Die USA haben Medienberichten zufolge einen Friedensplan vorgeschlagen, der eine inoffizielle Anerkennung der russischen Kontrolle über fast alle seit Kriegsbeginn 2022 besetzten Gebiete in der Ukraine vorsieht. 

Dies meldet der Nachrichtendienst „Axios“ unter Berufung auf Quellen mit direkter Kenntnis des Vorschlags. Auch die „Washington Post“, das „Wall Street Journal“ und die britische „Financial Times“ berichten über den Plan. 

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Der vielleicht wichtigste Punkt in dem Papier: Die USA würden die Krim offiziell als russisches Gebiet anerkennen. Die Halbinsel, obwohl von Moskau besetzt, ist bisher nicht international als russisches Territorium anerkannt. Konkret würde auch der gesamte Oblast Luhansk, große Teile von Donezk und weite Teile von Cherson und Saporischschja an Russland fallen.

Allerdings würde Russland auf die vollständige Annexion der Gebiete, also auch der Teile, die es nicht besetzt hält, verzichten. Moskau hatte die gesamten Gebiete im September 2022 völkerrechtswidrig annektiert, sie sind in der Verfassung als russisches Gebiet festgeschrieben. An diesem Punkt könnte man also ein „Entgegenkommen“ Putins sehen.

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Der Friedensplan umfasst laut „Axios“ nur eine Seite und wurde vergangene Woche bei einem Treffen des US-Außenministers Marco Rubio und des US-Sondergesandten Steve Witkoff mit ukrainischen Abgesandten und Verhandlern aus anderen europäischen Staaten in Paris vorgestellt und diskutiert.

Die USA bezeichnen den Plan als „finales Angebot“. Rubio hatte schon nach dem Treffen in Paris erklärt, die USA würden sich aus den Verhandlungen zurückziehen, falls es zeitnah keine entscheidenden Schritte gebe. Die erwartet man nun offensichtlich in Washington.

„Russland und die Ukraine werden hoffentlich in dieser Woche einen Deal abschließen“, schrieb Trump am Ostersonntag auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social.

Trumps Chefunterhändler für Iran und Ukraine Der gefährlich überforderte Mr. Witkoff

Den Berichten zufolge würden die USA im Rahmen Plans die seit 2014 gegen Russland verhängten Sanktionen aufheben. Zudem würde ein kleiner Teil des von Russland besetzten Gebiets in Charkiw an die Ukraine zurückgegeben werden. Das Kernkraftwerk Saporischschja würde laut „Axios“ als ukrainisches Territorium betrachtet, jedoch von den USA betrieben werden. 

USA erwarten Antwort nach Treffen in London

Der dort erzeugte Strom würde sowohl an die Ukraine als auch an Russland geliefert. Die Ukraine würde außerdem darauf verzichten, Mitglied der Nato zu werden, könnte aber der EU beitreten. Der Plan sieht außerdem eine Friedenstruppe in der Ukraine vor, allerdings ohne amerikanische Beteiligung. 

Laut „Washington Post“ schlagen die USA auch vor, die derzeitigen Frontlinien als Teil eines Friedensabkommens einzufrieren. Im Gegenzug würde Russland die Angriffe in der Ukraine in einem Moment beenden, in der das russische Militär auf dem Vormarsch sei.

Der russische Präsident Wladimir Putin soll einen entsprechenden Waffenstillstand schon Anfang April nach einem Treffen mit dem US-Sondergesandten Witkoff in Moskau vorgeschlagen haben. Bei diesem Treffen, so berichtet es die „Financial Times“, signalisierte der russische Staatschef zudem seine mögliche Bereitschaft, Moskaus Ansprüche auf Teile der besetzten ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja zurückzuziehen. Im Gegenzug könnten die USA auf andere wichtige Forderungen Russlands eingehen, darunter die Anerkennung von Moskaus Souveränität über die 2014 annektierte Krim. Zudem müsse sich die Ukraine von ihrem Ziel der Nato-Mitgliedschaft verabschieden. Zentrale Elemente des Friedensplans scheinen also schon mit Moskaus diskutiert.

Da gibt es nichts zu bereden. Das steht außerhalb unserer Verfassung.

