Er ist der größte Mainzer Fastnachtsverein, und ohne ihn gäbe es weder Straßenfastnacht noch Rosenmontagszug: Der Mainzer Carneval, Verein (MCV) hat eine Schlüsselrolle in der Mainzer Fastnacht. Umso wichtiger ist, wer an der Spitze des Vereins steht – und die wird nun neu gewählt: Am Dienstag stellt sich der amtierende MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig das erste Mal zur Wiederwahl, und sieht sich dabei einem Herausforderer gegenüber: Christian Vahl will den MCV moderner aufstellen und fordert, der Verein brauche eine „Vision Fastnacht 2040“.

Hannsgeorg Schönig ist seit drei Jahren Präsident des MCV. - Foto: gikHannsgeorg Schönig ist seit drei Jahren Präsident des MCV. – Foto: gik

Drei Jahre beträgt die Amtszeit eines Präsidenten beim Mainzer Carneval-Verein, im September 2022 bekam der MCV wieder einmal einen neuen: Der Bankkaufmann und langjährige Fraktionschef der CDU im Mainzer Stadtrat, Hannsgeorg Schönig, wurde mit 70 Prozent der Stimmen zum neuen MCV-Chef gewählt. 77 von 109 Stimmen entfielen damals auf Schönig, der bei der Wahl allerdings keinen Gegenkandidaten hatte.

Das wird sich am kommenden Dienstag ändern: „Ja, ich kandidiere als MCV-Präsident“, bestätigte Christian Vahl, früherer Leiter der Mainzer Herzchirurgie, im Gespräch mit Mainz&. „In einer demokratischen Gesellschaft muss man eine Wahl haben“, begründete Vahl seine Kandidatur, er sei von Vielen gebeten worden, anzutreten. Seine Motivation: „Es ist eine Richtungsentscheidung: soll es im MCV weiter gehen wie bisher, oder man will sich den Anforderungen der Zukunft stellen?“ Es brauche eine Vision, wie sich die Mainzer Fastnacht in Zukunft aufstellen solle, „und daran fehlt, es aus meiner Sicht derzeit im MCV.“

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Vahl: MCV braucht neue Mitgliedsmodelle, Vision Fastnacht 2040

Die Gegenkandidatur ist durchaus brisant, hatte Schönig doch vor drei Jahren versprochen, er wolle die Kommunikation zu den Mitgliedern verbessern und „Gräben zuschütten“. Genau diese Gräben hatten den MCV die vergangenen Jahre mehrfach zerrissen: Er wünsche sich, dass der Verein „jetzt endlich mal in ruhigem Fahrwasser läuft“, hatte der damalige Kapitän der Mainzer Hofsänger, Christoph Clemens, vor Schönigs Wahl gegenüber Mainz& gesagt, und betont: „Wir brauchen einen starken MCV, und nicht immer linkes Lager, rechtes Lager.“

Christian Vahl ist Erfinder der "Unsichtbaren Römergarde" sowie der Närrischen Nachtvorlesung. - Foto: gikChristian Vahl ist Erfinder der „Unsichtbaren Römergarde“ sowie der Närrischen Nachtvorlesung. – Foto: gik

Doch das scheint auch Schönig nicht gelungen zu sein, Kritiker werfen ihm genau wie seinem Vorgänger Reinhard Urban vor, einen eher autoritären Stil gepflegt und vielfach einsame Entscheidungen getroffen zu haben. „Die Fastnacht braucht keine Könige“, begründete nun auch Vahl seine Gegenkandidatur. Der MCV müsse sich viel stärker für neue Beteiligungsformen öffnen und „auch neue Ideen zulassen“, sagte Vahl weiter: „Wir brauchen partizipative Modelle, wo auch Menschen mit Migrationshintergrund stärker teilnehmen. Wir brauchen neue Mitgliedsmodelle, die Fastnacht muss wirklich offen sein, wirklich für alle.“ Dazu gehöre auch, dass jede Generation ihre eigenen Zugänge zum MCV brauche.

