In einem Berliner Fernsehstudio stehen drei Frauen auf der Bühne, sie treten als Elba Band bei den Blind Auditions von „The Voice of Germany“ auf und singen das ukrainische Volkslied „Verbovaya Doschechka“. Olena Popadiuk konzentriert sich ganz auf ihren Gesang, Daria Fomina spielt auch Flöte, Solomiia Dyshliuk Gitarre. Zuerst drückt Rea Garvey seinen Buzzer und dreht sich um, die übrigen Jurymitglieder tun es ihm gleich. Die Ukrainerinnen können nun wählen, wer ihr Coach werden soll – der einstige Reamonn-Frontmann, Shirin David, Nico Santos oder die Fantastischen-Vier-Mitglieder Michi Beck und Smudo. Sie entscheiden sich für Rea Garvey.

Elba ist auch in den Battles bei „The Voice of Germany“ eine Runde weitergekommen.
Foto: @Joyn

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So fanden die Elba-Band-Mitglieder zueinander

Warum die Wahl auf ihn gefallen ist, erzählt das Trio einige Tage später in einem Café in Hamburg-Ottensen. Nicht nur mit dem Satz „Slava Ukraini!“, auf Deutsch: „Ehre der Ukraine!“, hat der Sänger die Kandidatinnen sofort auf seine Seite gezogen. Für Daria ist er einfach ein warmherziger Mensch: „Mich berührt, dass er für traumatisierte Kinder in Kiew ein Haus baut.“ Bei Solomiia punktet Rea Garvey als Ire allein wegen seiner Herkunft: „Genau wie in der Ukraine spielt in Irland Volksmusik eine wichtige Rolle.“ Also animiert der Coach seine Schützlinge nun, vor allem das Ukrainische zu zeigen. Ob das bedeutet, dass sie bei „The Voice of Germany“ weiterhin nur in ihrer Muttersprache singen werden, dürfen sie allerdings zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht verraten.

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Kein Geheimnis ist hingegen, wie sich die Musikerinnen gefunden haben. Alle Elba-Band-Mitglieder sind 2022 vor dem russischen Angriffskrieg nach Hamburg geflohen. Olena und Solomiia lernten sich bei einem Benefizkonzert für die Ukraine im Indra Club auf dem Kiez kennen, während einer anderen Wohltätigkeitsveranstaltung begegnete Olena dann Daria: „Ich habe mich bei Solomiia dafür stark gemacht, Daria zu uns zu holen. Damit wir uns kennenlernen konnten, haben wir uns zu dritt getroffen.“ Ihre erste Probe fand 2023 ganz öffentlich in der Grünanlage Planten un Blomen stand, inzwischen haben die Drei einen Proberaum in Ottensen, live sind sie zum allerersten Mal in einer Kirche in Itzehoe aufgetreten.

Daria, Olena und Solomiia wohnen in Hamburg, nachdem sie aus der Ukraine geflüchtet sind.
Foto: S. Copitman

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Dieses Konzert ist ihnen ebenso unvergesslich geblieben wie ihre „The Voice of Germany“-Bewerbung. „Wir sind zum Last Chance Day nach Berlin gefahren“, erzählt Olena. Allein das war schon ein Nervenkitzel, jedoch kein Vergleich zur eigentlichen Performance. „Obwohl ich professionelle Musikerin bin, war ich noch nie so aufgeregt“, gesteht Daria. Die Harmonien, die Melodien – alles schien wenige Minuten vor dem Auftritt futsch zu sein. Auch wenn das reine Nervosität war: Den großen Moment haben die Bandmitglieder recht unterschiedlich wahrgenommen. „Ich habe mich völlig auf meine Gitarre und das Zusammenspiel mit dem Schlagzeuger konzentriert“, erinnert sich Solomiia. Olena hielt Blickkontakt mit der Jury, Daria hat den Augenblick genossen und ein bisschen getanzt.

