Der irische Barde reißt das Publikum von den Stühlen. Bilder und Kritik vom Solokonzert im Hegelsaal der Stuttgarter Liederhalle.
Es war einmal ein junger Mann, dessen Ahnenreihe sich bis zu Wilhelm dem Eroberer zurückverfolgen lässt und der als Teenager auf einer mittelalterlichen Burg in Irland lebte. Als Sohn eines Diplomaten hätten ihm sicher viele Wege offen gestanden – doch er entschied sich für einen der schwierigsten: den eines Berufsmusikers. Trotz einiger kleinerer Anfangserfolge ließ der Durchbruch auf sich warten. Klinkenputzen bei den Musikgurus war auch nach seinem Umzug nach London über Jahre hinweg Bestandteil seines Lebens. Heute blickt er auf eine ebenso erfolgreiche wie seit nunmehr einem halben Jahrhundert andauernde Karriere zurück.
Diese märchenhaft anmutende Geschichte gehört nicht zu den vielen, die Chris de Burgh in seinen Liedern erzählt. Es ist seine eigene. Und auch heute noch ist der irische Singer-Songwriter dann am besten, wenn er mit wenigen Sätzen vor dem geistigen Auge seiner Zuhörer ganze Filmszenen entstehen lässt. Ein echter „Storyman“ eben, wie eines seiner Alben heißt, ein Erzähler, ein Barde im besten Sinn. Und zwar ungeachtet dessen, dass sein größter kommerzieller Erfolg, „The lady in red“ als romantisches Liebeslied vor allem den Mainstream bedient. Natürlich steht es auch am Donnerstag im Hegelsaal auf dem Programm.
Unglaublich vielfältiges Werk
Zuvor hat Chris de Burgh schon an die zwei Stunden, trotz seiner mittlerweile 77 Jahre, ohne eine einzige Pause unter Beweis gestellt, wie vielfältig sein Werk ist – nachdem ihn das Publikum, kaum hat er die Bühne betreten, schon mit stehenden Ovationen begrüßt hat, was ihn sichtlich rührt. Sanft der Beginn am Klavier mit der nachdenklichen Ballade „The hands of man“. De Burghs Stimme wirkt etwas tiefer als früher, doch sie hat noch dasselbe charakteristische Timbre. Nur den ganz hohen Tönen, obwohl er sie auch heute noch erreicht, fehlt die frühere Kraft.
In vielen seiner Songs lässt Chris de Burgh vor dem inneren Auge des Publikums ganze Filmszenen entstehen. Mehr als seine Gitarre und seine Stimme braucht er dazu nicht. Foto: Lichtgut
Auch von seiner ruhigen Ausstrahlung und seinem feinen Humor hat er nichts verloren. Schon bei einem seiner ersten Konzerte in Stuttgart habe es in der Stadt viele Baustellen gegeben, erzählt er. „Wird hier ein unterirdischer Flughafen gebaut?“ will er wissen. Und während andere Stars Fotografier- und Filmverbote verhängen, gibt sich der sympathische Ire auch hier nahbar. Er fordert regelrecht dazu auf, mit der Begründung: „Tun Sie, was immer Sie wollen. Das ist Ihr Abend.“ Er weiß, was er seinem treuen Publikum in dem, wie er sagt, harten Musikbusiness zu verdanken hat.
Temperamentvolle Hits und wortgewaltige Meisterwerke
Sein Dank besteht aus einem wahren Feuerwerk an Hits wie „High on emotion“, Waiting for the hurricane“ oder „Don’t pay the ferryman“, die er nur mit der Gitarre und seiner Stimme und manchmal ein wenig Hall präsentiert und die dennoch voller Power rüberkommen. Das Bühnenbild ist sparsam und nur durch verschiedenfarbige Beleuchtungen geprägt. Bei seinem erzählerischen dreiteiligen Meisterwerk „The mirror of the soul“ ertönt der Mönchschor als Playback. De Burgh hat die Gitarre beiseite gestellt, das Mikro in die Hand genommen und unterstreicht die Handlung mit sparsamen und dennoch ausdrucksvollen Gesten.
Immer wieder suchte de Burgh den Kontakt zum Publikum. Foto: Lichtgut
Mit mehreren Liedern beschwört er den Weltfrieden, in „The keeper of the keys“ ruft er Frauen dazu auf, sich nicht länger unterdrücken zu lassen. Für die Zeile „these are only boys and I will never know how man can see the wisdom in a war“ erntet er ebenso stürmischen Applaus wie für das Hochhalten einer ukrainischen Flagge – seine Enkelin Sophia sei in der Ukraine geboren, erzählt er.
Beim Klassiker „A Spaceman came travelling“ hält es das Publikum endgültig nicht mehr auf den Stühlen. Wer kann, stürmt nach vorne an den Bühnenrand, wer keinen Platz mehr findet, singt wenigstens lauthals mit. Nach mehr als zwei Stunden verlässt de Burgh die Bühne, lässt sich aber nicht lange bitten und liefert mehrere Zugaben nach, darunter „Legacy“ aus dem 2021 veröffentlichten Album „The Legend of Robin Hood“. Und beweist damit, dass er auch das Songschreiben nicht verlernt hat.
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