteams sind häufig auch Anwärterinnen und Anwärter der Polizei mit dabei. Die beiden 21-jährigen Nachwuchspolizisten, die auf dem Killesberg im Dienst sind, zeigen hohes Potenzial für die Arbeit. An ihnen geht kaum ein offenes Fenster oder eine offene Garagentür vorbei. Eine Garage ist vollgestellt mit Bauschutt. An der hinteren Wand ist eine Tür, die einfach zu knacken sei. Manchmal reiche es, mit einer Kreditkarte ins Haus zu kommen. Mit dieser komme man leicht in den Schlitz zwischen Tür und Rahmen.

Wenn an einem Haus Sicherheitsrisiken gefunden werden, erhalten die Bewohner einen freundlichen Hinweis in den Briefkasten. Foto: Lichtgut/Christoph Schmid

Der durch Diebstahldelikte und Wohnungseinbruchsdiebstahl verursachte Schaden betrug laut dem Sicherheitsbericht für Baden-Württemberg im Jahr 2024 insgesamt 245,9 Millionen Euro. Die Zahl war damit auf einem 20-Jahres-Hoch und entsprach fast einem Drittel aller Straftaten. Die Aufklärungsquote erreicht laut der Statistik mit 37,8 Prozent ebenfalls einen langjährigen Spitzenwert. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre habe sich die Zahl der Einbrüche insgesamt halbiert. Um die Zahl der Einbrüche auch dieses Jahr auf einem überschaubaren Niveau zu halten, hat die Stuttgarter Polizei eine eigene Abteilung, die sich nur mit Prävention beschäftigt. Man kann diese auch für Vorträge in Schulen buchen. Und manchmal zieht das Team auch durch die Stuttgarter Wohnviertel, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Bei der Tour von Oberkommissar L. wird es einmal auch kurz politisch. Das ältere Paar hat die Straße vom Küchenfenster aus gut im Blick. Sie sehen sich als eine Art lebende Alarmanlage, wenn in dem Viertel etwas ungewöhnliches passieren sollte. Daher stehen sie auch sofort auf der Terrasse, als sie die Beamten der Präventionspolizei sehen. „Ich habe die Nummer von jedem Nachbarn hier. Wir helfen einander im Notfall immer aus”, sagte er. Und wenn doch mal jemand herumlaufe, der nicht ins Stadtbild am Killesberg passe, dann schaue man eben besonders hin.

Das Stichwort laute auch hier „Stadtbild“. Eine Anspielung auf die Debatte, die derzeit in ganze Deutschland über angeblich kriminell aussehende Menschen mit Migrationshintergrund geführt wird. Doch darauf weiß Kommissar L. auch etwas zu sagen. „Wissen Sie, ich kenne einige Menschen mit Migrationshintergrund, die in einer Gegend wie dem Killesberg ein Haus besitzen“, sagt er. Das Aussehen eines Menschen sei nicht immer alles. Verdächtige Kennzeichen könne man trotzdem immer mit einem Anruf an die Polizei durchgeben. Dafür seien sie immerhin da.