Was gibt es von Diddl nicht? „Das ist eine gute Frage, ich überlege mal“, sagt Jasmin Einhauser und zählt auf, was es alles gibt: Blöcke, Kuscheltiere, Postkarten, kleine Figuren, Spiele, Boxen, Schatullen, Rucksäcke, Hörspiele, Tassen, Sticker, Stifte, Bettwäsche, Bücher, Comics. Einhauser gibt zu, dass sie sicher nicht alles erwähnt hat – der Diddl-Kosmos ist einfach zu groß, um alle Produkte aufzuzählen, die mit der Maus mit den großen Ohren und Füßen verziert sind. „Es gibt sogar Lippenpflegestifte“, sagt die 28-jährige Stuttgarterin.

Die erste Stuttgarter Tauschbörse

Es ist ein Samstagvormittag im Stadtteilhaus Mitte im Heusteigviertel. Einhauser organisiert hier die erste Stuttgarter Diddl-Tauschbörse. Im Saal des Quartierszentrums hat sie Tische aufgebaut, Girlanden aufgehängt und eine Bastelstation rund um das Gästebuch eingerichtet. Glitzersticker, bunte Stifte und Luftballons stehen bereit. Um 11 Uhr sind die ersten Sammlerinnen und Sammler bereits fleißig am Tauschen.

7000 Kuscheltiere und grenzenlose Sammlerleidenschaft

Eine von ihnen ist Betty, die 7.000 Diddl-Kuscheltiere besitzt. Die 26-Jährige ist aus Berlin angereist und hat durch ihre Schwester Kati, die aus dem Saarland kommt, von dem Event erfahren. Wie bewahrt man 7.000 Plüschtiere auf? „In Regalen und Vitrinen“, sagt Betty. „Aber ich muss bald umziehen – das wird kein Spaß.“ Genau wie die Organisatorin Jasmin hat auch Betty eher einen Diddl-Überschuss. „Das, was ich nicht mehr behalten möchte, kann ich hier mit anderen Diddl-Fans tauschen“, erklärt sie.

Heute treffen sich hier viele Fans zum ersten Mal persönlich, die sich sonst nur aus Diddl-Whatsappgruppen oder von Facebook kennen. „Wir sind zwischen 25 und 45 Jahren alt und fast nur Frauen“, sagt Jasmin, die schon seit ihrer frühesten Kindheit Fan der Maus ist. „In der Schule hatte damals jeder etwas von Diddl“, erzählt sie.

Nostalgie auf dem Schulhof

Thomas Goletz entwarf die Maus am 24. August 1990. Mit nur wenigen Strichen schuf der Cartoonist eine Figur, die später viele Kinder- und Jugendzimmer erobern sollte. Ursprünglich war sie als Känguru gedacht. Bald jedoch entschied Goletz, das Kerlchen kleiner und handlicher zu gestalten, damit es leichter in eine Kaffeetasse oder ein Stück Käse gesetzt werden konnte.

Unter den Sammlerinnen war die Freude groß, als bekannt wurde, dass die niedliche Maus zurückkehren würde. Die Idee zum Relaunch stammte laut eigenen Angaben von Kontiki. Das Unternehmen, das bereits den Vertrieb der Diddl-Produkte in Frankreich übernommen hatte, wandte sich an Thomas Goletz. Gemeinsam entwickelten sie eine Kollektion mit 64 Artikeln – von Plüschtieren bis Schmuckkästchen, die zunächst nur in Frankreich und Belgien verkauft wird.

Raritäten und wertvolle Schätze

Auch Jasmin war erst kürzlich in Paris, um sich mit der neu aufgelegten Diddl-Kollektion einzudecken. „Ich finde die neuen Sachen schön, aber sie sind qualitativ nicht besonders hochwertig“, sagt die Stuttgarterin und zeigt die abgebrochenen Ohren einer Figur. Bei einem Plüschtier sind bereits Nähte gerissen. Ob es nicht seltsam sei, dass sich erwachsene Frauen so intensiv mit Spielzeug-Mäusen beschäftigen? „Diddl-Mäuse sind bunt, fröhlich und voller Energie. Sie helfen mir, dem Alltagstrott zu entfliehen“, erklärt die Kindheitspädagogin, die gemeinsam mit einer Kollegin das Stadtteilhaus Mitte leitet.

