Es war eine krachende Niederlage, die am Mittwoch, 29. Oktober, nicht nur die Eltern aus der Kita in der Hohen Straße erlebten, sondern auch der komplette Stadtbezirksbeirat Mitte, für den dessen Mitglied Thomas Nörlich (SPD) eine profunde, sachliche und eigentlich überzeugende Rede hielt. Es ging um den geplanten Kita-Neubau in der Hohen Straße und die Frage, ob für die von der Stadt gewollten Stellplätze auch noch der halbe Innenhof planiert werden soll, sodass die Kinder nicht nur weniger Grün zum Spielen haben, sondern auch noch neben geparkten Autos spielen müssen.

Es war einer dieser Momente, in denen deutlich wurde, dass ganze Abteilungen im Rathaus nach wie vor eine profunde Autopolitik verfolgen und sich dabei bürokratisch hinter der Stellplatzsatzung der Stadt verstecken. Und eine Stadtratsmehrheit trägt dieses immer neue Ja zu Autos und Stellplätzen mit.

Dabei ging es im geplanten Bauprojekt in der Hohen Straße / Ecke Bernhard-Göring-Straße und im Antrag aus dem Stadtbezirksbeirat Leipzig-Mitte vor allem um eine Abwägung, die Thomas Nörlich den Ratsmitgliedern am 27. Oktober dringend ans Herz legte: Denn bei der dichten Beplanung des Grundstücks stand das Amt für Schule vor einer dringenden Abwägung zwischen Begrünungssatzung und Stellplatzsatzung. Und die Begrünungssatzung sieht sehr wohl vor, dass Stellplätze auch durch Ablöse ersetzt werden können.

„Es steht außer Frage, dass der Gebäudekomplex in der Hohen Straße 19–21 nicht mehr zeitgemäß ist. Ebenso besteht großer Bedarf an Plätzen in Jugendhilfeeinrichtungen und auch Sporthallen werden dringend benötigt. Der SBB Mitte regt jedoch an, mit wenigen Veränderungen die Rahmenbedingungen vor Ort deutlich zu verbessern – bevor der Baubeschluss verabschiedet wird“, formulierte der Stadtbezirksbeirat Mitte sein Anliegen.

„Hinterfragt wird, ob auf die derzeit vorgesehenen Kfz-Stellplätze auf dem Grundstück gänzlich verzichtet werden kann. Diese nehmen wichtige Freiräume für Aufenthalts- und Spielflächen weg, da dadurch der bisherige Krippengarten wegfallen würde.“

Begrünungssatzung versus Stellplatzsatzung

Dabei gibt es gerade hier noch eine richtig schöne Grünfläche. Richtig schönen Platz für die Kinder zum Spielen. Warum will die Stadt dann unbedingt noch Stellplätze auf den dann eh schon verkleinerten Freiraum quetschen?

„Eine Besonderheit stellt der Kita-Garten dar, dessen Gestaltung und Aufteilung durch engagierte Eltern geschaffen wurde. Der Garten bietet nicht nur viel Platz zum Spielen und Toben, ermöglicht es den Kindern auch, Naturerfahrungen inmitten der pulsierenden Stadt zu erleben – ganz im Sinne des Sächsischen Bildungsplanes“, stellte der Stadtbezirksbeirat mit seinem Prüfantrag fest.

„Im Sinne der doppelten Innenentwicklung der Stadt Leipzig ist es aus Sicht des SBB Mitte nicht zu verantworten, wertvolle Freifläche mit altem Baumbestand für zusätzliche Parkflächen im Innenhof einer Kita und eines Hortes zu opfern. Auch wenn das Mittel der Stellplatzablöse nicht die erste Wahl sein sollte, so ist sie doch in der Abwägung insbesondere bei der Errichtung von sozialen Einrichtungen im urban verdichteten Raum auch durch die Stadtverwaltung selbst in Betracht zu ziehen.“

Ob überhaupt so viele Stellplätze benötigt werden, stellte Nörlich auch infrage. Gerade hier, mitten im Wohnquartier, ist nicht zu erwarten, dass die Eltern mit Auto vorfahren.

