Bei Dynamo Dresden brennt spätestens seit der 0:2-Pleite bei Hertha BSC der Baum. Bei nur sieben Punkten aus elf Spielen rückt auch Trainer Thomas Stamm (42) zwangsläufig in den Blickpunkt.
Fakt ist: Das Heimspiel am Freitag (18.30 Uhr) gegen den 1.FC Nürnberg dürfte für seine Zukunft nicht unbedeutend sein. Sollte die Trendwende nicht gelingen und der Negativ-Trend weiter anhalten, steht der Verein vor einer ganz schweren Entscheidung.
Einzuschätzen, was dann falsch und richtig ist, dürfte ein Ritt auf der Rasierklinge werden. Die BILD-Analyse mit Pro- und Kontra-Argumenten.
Das spricht gegen eine Trainerentlassung
► Stamm hat nicht nur den Aufstieg auf seiner Habenseite, er gilt als Konzepttrainer und setzt sich mit besonders hohem Engagement für Dynamo ein. Er sollte die Chance haben, sich nochmal neu zu erfinden und aus der Krise gestärkt hervorzugehen.
► Der Schweizer hat im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger konsequent auf eigene Nachwuchsspieler wie Tony Menzel und Jonas Oehmichen gesetzt und eine ganzheitliche Entwicklung des Vereins vorangetrieben. Er steht hinter der Idee, die U21 über die Landesliga aufzubauen.
► Stamm ist ein kommunikationsstarker Ruhepol, der einem aufgeheizten Umfeld wie Dresden dauerhaft guttun kann. Dazu sind die vielen Ex-Freiburger im Team wegen ihm hier, auch das kann problematisch werden.
► Der aktuelle Kader ist defensiv nicht zweitligatauglich. Obwohl Stamm darauf Einfluss hatte, sollte er über den Winter die Möglichkeit erhalten, nachzujustieren und den Klassenerhalt doch noch zu schaffen. Erst danach sollte man überhaupt über ihn entscheiden.
Stehen bei Dynamo vor schweren Zeiten: Sportchef Thomas Brendel und Coach Thomas Stamm
Foto: Matthias Koch
► Die Trainer-Entscheidung ist in erster Linie Aufgabe der Geschäftsführung, also von Finanzboss Stephan Zimmermann (38) und Sportchef Thomas Brendel (49). Letzterer steht allerdings selbst in der Kritik, zudem laufen die Verträge von beiden aus. Der ebenfalls nicht unumstrittene Aufsichtsrat muss erst neu gewählt werden. In dieser Konstellation könnte es schwierig werden, einen geeigneten neuen Trainer zu finden.
► Nach dem letzten Zweitliga-Aufstieg 2021 steckte Dynamo in einer ähnlichen Krise. Trainer Alexander Schmidt musste Anfang 2022 gehen, sein Nachfolger Guerino Capretti gewann inklusive Abstiegs-Relegation kein einziges Spiel. Eine Trennung von Stamm ist also keine Garantie, die Kurve zu kriegen. Und nach dessen Vertragsverlängerung noch dazu teuer.
Das spricht für eine Trainerentlassung
► Die Mannschaft hat zwar oft eine optische Überlegenheit, aber sie spielt brotlose Kunst und ist ein willkommenes Opfer für jeden Gegner. Nach vorn passiert immer weniger Entscheidendes. Insgesamt fehlt das Feuer und die Leidenschaft bei den Profis, sich Punkte gegen den Abstieg zu erkämpfen. Die Emotionen zu wecken, ist aber Aufgabe des Trainers.
► Der Coach hat defensiv zahlreiche gute Analysen angestellt. Aber letztlich schafft er es nicht, die Abwehrprobleme abzustellen. Dabei gilt im Trainergeschäft, dass gerade eine Grundordnung in der Verteidigung besser durch neue taktische Impulse herzustellen ist, als offensive Spielzüge. Ein anderer Übungsleiter kann die Truppe vielleicht noch dahin bringen.
Auch in Berlin wurde Dynamo die Defensivschwäche wieder zum Verhängnis
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► Stamm hatte großen Einfluss auf die Kaderplanung. Kein Spieler wurde ohne seinen Willen verpflichtet, mehrere angebotene Profis wollte er dagegen nicht. Er wies Kritik an den Neuzugängen immer ab, machte keinen Druck, dass er mit dem Personal nicht einverstanden ist. Im Gegenteil: Zahlreiche Neuzugänge kamen mit Freiburger Vergangenheit, waren seine Wunschprofis. Deshalb muss er für die Ergebnisse geradestehen.
► An Ex-Coach Markus Anfang hielt der Verein in der Drittliga-Saison 2023/24 zu lange fest. So verschenkte der Ostklub den Aufstieg. Direkt nach der Entlassung von Anfang holte Dresden damals sieben Punkte aus vier Spielen, mit ihm brauchte man für dieselbe Ausbeute zuvor acht Partien. Der Effekt war eindeutig und Dynamo Dresden wird sich nicht nachsagen lassen wollen, denselben Fehler nochmal zu machen.