„Die Fastnacht ändert sich, andere Vereine sind uns da um Längen voraus“, sagte Vahl weiter: „Man muss sich doch überlegen: Wie soll die Mainzer Fastnacht in 15 Jahren aussehen?“ Gerade der MCV als Ausrichter der Straßenfastnacht müsse eine „Vision Fastnacht 2040“ entwickeln, fordert Vahl, dazu gehöre eine stärkere Einbindung junger Nachwuchsnarren, aber auch die Gestaltung der digitalen Transformation – „ohne dass man die Begegnung der Menschen untereinander reduziert.“

 

Schönig zieht positive Bilanz: wirtschaftliche Stabilität und Sanierung

Eine positive Bilanz seiner Amtszeit zieht derweil aber auch Amtsinhaber Hannsgeorg Schönig: „Die Bilanz ist gut, ich bin da sehr zuversichtlich“, sagte Schönig im Gespräch mit Mainz&: „Es gibt gute Gründe das, was ich in den letzten drei Jahren mit meinem Vorstand begonnen habe, noch weiter fortzusetzen.“ Besonders wichtig sei ihm, „die wirtschaftliche Stabilität des MCV weiterhin gewährleisten“, Schönig sieht sich da als Bankfachmann an der richtigen Stelle. Bei seinen Vorgängern seien „die Kassen bis in die letzte Ecke ausgekehrt“, betonte er.

Hannsgeorg Schönig am 11.11. auf dem Mainzer Schillerplatz. - Foto: gikHannsgeorg Schönig am 11.11. auf dem Mainzer Schillerplatz. – Foto: gik

Auch sei in den vergangene 10 bis 15 Jahren nichts in den Erhalt der MCV-Gebäude investiert worden, das betraf vor allem die Wagenhallen in Mainz-Mombach. „Wir haben die eine Halle energetisch generalsaniert“, betont Schönig. Zudem musste der MCV nach dem Tod von Wagenbau-Legende Dieter Wenger die Nachfolge regeln. Mit dem neuen Wagenbauer Stefan Hisge sei das sehr gut gelungen. Zudem schaffte es Schönig als erster MCV-Präsident überhaupt, die Stadt Mainz an den Kosten für den Rosenmontag zu beteiligen: 2025 steuerte die Stadt Mainz erstmals 200.000 Euro für Securitykosten bei.

Immer wieder mahnte Schönig als MCV-Präsident wegen der massiv gestiegenen Kosten für die Mainzer Straßenfastnacht auch mehr Solidarität der anderen Fastnachtsvereine an, ab 2026 will sich nun auch die Mainzer Fastnacht Genossenschaft mit 90.000 Euro an der Finanzierung des Rosenmontagszuges beteiligen. Dass Schönig nun aber auch kleinen Vereinen 1.900 Euro für die Teilnahme am Rosenmontagszug in Rechnung stellen und den großen Mainzer Fastnachtsumzug drastisch kürzen will, stieß zuletzt auf scharfe Kritik.

 

Eintritt am 11.11., Rucki Zucki Dance Night und Straffung RomoZug

Auch die Einführung von Eintrittskarten für den 11.11. auf dem Mainzer Schillerplatz sorgte für viel Gegenwind für den MCV-Präsidenten, Schönig verteidigte das stets mit den gestiegenen Sicherheitsauflagen. Scharfe Kritik gab es zuletzt auch an der Umstellung der Zugplakettcher auf digitale Modelle aus dem 3D-Druck: Die neuen Umhängefigürchen seien potthässlich und animierten überhaupt nicht mehr zum Kauf, klagten Fans zuletzt reihenweise. 2024 hatte Schönig gar mit dem „Schoppestecher“ ein Zugplakettcher in tristem Grau präsentiert, viele Ur-Fastnachter animierte das zu allerlei kreativen Änderungen.

