Obwohl Hans-Joachim Hildner in Stuttgart wohnt, kann er sich online keine Videos ansehen, seine Internetverbindung ist zu schwach. Nun soll das Ruckeln dank Glasfaser ein Ende nehmen.
Wenn sich Hans-Joachim Hildner die Konzertaufnahmen in den Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen ansehen will, guckt er auf ein rotierendes Rad. Seine Internetverbindung ist zu schwach, um den Mitschnitt von Bruce Springsteen and the E Street Band in New Jersey 2009 oder einen Auftritt der Rolling Stones im Jahr 1999 ohne Ruckeln abzuspielen. „Ich lebe in der TV-Steinzeit“, seufzt der Rentner aus Stuttgart-Feuerbach.
Durch das uralte Kupferkabel flössen statt der gebuchten acht Megabit pro Sekunde lediglich ein bis drei Megabit – „und das mitten in Stuttgart“, sagt Hildner. Die einzige Ausnahme seien Zeiten, in denen nur wenige in seiner Wohnanlage das Internet nutzten – dann komme er ab und an auf sechs Megabit, sagt der 78-Jährige.
Glasfaserausbau bringt Hoffnung für Stuttgarter Haushalte
Nun gibt es Hoffnung: Hans-Joachim Hildners Straßenabschnitt wird ans Glasfasernetz angeschlossen. In der Regel bauen die Telekommunikationsanbieter nur dort aus, wo es sich für sie wirtschaftlich lohnt. Doch Anfang September hat die Telekom mit dem von Bund und Land geförderten Glasfaserausbau in Stuttgart begonnen. Durch dieses Förderprogramm bekommen nun auch so schlecht versorgte Adressen wie die von Hans-Joachim Hildner einen Anschluss.
Statt Freude verspürte Hildner angesichts der neuen Aussicht aber zunächst Ärger und Skepsis. „Dauernd kommen irgendwelche Hausierer und bieten uns Glasfaserkabel an“, erzählt er. Woher soll er wissen, ob sie seriös sind – und ob er mit einem neuen Vertrag endlich bekommt, wofür er bezahlt? „Ich scheuche sie gleich davon und sage, sie sollen erst mal genügend Übertragungskapazitäten liefern.“
Damit verhält sich der Feuerbacher aus Sicht der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg richtig: „Das ist unseriös“, sagt Oliver Buttler, Experte für Verbraucherrecht im Telekommunikationsbereich, über Haustürgeschäfte. Er empfiehlt, Hausierer erst gar nicht ins Haus zu lassen.
Unübersichtliche Glasfaser-Angebote verwirren
Hans-Joachim Hildner bezeichnet die Situation insgesamt als unübersichtlich. Die Telekom werbe in seinem Haus mit Glasfaser ab April – doch kann der einstige Batterieforscher das Angebot auch nutzen, wenn er Kunde von 1&1 bleibt?
In Stuttgart bauen die Unternehmen Deutsche Telekom und OXG Glasfaser, eine Vodafone-Tochter, das Glaserfasernetz aus. Das Netz ist aber offen für alle Anbieter, man kann also unabhängig zwischen verschiedenen Unternehmen wählen, teilt der Breitbandkoordinator der Stadt Stuttgart, Christian Beck, auf Anfrage mit. Das Glasfasernetz der Telekom nutzen neben der Telekom demnach auch Vodafone, Telefónica (o2) und 1&1. Bei der OXG ist die Nutzung durch Vodafone, 1&1 und den schwedischen Anbieter Bahnhof Nätverk bekannt.
Hans-Joachim Hildner hat inzwischen Post von seinem bisherigen Anbieter 1&1 bekommen und erfahren: Er kann auch über 1&1 Glasfaser beziehen, muss also nicht extra zur Telekom wechseln. Der Anschluss bis in die Wohnung sei kostenlos, das hat Hildner letztlich vom Umstieg auf Glasfaser überzeugt. Ab April 2026 soll der 78-Jährige die Technik nutzen können.
Ob das Ruckeln dann tatsächlich ein Ende hat? Etwas skeptisch ist Hildner noch, doch die Vorfreude auf die Konzerte in den Mediatheken überwiegt mittlerweile. „Ich finde es toll, was durch das Internet alles möglich ist – auch dass ich dort meinen Wissensdurst, zum Beispiel bei Wikipedia, stillen kann“, sagt er, fügt aber hinzu: „Gleichzeitig trägt unser riesiger Energiehunger seinen Teil zum Klimawandel bei. Darüber mache ich mir auch Gedanken.“
Für Hans-Joachim Hildner ist klar: Auch mit schnellem Internet wird er hauptsächlich offline unterwegs sein – zum Beispiel mit seiner Radgruppe in den Weinbergen.