Ein Amt bleibt stur

Aber in seiner Stellungnahme stellte sich das Amt für Schule stur. Sie machte in behördlichen Deutsch klar, dass Platz für Autos in der Leipziger Verwaltung höher gewichtet wird als Platz für spielende Kinder.

„Die Anzahl der notwendigen Stellplätze ergibt sich aus der Stellplatzsatzung der Stadt Leipzig und ist für ein genehmigungsfähiges Bauvorhaben Grundlage für die Planung. Für die in der Hohen Straße angedachten 5 Nutzungsbereiche (Kita, Hort, Tagesgruppe, Wohngruppe und Sporthalle) sind entsprechend der anzuwendenden Verwaltungsvorschrift zur Sächsischen Bauordnung (VwVSächsBO) sowie der Satzung der Stadt Leipzig über die Stellplatzpflicht (Stellplatzsatzung) 11 Stellplätze auf dem Grundstück nachzuweisen. Im Interesse des Erhalts möglichst großer Grünflächen konnte aufgrund der guten Anbindung an das ÖPNV-Netz die Stellplatzverpflichtung um ca. 30 % verringert und die Anzahl auf 8 Stellplätze, davon 2 Behindertenstellplätze reduziert werden. Eine weitere Verringerung ergibt sich auch nicht durch die am 26.06.2025 beschlossene, aber noch nicht bekanntgemachte, Fassung der Stellplatzsatzung“, erklärte das Amt für Schule.

Obwohl der Antrag aus dem Stadtbezirksbeirat deutlich auf die Abwägung hinwies. Die Stadt kann alle diese Stellplätze durch eine Stellplatzablöse ersetzen. Doch das Amt für Schule argumentierte lieber, dass genau das nicht ginge. Kein Wunder, dass in Leipzigs Innenstadt immer mehr Grün verloren geht. Bürokratie kann stur und unbarmherzig sein, wenn sie sich an Paragraphen hält.

Unzumutbar oder nicht?

„Grundsätzlich sind notwendige Stellplätze auf dem eigenen Grundstück herzustellen. Eine Ablöse von Stellplätzen ist nur in Ausnahmefällen möglich, falls die Herstellung der Stellplätze tatsächlich nicht bzw. nur unter unzumutbaren Umständen möglich ist, anwendbar. Die Anlieferung und die Behindertenstellplätze sind dabei zwingend auf dem eigenen Grundstück nachzuweisen. Da nachweislich Flächen für eine Sicherung der Stellplätze auf dem eigenen Grundstück vorhanden sind, kann einer Ablöse auch aus Gründen der Gleichbehandlung gegenüber privaten Dritten nicht zu gestimmt (sic!) werden“, erklärt das Amt für Schule.

„Gemäß § 49 SächsBO sind Stellplätze und Garagen, Fahrradabstellplätze sowie Gebäude für Fahrradabstellplätze in dem erforderlichen Umfang auf dem Baugrundstück oder in zumutbarer Entfernung davon auf einem geeigneten Grundstück herzustellen, wenn dessen Benutzung für diesen Zweck rechtlich gesichert ist. In der Aufgabenstellung für den Realisierungswettbewerb Ersatzneubau Hohe Straße wurde die Anforderung formuliert, dass die bauordnungsrechtlich erforderlichen Pkw-Stellplätze und Fahrradabstellanlagen sowie die Küchenandienung auf dem Baugrundstück zu planen sind.

Und dies wurde im Wettbewerb und in den anschließenden Planungsphasen berücksichtigt. Aus städtischer und vor allem funktionaler Sicht der verschiedenen Nutzungen ist es erforderlich, die bauordnungsrechtlich erforderliche Anzahl an Pkw-Stellplätzen, die aufgrund der ÖPNV-Anbindung bereits reduziert wurden, zwingend auf dem Grundstück zu berücksichtigen.“

Eine Argumentation, die sich – wie man lesen kann – im Kreis dreht. Und der dann am 29. Oktober die Stadtratsmehrheit auch folgte. Der Antrag des Stadtbezirksbeirats Mitte, für den Thomas Nörlich geworben hatte, wurde mit 8 : 36 Stimmen bei 16 Enthaltungen abgelehnt.