„Wir haben im Zuge der Digitalisierung und Weiterentwicklung des Vereins viele Dinge verändert“, betont Schönig hingegen. Es gebe jetzt die Kartenbestellung übers Internet, und deutlich mehr digitale Kommunikation innerhalb des Vereins, dazu auch neue Formate wie etwa die „RuckiZucki Dance Night.“

Er habe auch „das Zusammengehörigkeitsgefühl deutlich voran getrieben“, betonte Schönig zudem, „wir fühlen uns wieder als großer Verein, wo alle Ausschüsse gleichberechtigt am Großen und Ganzen mitwirken.“ Für die Zukunft nennt Schönig vor allem die weitere Sanierung der Wagenhallen, ein noch digitaleres Kommunikations- und Veranstaltungsmanagement sowie ein verbesserter Service und die Entwicklung neuerer Formate.

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Vahl: Neue Formate, neue Sponsoring-Modelle und Netzwerke

Vahl reicht das nicht: Der MCV müsse stärker „dort sein, wo die Menschen sind“, für die Zukunft brauche es deshalb mehr hybride Veranstaltungsformate, und auch neue Formen wie etwa 3D-Fastnachtsführungen. „Fast den ganze Rhein entlang, leben Fastnacht und Karneval von Nähe und Begegnung“, sagte Vahl weiter, „aber das heißt doch nicht, dass man Internet und Tiktok ausschließt.“ Auch über „erweiterte Umzugskorridore“ könne man nachdenken, findet Vahl, er plädiere auch für mehr Aftershow-Events statt einer reinen Konzentration auf die großen Sitzungen und den Rosenmontagszug.

Christian Vahl gilt als Erfinder der "Närrischen Nachtvorlesung" und der "Saturnalien" sowie als Gründer der "Unsichtbaren Römergarde". - Foto: gik Christian Vahl gilt als Erfinder der „Närrischen Nachtvorlesung“ und der „Saturnalien“ sowie als Gründer der „Unsichtbaren Römergarde“. – Foto: gik

Dafür brauche es aber auch neue Sponsoring-Modelle für die Straßenfastnacht, betont Vahl: „Mainz hat 500.000 Besucher, warum beteiligt man die nicht stärker an der Finanzierung?“ sinniert er. Möglichkeiten könnten vielleicht App-Modelle sein, bei denen etwa ein Euro abgebucht wird, sobald jemand eine bestimmte Gaststätte an Rosenmontag besuche. „Oder man denkt über Modelle nach, wie beim Oktoberfest in München, dass etwa Wein und Bier zur Fastnacht einen Euro teurer sind, weil damit die Stadt die Fastnacht finanziert.“

Vahl weiß, dass solche Ideen auch auf Kritik stoßen werden, er fordert aber: „Man muss solche Ideen besprechen, wir brauchen andere Finanzierungsmodelle – ich glaube nicht mehr, dass ein Einzelverein auf Dauer den Rosenmontagszug organisieren sollte, egal welcher verein das ist.“ Für ein Event dieser Größenordnung brauche es ein Netzwerk nach dem Vorbild des Kölner Karnevals, betont Vahl, dort wird die gesamte Karnevalsorganisation vom Festkomitee Kölner Karneval gelenkt, das auch die Dachorganisation für die Karnevalsvereine in der Stadt bildet.

 

Reinhard Urban kandidiert als Vize-Präsident für MCV

„Wir müssen Spielregeln für eine Mitgestaltung organisieren und neue Strukturen schaffen“, fordert Vahl, auch die Vernetzung des MCV mit Schulen, Kitas und Vereinen – etwa in Form von Kooperationen – gebe es bisher überhaupt nicht. Als ein weiteres Beispiel nennt Vahl das Müllproblem an Rosenmontag: „Wir geben eine Million Euro aus, um nach dem Zug den Müll zu beseitigen, das sind irre Beträge“, sagt er. Es brauche bessere Konzepte zu Müllvermeidung, weniger Plastikeinsatz und umweltfreundlichere Logistik, sein Ziel sei, in drei Jahren nur noch die Hälfte des Müllaufkommens zu haben. Drehen könne man etwa an dem Wurfmaterial und den ausufernden Plastikbechern, Plastikflaschen könnten etwa in einem Pfandsystem zurückgenommen werden.

