Im Abschlusskonzert des Jazzfestivals Esslingen erwiesen Larry Grenadier und das Janke Quartett dem einstigen Weltklasse-Bassisten Eberhard Weber ihre Reverenz.

Das Abschlusskonzert des Jazzfestivals Esslingen im Kulturzentrum Dieselstraße wurde zur beeindruckenden Hommage an Eberhard Weber, einen der herausragenden Bassisten in der Historie des Jazz. Seit der ersten Auflage im Jahr 2015 fungiert Weber, der in Esslingen aufgewachsen ist, als Schirmherr des inzwischen weit über die Grenzen Esslingens hinaus bekannten Festivals.

In diesem Jahr ist der in Südfrankreich lebende Weber 85 Jahre alt geworden. Er hat, bis ihm 2007 ein Schlaganfall das Instrument aus der Hand nahm, das Bassspiel in eine neue Dimension geführt. Mit einem selbst gebauten fünfsaitigen Elektro-Kontrabass drückte er mit seinem melodisch-orchestralen Spiel, das geprägt war von singenden Tönen und langgezogenen Linien, dem Jazzbass seinen unverwechselbaren Stempel auf. Gesundheitsbedingt konnte Eberhard Weber nicht anwesend sein, doch Festival-Chef Maximilian Merkle verlas ein humoriges Grußwort des Bass-Altmeisters, in dem er Worte des Dankes ausdrückte.

Es ist Merkle hoch anzurechnen, dass er für den ersten Set von „Ein Abend für Eberhard Weber“ – neben dem im zweiten Konzertteil spielenden Janke Quartett – mit dem aus San Francisco stammenden Larry Grenadier einen der besten Jazzbassisten unserer Tage in die Dieselstraße eingeladen hat. Ähnlich wie Weber hat der US-Musiker das Bassspiel revolutioniert, jedoch auf eine völlig andere Art.

Grenadier steht für eine völlig neue Trio-Kultur, in der sich der Bass vom Fundamentinstrument zu einem rhythmisch, melodisch und harmonisch gleichberechtigten Partner emanzipiert. Sein Markenzeichen sind kontrapunktisch geflochtene Linien und rhythmische Verzahnungen mit Schlagzeug und Klavier.

Doch auch als Solist steht Larry Grenadier seinen Mann. Es ist sicherlich kein leichtes Unterfangen, allein mit dem Kontrabass auf der Bühne zu stehen und das Publikum 50 Minuten lang zu fesseln. Besteht da nicht die Gefahr der Eintönigkeit und Langeweile? Nicht wenn ein Meister wie Grenadier das Instrument in seinen Händen hat. Was er an technischer Meisterschaft, musikalischer Intuition und klanglichen Nuancen über die Bühnenrampe brachte, faszinierte das fachkundige Publikum vom ersten bis zum letzten Ton.

Larry Grenadiers unglaubliche Musikalität

Neben Stücken von John Coltrane und einer Bach-Adaption spielte Grenadier aus seinem vor einigen Jahren produzierten Soloalbum „The Gleaners“ Nummern wie „Oceanic“ oder „Lovelair“. Doch eigentlich spielten Titel keine Rolle: Was allein zählte, war die unglaubliche Musikalität Grenadiers, der sein gewaltiges Instrument in mannigfachen Facetten zum Leuchten brachte.

Wenn er sich mit energiegeladenem Drive an die schnellen Titel machte, meinte man, angesichts der rhythmischen Stringenz im Hintergrund ein Schlagzeug mitlaufen zu hören. Und wenn er dann mit hauchzartem Flageolett zarte Töne aus seinem Instrument zauberte, entführte er die Hörer in eine völlig andere Klangwelt. So standen subtile Partien neben wilden Saitenritten, brillanten Pizzicatostürmen und vertrackten polyrhythmischen Akzentverschiebungen. Kurz: Es war eine spektakuläre Performance, die den Hörer ein ums andere Mal zum Staunen brachte.

Komposition „Eberhard“ als begeisternder Schlusspunkt

Hochkarätiges präsentierte nach der Pause auch das Janke Quartett, eine Formation, die eigens für den Abend zusammengestellt worden war. Zwar kannten sich Trygve Seim (Saxophon), Kristjan Randalu (Klavier), Petros Klampanis (Bass) und der Schlagzeuger Bodek Janke bereits aus anderen Besetzungen, in diesem Line-up war es jedoch eine Premiere.

Trotzdem harmonierte das Quartett bestens. Der gut austarierte Sound war homogen, die Wechsel gelangen nahtlos, und die Reaktion der Akteure aufeinander war mustergültig. Trygve Seim entlockte dem Sopran- und Tenorsaxophon berückend weiche Töne, der Pianist sorgte mit seinem klassisch geprägten Anschlag für Belcanto auf den Tasten und klar strukturiertes Laufwerk, und wenn Petros Klampanis aus der Rolle des reinen Fundamentgebers heraustrat und zum Solo ansetzte, übernahm sein Bass eine tragende Rolle. Den stärksten Eindruck hinterließ jedoch Bodek Janke. Zwar kann er auch ordentlich Lärm machen, doch was er überdies an subtilen Tönen und Klangfarben aus seinem Schlagzeug-Sortiment herauskitzelte, war allererste Sahne.

Das Quartett spielte sich in einen wahren Klangrausch hinein, und als es auf die Zielgerade ging, setzte die einst von Lyle Mays geschriebene Komposition „Eberhard“ den Schlusspunkt unter einen begeisternden Konzertabend, an dem sicherlich auch Eberhard Weber seine Freude gehabt hätte.

Das Jazzfestival Esslingen – eine Bilanz

Veranstaltungen
Sieben Konzerte, von denen fünf vom Team um Festival-Chef Maximilian Merkle organisiert wurden, boten einen Streifzug durch die Vielfalt der Jazzmusik. Bei den Veranstaltungen in der Stadtkirche und der Württembergischen Landesbühne standen Duos international bekannter Jazzgrößen im Zentrum, ergänzt von Trioauftritten, einem vokalen Event und der Festivalband. Jeweils ein Konzert wurde vom Jazzkeller Esslingen und dem Kulturzentrum Dieselstraße gestaltet.

Künstler
Die Namen der Mitwirkenden lesen sich wie das Who is Who der Jazzmusik. Einen fulminanten Auftritt legte der Trompeter Till Brönner im Duo mit dem Bassisten Dieter Ilg in St. Dionys hin. Dort begeisterten auch die Ausnahmepianisten Michael Wollny und Joachim Kühn mit ihren perfekt abgestimmten Improvisationen. Das Duo Jakob Manz & Johanna Summer zog das Publikum ebenso in Bann wie die Vokalistin Kandace Springs. Und schließlich sorgten der Solobassist Larry Grenadier und das Janke Quartett für das klangvolle Finale.

Fazit
Nach dem Abschlusskonzert zeigte sich Festival-Chef Maximilian Merkle vollauf zufrieden: „Mein Fazit des diesjährigen Festivals ist überaus positiv. Wir haben sehr abwechslungsreiche Konzerte erlebt. Die interessante Programmmischung kam beim Publikum bestens an: Alle Konzerte waren sehr gut besucht, einzelne Veranstaltungen sogar ausgebucht. Es ist toll, wie offen das Publikum für die verschiedenen Stilrichtungen war“.