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„Init Freedom“: Devuan GNU+Linux „Excalibur“ ist Debian 13 „Trixie“ ohne systemd
Die Veteran UNIX Admins haben Version 6.0 ihrer Distribution Devuan GNU+Linux, Codename Excalibur, veröffentlicht. Devuan ist ein Fork von Debian GNU/Linux 13 „Trixie“, der sich vor allem durch den konsequenten Verzicht auf das Init-System systemd unterscheidet. Wie Debian setzt auch Devuan 6.0 auf den Linux-LTS-Kernel 6.12 und bietet ansonsten einen nahezu identischen Softwareumfang. Statt des allumfassenden systemd-Frameworks verwendet Devuan jedoch klassisch wahlweise die übersichtlicheren Init-Systeme SysVinit, OpenRC oder Runit.
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Für einige Desktop-Umgebungen, insbesondere das stark an systemd gekoppelte GNOME 48, mussten die Entwickler Anpassungen vornehmen und bestimmte systemd-Funktionen nachbilden, um Kompatibilität zu gewährleisten. Als Standard-Desktop liefert Devuan Xfce aus. Darüber hinaus stehen unter anderem GNOME, KDE Plasma, MATE, Cinnamon, LXDE, LXQt sowie diverse schlanke Window-Manager zur Auswahl.
Alles in einem Topf: Devuan folgt Debians /usr-Merge
Eine der auffälligsten Änderungen für bestehende Devuan-Anwender dürfte Debians Schritt in die moderne Systemarchitektur namens „merged-/usr“ sein. Dabei werden die Inhalte der Verzeichnisse /bin, /sbin und /lib aus dem Wurzelverzeichnis in die entsprechenden Verzeichnisse in /usr verschoben. Die alten Pfade werden dabei als Symlinks beibehalten, so dass die bash beispielsweise sowohl über /bin/bash als auch über das neue /usr/bin/bash aufgerufen werden kann. Konsequenter und vermutlich auch sicherer wäre es, keine halben Sachen zu machen und /{bin,sbin,lib} gleich ganz zu entfernen.
Die Trennung stammt übrigens aus alten Unix-Zeiten, als man mangels Platz das Betriebssystem auf einer und das große /usr-Verzeichnis auf einer zweiten Festplatte oder via NFS auf einem Server installiert werden musste. FreeBSD, OpenBSD und NetBSD verwenden diese Aufteilung noch immer, allerdings aus einem anderen Grund. In den Verzeichnissen direkt unter / befinden sich alle Dateien und Werkzeuge, die für den Start und grundlegenden Betrieb eines minimalen Basissystems zwingend notwendig sind. Alle weiteren nicht zum Start oder zur grundlegenden Administration notwendigen und optionalen Programme liegen in /usr/{bin,sbin,lib}.
Je nach Sichtweise hat diese Trennung Vorteile, weil so beispielsweise Zugriffsrechte feiner granuliert werden können. Im Zeitalter von Suns ZFS ist einer der Nachteile, die bei der Installation vorzunehmende harte Aufteilung in Partitionen, eigentlich kein Thema mehr. Alles in einen Topf zu werfen und beispielsweise auch /home nicht mehr separat anzulegen mag da die bessere, weil einfacher zu verstehende Lösung sein. Beide Ansätze funktionieren gut, wenn man mit ihnen arbeiten kann und will.
Wie bei BSDs: klassisches /run/utmp statt systemd-login
Devuan 6.0 hält an der Unterstützung für die Registrierung von Logins in /run/utmp fest. Ursprünglich speicherten GNU/Linux-Distributionen den Zeitpunkt des Logins als 32bittige time_t in Sekunden, die seit dem 01. Januar 1970 (Unix-Epoch) vergangen sind. Am 19. Januar 2038 um 03:14:07 UTC käme es daher zu einem Überlauf mit spannenden und unvorhersehbaren Problemen. Als Lösung für Teile des Linux-Lagers gibt es systemd-login, das Sitzungsdaten intern 64bittig in systemd-eigenen Strukturen in verschiedenen Verzeichnissen und Textformaten verwaltet.