Reinhard Urban als MCV-Präsident am 11.11. auf dem Balkon des Osteiner Hofs. - Foto: gikReinhard Urban als MCV-Präsident am 11.11. auf dem Balkon des Osteiner Hofs. – Foto: gik

„Für diese Fragen müsste man einzelne Arbeitsgruppen machen“, sagt Vahl – gelinge es, die Kosten für solche Ausgaben um die Hälfte zu reduzieren, sei auch wieder Geld für andere Projekte da. „Der MCV muss wacher werden“, fordert Vahl, „er muss sich den Anforderungen der Gegenwart stellen, und Konzepte für die Zukunft entwickeln.“ Helfen soll Vahl dabei ausgerechnet Schönigs Vorgänger: Der Rechtsmediziner Reinhard Urban hatte den MCV von 2016 bis 2022 als Präsident geführt, Urban übernahm den Verein in finanziell turbulenten Zeiten und musste den MCV zeitweise gar mit privaten Finanzmitteln über Wasser halten.

Urban musste zudem ab 2020 die Corona-Pandemie mit ihren finanziell schwere Folgen für die Fastnacht bewältigen, 2022 trat er nicht zur Wiederwahl an – nun plant er ein Comeback: Urban werde als Vizepräsident gemeinsam mit ihm kandidieren, bestätigte Vahl. Das Team sei zudem eingespielt, denn Vahl war bereits unter Urban im Vorstand des MCV tätig. „Wir sind in den drei Jahren überhaupt nicht fertig geworden, wir haben Lust die Dingen, die liegen geblieben sind, fertig zu machen“, betonte er jetzt.

Vahl: Experten für Finanzen und IT im Vorstand einbinden

Vahl selbst ist ebenfalls seit vielen Jahren in der Fastnacht aktiv. Er ist Mitglied der Mainzer Prinzengarde und im Kasteler Karneval Club KCK aktiv. Er ist Gründer der „Unsichtbaren Römergarde“, die sich als Bindeglied zwischen Fastnacht und römischem Erbe versteht, und er rief die „Närrische Nachtvorlesung“ an der Mainzer Uni ins Leben. Die Römergarde wiederum veranstaltet seit drei Jahren am 11.11 die „Saturnalien“, das aus ihr hervorgegangene „Trio Aeterna“ mit Sängerin Kathrin Dohle und Vahl an der Gitarre tritt auf Fastnachtssitzungen auf.

Christian Vahl in der Uniform der Mainzer Prinzengarde an Rosenmontag 2025. - Foto: gikChristian Vahl in der Uniform der Mainzer Prinzengarde an Rosenmontag 2025. – Foto: gik

Vahl sagte, für die MCV-Wahl gebe es insgesamt ein fünfköpfiges Vorstandsteam, die Namen wollte er aber nicht nennen: Die Personen befürchteten Nachteile im MCV, sagte er. Derzeit sei der Verein „wie eine Präsidialdemokratie organisiert“, das sei nicht mehr zeitgemäß, findet er: „Wir brauchen kreative und kritische Leute“, betont Vahl, der auch für Experten von außen plädiert: „Ich bin dafür, dass man Kompetenzen von außen hinzu nimmt, etwa Unternehmensberater, Banker, oder IT-Fachleute“, sagte Vahl.

Sowohl Urban als auch er selbst hätten große Fachbereiche an der Mainzer Universitätsmedizin geleitet, „man kann nicht sagen, dass wir nichts von Finanzen verstehen“, betonte er. Aber es sei einfach sinnvoll, den Vorstand durch neue Leute zu erweitern, „die dazu beitragen können, dass man dem MCV ein modernes Gesicht gibt und ihn neu aufstellt.“ Wenn Mainz 2040 noch eine vernünftige Fastnacht haben wolle, „und wenn der MCV dann noch eine Rolle spielen soll, dann müssen wir die Weichen jetzt stellen.“