Selenskyj über Gebietsabtretungen an Russland

Eine der ukrainischen Regierung nahestehende Quelle sagte „Axios“, Kiew betrachte den Vorschlag als sehr einseitig gegenüber Russland: „Der Vorschlag sagt sehr deutlich, welche konkreten Vorteile Russland bekommt, aber nur vage und allgemein, was die Ukraine bekommen wird.“

Ein Berater von Selenskyj sagte gegenüber der „Washington Post“, die amerikanischen Vorschläge enthielten einige Ideen, mit denen Kiew einverstanden sei, andere wiederum nicht. Ein westlicher Beamter sagte, die Bedingungen des vorgeschlagenen Abkommens und die von der Ukraine erwarteten Zugeständnisse seien „erstaunlich“. Ein Beamter aus der Trump Regierung betonte gegenüber der „Washington Post“, dass man Kiew nicht vor vollendete Tatsachen stellen wolle.

Was sonst laut „Axios“ noch in dem Friedensplan steht

  • Die USA würden die Kooperation mit Russland in der Wirtschaft und vor allem im Energiesektor vertiefen.
  • Die Ukraine könnte den Fluss Dnepr ungestört für die Schifffahrt benutzen. Er würde an der Grenze zu den neuen inoffiziell russischen Gebieten liegen.
  • Die Ukraine würde beim Wiederaufbau unterstützt, wobei offen bleibt, woher die Mittel kommen sollen.
  • Das Dokument erwähnt auch den Rohstoff-Deal, der laut Trump am Donnerstag zwischen Kiew und Washington unterzeichnet werden soll.

Die würde Kiew wohl auch kaum akzeptieren. Vor den Gesprächen westlicher Verbündeter in London über ein Ende des russischen Angriffskrieges am Mittwoch schloss Wolodymyr Selenskyj Gebietsabtretungen an Russland kategorisch aus.

„Da gibt es nichts zu bereden. Das steht außerhalb unserer Verfassung“, sagte der Staatschef in Kiew mit Blick auf von Russland annektierte ukrainische Gebiete wie die Schwarzmeerhalbinsel Krim.

US-Außenminister reist nicht nach London

Außenministerinnen und Außenminister sowie Sicherheitsberater der USA, mehrerer europäischer Verbündeter sowie der Ukraine wollen heute in London ihre Beratungen über eine Beendigung des russischen Angriffskrieges fortsetzen.

Rubio wird entgegen ersten Berichten nicht bei dem Treffen dabei sein, wie die Sprecherin seines Ministeriums mitteilte. Demnach nimmt der US-Sondergesandte Keith Kellogg wie geplant teil. Unklar blieb, ob der US-Sondergesandte Steve Witkoff kommt.

Deutschland wird in London durch den außen- und sicherheitspolitischen Berater des Bundeskanzlers, Jens Plötner, und den Politischen Direktor im Auswärtigen Amt, Günter Sautter, vertreten.

Selenskyj bereit für eine Waffenruhe

Gastgeber ist der britische Außenminister David Lammy. Es wird erwartet, dass die ukrainische Delegation ähnlich wie vorher bereits bei derartigen Unterredungen in Paris vom Chef des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, geleitet wird.

Ebenso wird die Anreise von Außenminister Andrij Sybiha und Verteidigungsminister Rustem Umjerow erwartet. Eine Bestätigung dafür stand zunächst noch aus. 

Selenskyj sagte am Dienstag mit Blick auf seine Delegation: „Sie hat morgen ein Mandat für die Besprechung einer bedingungslosen Waffenruhe oder einer Teilwaffenruhe.“ Die Ukraine sei bereit dazu.

Für Selenskyj ist dabei die von Russland um den vergangenen Ostersonntag ausgerufene Waffenruhe ein Beleg, dass es einzig von Moskau abhängt, den Beschuss zu verringern. „Aber bis zu einer bedingungslosen Waffenruhe ist es noch sehr weit“, unterstrich der Präsident. 

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Einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge erwartet das Weiße Haus bei den Gesprächen in London eine Reaktion aus Kiew auf Vorschläge für Zugeständnisse an Moskau. Sollte es aus Kiew grünes Licht geben, könnten die Pläne Moskau vorgelegt werden, heißt es in dem Bericht.

Dafür soll der US-Gesandte Witkoff noch diese Woche nach Russland reisen, um erneut Putin zu treffen. Vor allem eine europäische Friedenstruppe hatte der russische Präsident bis zuletzt abgelehnt. (mit Agenturen)