Niedlicher Eskapismus

Offenbar ist die Sehnsucht Erwachsener nach der eigenen oder einer als perfekt verklärten Kindheit groß. Unter dem Begriff „Kidulting“ – einem Kofferwort aus „kid“ (Kind) und „adult“ (Erwachsener) – entwickelt sich ein moderner Trend. Schon in den 1960er-Jahren bezeichnete man Erwachsene, die bewusst kindliche Hobbys, Vorlieben oder Verhaltensweisen pflegten, als „Kidults“. Heute gilt das längst nicht mehr als ungewöhnlich oder peinlich. Für Unternehmen ist das ein lukratives Geschäft. Wir leben eben in einer Zeit zahlreicher Krisen und viele Menschen suchen nach einem Ausweg aus dem Alltag. Das Sammeln und Spielen mit Dingen aus Kindheit und Jugend wirkt für viele dabei wie eine Reise in eine andere Zeit – ein kleiner Moment des Eskapismus.

Eine Diddl-Postkarte mit einem Autogramm des Diddl-Erfinders Thomas Goletz. Foto: Ferdinando Iannone

Jasmin zeigt den Tisch mit den unterschiedlichsten Diddl-Blöcken in vielen Farben und Größen. Manche haben Glitzerblätter, andere sind in Gold gehalten oder duften nach Früchten. In den 90ern wurde das Sammeln und Tauschen auf dem Schulhof zu einem eigenen Spiel. Diddl-Blätter bewahrte man in Ordnern auf – fast so sorgfältig wie seltene Münzen oder Briefmarken. Manche Sammler haben nie aufgehört und ihre Schätze jahrzehntelang aufbewahrt. „Blätter mit besonderen Mustern oder Goldverzierungen erzielen pro Seite zwischen drei und fünf Euro“, erklärt Jasmin.

Flohmärkte, Tauschen und die Jagd nach Raritäten

Besonders begehrt sind originale Diddl-Blöcke aus den 1990er-Jahren. Ihr Wert steigt mit Alter und Erhaltungszustand. Ein unbenutzter Block aus der ersten Serie kann heute bis zu 500 Euro erzielen, und auch limitierte Glitzer- oder D’Oro-Editionen werden zu hohen Preisen gehandelt.

Auch Betty hat bereits mehrere hundert Euro für Diddl-Produkte ausgegeben. „Mein teuerster Kauf war eine 1,20 Meter hohe Diddl-Maus für 700 Euro“, erzählt die Berlinerin. Die Maus hat einen festen Platz auf ihrer Couch und eine eigens für sie gehäkelte Decke. Wie fast alle anwesenden Diddl-Fans ist sie oft auf Flohmärkten unterwegs. „Es ist ein Glücksfall, wenn Leute ihre gesamte Diddl-Sammlung loswerden wollen und gar nicht wissen, auf welchem Schatz sie sitzen“, sagt Betty.

Nichts, was es nicht gibt

Auch ihre Schwester Kati teilt die Faszination für Nostalgie. Die 25-Jährige sammelt neben Briefpapier auch Spiele mit der Maus: Kniffel-Blätter, Kartenspiele, Bilderbingo, Das große Käsekuchenlandspiel, Puzzles, Memo – es gibt kaum etwas, das es nicht gibt.

Wird es ein weiteres Tauschevent geben? Jasmin Einhauser ist sich ziemlich sicher. Schließlich hat sie noch einen lebensgroßen Diddl-Pappaufsteller und Diddl-Tischdecken bestellt, die aber leider nicht rechtzeitig geliefert wurden. „Hat hier jemand einen Zettel für die Pizza-Bestellung?“, ruft sie plötzlich durch den Saal. Aufgeregt wird gesucht, bis man sich auf ein dünnes A3-Blatt einigt – einen Diddl-Block kritzelt hier schließlich niemand mit Margherita oder Pizza Hawaii voll.