Kiel. Es ist ein Satz für die Geschichte, zumindest die von Comedian Torsten Sträter. „Mach mal das große Licht an“, habe seine Mutter ihm in den Siebzigerjahren häufig zugerufen. Daraus sei nun der Titel des aktuellen Programms entstanden, offenbart der ehemalige NRW- Poetry-Slam-Meister den 6800 Gästen in der ausverkauften Wunderino-Arena in Kiel.

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Obwohl: „Hömma, riechst du das nicht“ oder „Wir heizen nicht für draußen“ hätten, ebenfalls beliebte Sprüche seiner Mutter, genauso gepasst, so Sträter. Doch meinte die Mutter früher gewiss die Deckenleuchte, geht es bei der Show augenscheinlich um mehr.

Torsten Sträter mit Boomer-Humor und Zeitkolorit

Sicher, vordergründig erlebt das hingerissene Publikum eine mit viel Boomer-Humor und Zeitkolorit garnierte Rückschau auf Sträters Kindheit in den Siebzigern. Fernsehen („Der Doktor und das liebe Vieh“), Kleidung („Als Kind trug ich Strumpfhosen, die werden bis zur Brust hochgezogen und haben unten herum alles sauber zerteilt“) bis zu Essgewohnheiten („After Eight – diese mit Schokolade ummantelte Zahnpasta im Papp-Sarkophag, die auch nach acht Uhr beschissen schmeckt“).

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Trotzdem scheint hinter dem familiären Sittengemälde im Retro-Stil tatsächlich eine persönliche Spurensuche zu stecken. Eine Biografie unter der Prilblume. Eine Erleuchtung unter der Beleuchtung.

Sträter zeigt sich als artistischer Sprach-Sezierer

„Eigentlich bin ich dumm, aber ich täusche Sie mit einem gigantischen Wortschatz“, sagt Sträter und skizziert so dem Publikum das vermeintliche Wesen seiner Comedy gewohnt salopp. Dennoch wird man den Gedanken nicht los, dass er ziemlich genau weiß, was er drauf hat.

Zunächst wirkt das natürlich höchst sympathisch und locker. Aber sein kumpelhafter Ruhrpott-Slang und der nahezu musikalische Erzähl-Duktus eines Märchenonkels sind eigentlich nur Kostüm. Darunter verbirgt sich ein artistischer Sprach-Sezierer mit sich stetig selbst befeuernden Wortspielen („Können Advocados dich verklagen?“) und kunstvoll verschachtelten Kurzgeschichten.

„Musik von Smokey fand ich für die Einäscherung doch unpassend“

Auch wenn wir ihm praktisch beim Denken zuschauen, ist Sträters erzählerische Reise nicht zufällig. Das Ziel ist definiert, aber scheinbar nur über Umwege zu erreichen. Einige davon führen emotional ans Eingemachte, ohne sentimental oder larmoyant zu wirken. Das Nicht-Verhältnis zu seinem Vater etwa.

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Als einzigen szenischen Vorgang des Abends nimmt Sträter im zweiten Teil sogar seine berühmte Mütze ab. Gerade so, als wolle er seine Verletzlichkeit äußerlich sichtbar machen.

Eigentlich bin ich dumm, aber ich täusche Sie mit einem gigantischen Wortschatz.

Torsten Sträter

Comedian

Dann erzählt er von der Beerdigung seiner Mutter, die er ganz alleine durchziehen musste, weil seine Brüder diesbezüglich Totalausfälle waren. Dass er beim Bestatter sehr geweint habe. Und dann beiläufig, dass er sich als Begleitmusik zur Einäscherung gegen einen Song der Band Smokey entschieden habe, deren größter Fan seine Mutter doch eigentlich gewesen sei („das fand ich dann doch irgendwie unpassend“).

Und er erzählt von seinem erst kürzlich verstorbenen „großen Bruder“ und dessen Einäscherung. Ironisch, liebevoll und irgendwie wahrhaftig.

Vom Drive-in zur Ahnenforschung

Auf gänzlich andere Weise indes widmet Comedian Sträter dann einen anderen Teil des dreieinhalbstündigen Abends seiner Familiengeschichte. Und das nur, weil ihn die Unsitte von Abkürzungen im alltäglichen Sprachgebrauch nerven. „Dom Rep – Ist das Sprechgesang in der Kirche?“

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Einmal wird Sträters Bühnen-Ich beim McDonalds Drive-in von der Einwort-Lautsprecheransage „Vorfahren!“ dermaßen getriggert, dass er nun vor einem sich kringelndem Publikum ausgiebige Ahnenforschung betreibt.

Sträters scheinbar ungebremsten, tatsächlich aber sorgsam kanalisierten Assoziationsgeflechte, die vielen Einschübe und Auswüchse, die sich am Ende dann doch wieder zu einem Bild formen, sind kunstvoll und gekonnt. Tatsächlich ist Torsten Sträter ein Meister der Abschweifung. Doch am Ende sagt er kein Wort zu viel.

KN