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Da Devuan GNU+Linux kein systemd benutzt, ist man hier nach wie vor auf /run/utmp angewiesen. Die Veteran UNIX Administratoren sehen darin kein allzu großes Problem und gehen davon aus, dass Devuan 6.0 Excalibur bis 2038 ohnehin schon lange nicht mehr im Einsatz sein wird (EoL). Die Lösung des Problems wird also in die Zukunft verschoben.
Die BSDs, also FreeBSD, OpenBSD und NetBSD, nutzen seit jeher /run/utmp für aktuelle Logins, /var/log/wtmp für Infos zum Verlauf von Logins und /var/log/lastlog für den Zeitpunkt des jeweils letzten Logins eines Benutzers. Bereits vor Jahren hat man das Problem dort erkannt und konsequent behoben, indem /run/utmp & Co auf ein 64-Bit-time_t-Format umgestellt wurden – das gilt übrigens auch für die 32-Bit-Architekturen wie i386 oder ARMv7. Für die irgendwann notwendige Umstellung auf 128-Bit-time_t haben die BSD-Entwickler somit noch etwas Zeit… genauer: bis Sonntag, 4. Dezember 292.277.026.596, 15:30:08 UTC.
Devuan folgt Debian in Richtung Architektur-Monokultur
Dem Beispiel von Debian GNU/Linux folgend bieten auch die Devuan-Entwickler kein Installation-ISO mehr für die 32bittige x86-Plattform an. Die Abkehr von „i386“ ist dabei wie bei anderen GNU/Linux-Distributionen irreführend, weil der Intel 80386 (i386) schon lange nicht mehr unterstützt wird – es ist wenigstens ein i486, i586 oder meistens ein i686 (Pentium Pro-kompatibel) notwendig. Dafür gibt es mehrere gute Gründe: CMPXCHG oder CMPXCHG8B als Instruktionen für atomare Operationen (z. B. Thread-Locking, atomare Zähler, Spinlocks), CMOVcc für bedingte Zuweisungen, das Page Global Bit (PGE) oder Befehlssatzerweiterungen wie MMX und SSE/SSE2.
Wer sein nostalgisches Schätzchen unbedingt mit einem GNU/Linux laufen lassen will, muss daher auf Distributionen wie Alpine Linux, MX Linux, Puppy Linux, Q4OS oder das leicht angestaubte antiX zurückgreifen. Letzteres legt zum Thema Init-Diversität gegenüber Devuan sogar noch nach: In der „2025 remaster edition“ bietet es die frei wählbaren Init-Systeme SysVinit, OpenRC, Runit, s6-rc, s6-66 und dinit an. Im Endeffekt sollte man vielleicht besser einen Umstieg auf das leichtgewichtige NetBSD/i386 in Betracht ziehen, das allerdings auch einen i486 voraussetzt, dafür aber PCMCIA, VL-Bus, EISA, MCA und ISA (AT-bus) sowie 52 weitere Architekturen unterstützt.
Solide wie Debian, aber weniger komplex
Devuan GNU+Linux wurde Ende 2014 von Debian abgezweigt. Hauptziel des Projekts ist, eine Variante von Debian ohne die Komplexität, Abhängigkeiten und Sicherheitslücken von systemd anzubieten. Das systemd-Framework wurde von dem mittlerweile für Microsoft arbeitenden Softwareentwickler Lennart Poettering entworfen und in mittlerweile fast alle Linux-Distributionen implementiert.
Das aktuelle Devuan GNU+Linux 6.0 Excalibur enthält, abgesehen von systemd, nahezu alle Neuerungen von Debian GNU/Linux 13 „Trixie“ – eine Ausnahme ist beispielsweise, dass es (noch) keinen RISC-V-Port gibt. Images für die Installation stehen ab sofort kostenlos auf der Projektseite für amd64 (und nicht mehr für i386) zur Verfügung. Neben einem netinst-Image, das eine aktive Internetverbindung voraussetzt, gibt es verschiedene CD-Images und eine DVD die mehrere Desktop-Varianten mitbringt. Dazu bieten die Entwickler ein minimales Live-Image als Recovery-System und einen Live-Desktop inklusive vorinstallierter „non-free-firmware“ an.
Viele wichtige Links finden sich in der Ankündigung von Devuan GNU+Linux 6.0 „Excalibur“ im Forum des Projektes. Das nächste Devuan-Release 7.0 wird den Codenamen „Freia“ tragen und auf Debian 14 basieren.
(axk)
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