Für die Zeit nach dem Krieg haben die Musikerinnen schon Pläne

Nach diesem Erlebnis hat sie das Ziel hochgesteckt: „Es wäre super, wenn wir gewinnen würden.“ Für Solomiia ist ein anderer Aspekt ebenso wichtig: „Wir möchten den Deutschen die ukrainische Kultur näherbringen und zeigen, wie gut wir integriert sind.“ Die 30-Jährige ist die Einzige aus der Band, die nach ihrer Flucht mehrmals wieder in der Ukraine war. Ursprünglich stammt sie aus Lwiw, sie hat Film und Medienkunst studiert, später arbeitete sie im Sozialbereich. Bis sie wegen des Kriegs ihren Job verloren hat. Fortan engagierte sich Solomiia als freiwillige Helferin, sie nahm Menschen aus Kiew und Charkiw bei sich auf. 

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Wegen eines Projekts reiste sie im April 2022 nach Österreich, in dieser Zeit wurde ihr Heimatort bombardiert: „Ich habe spontan entschieden, zu einer Freundin nach Hamburg zu fahren.“ Zunächst wollte sie nur kurz bleiben: „Ich habe aber gemerkt, dass ich von Deutschland aus viel mehr für die Ukrainer tun und Spenden sammeln kann.“ Heute arbeitet sie für einen Verein für interkulturelle Begegnungen – neben ihrer Tätigkeit als freiberufliche Musikerin. Sie hat einen deutschen Partner, ihr Traum wäre es, mit ihm nach dem Kriegsende zwischen Deutschland und der Ukraine zu pendeln.

Flucht aus der Ukraine verändert Lebenswege

Genau wie sie hat auch Daria schon einen konkreten Plan für einen zukünftigen Frieden: „Ich werde in der Ukraine ein Volksfest veranstalten.“ Die 34-Jährige kommt ursprünglich aus Charkiw. In ihrer früheren Wohnung leben nun ihre Großeltern, deren Haus von einer Rakete getroffen wurde. Vor dem Krieg war sie Musiklehrerin. Als ihre Mutter ihr erklärte, der Krieg sei ausgebrochen, wollte sie das gar nicht wahrhaben. Sie antwortete: „Meine Schüler spielen heute Abend ein großes Konzert.“ Natürlich fiel es aus, stattdessen verbrachte Daria die Nacht mit anderen Menschen in einem U-Bahn-Schacht. Recht schnell sagte ihre Mutter: „Du bist jung, du musst flüchten.“ Mit dieser Idee tat sich Daria jedoch schwer: „Ich wollte meine Eltern nicht verlassen.“ Schließlich ging sie doch über die polnische Grenze und schlug sich nach Hamburg durch. Sie wurde freie Mitarbeiterin beim Yiddish Summer Weimar, sie gibt als Musikerin Konzerte und hofft, irgendwann in Hamburg an einer Musikschule unterrichten zu können.

Vom Gasunternehmen zur kreativen Musikerin in Hamburg

Einen beruflichen Neustart wünscht sich Olena. Die 39-Jährige ist mit ihren beiden Kindern von Winnyzja nach Hamburg geflohen. Weil sie lange auf einen Kitaplatz warten musste, konnte sie ihr Sprachzertifikat, das ihre Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt verbessert, nicht so schnell erwerben, wie es ihr lieb gewesen wäre. Gleichwohl war sie nicht untätig. Sie designte und verkaufte Postkarten, um Spenden für die Ukraine zu generieren. Inzwischen hat die ehemalige Mitarbeiterin eines Gasunternehmens, die seit ihrer Jugend Musik macht, ihre Deutschprüfung aber bestanden. Sie wird versuchen, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen: „Ich würde zwar nach dem Krieg gerne in die Ukraine zurückkehren, aber wenn meine Kinder in Hamburg eingeschult sind, möchte ich ihnen nicht unbedingt einen Schulwechsel zumuten.“