Dass es im Laufe der Jahre Wechsel in einem Vorstand gibt, ist gang und gäbe. Ungewöhnlicher ist es, wenn ein gesamter Vorstand zurücktritt, und das aus Altersgründen. Genau das ist jetzt bei der Viersener Tafel geschehen. „Mit meinen 75 Jahren bin ich noch das jüngste Mitglied in unserem aktuellen Vorstand“, sagt Lucia Witthake mit einem Lächeln. Schon seit Anfang des Jahres war klar, dass die engagierte ehemalige Viersenerin – heute lebt Witthake in Brüggen – nicht mehr zur Wahl als Vorstandsvorsitzende der Tafel Viersen antreten würde.
Genauso klar zeichnete sich ab, dass mit ihr der gesamte weitere Vorstand zurücktreten würde. Dazu gehören ihre Stellvertreterin Sofilen Müller, Kassierer Theo Schmitz und die beiden Beisitzerinnen Marlene Hoff und Waltraud Siemons. Daher rückte die Vorstandswahl bei der aktuellen Mitgliederversammlung des Vereins in den Mittelpunkt.
Ein komplettes Vorstandsteam konnte dabei schon genannt werden. „Bereits vor einem dreiviertel Jahr hat Lucia Witthake mich angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, ihre Nachfolge anzutreten. Ich brauchte keine Bedenkzeit“, sagte Sabine Anemüller bei ihrer kurzen Vorstellung vor der Wahl in Richtung der zahlreich erschienenen Mitglieder der Tafel. Für sie sei klar gewesen, dass sie sich nach ihrer Amtszeit als Viersener Bürgermeisterin weiterhin sozial einbringen wolle und die Tafel, die sie seit Jahren kenne und schätze, genau das Richtige sei, fügte Anemüller an.
Neben ihr stellte sich Ulrich Bohnen, der schon seit zwei Jahren bei der Tafel aktiv ist, als Kandidat für den stellvertretenden Vorsitzenden vor. Ute Feyen kandidierte für das Amt der Kassiererin, weil sie, wie die Viersenerin bei ihrer Kurzvorstellung erklärte, „schon immer mit Zahlen zu tun gehabt hätte“. Als Beisitzer bewarben sich Hans-Josef Seng und Dominic Leiterer. Die Wahl für den neuen Vorstand verlief komplett einstimmig. „Ich bin glücklich, dass so gute Nachfolger da sind“, betonte Witthake nach der Wahl. Leicht sei ihr der Rücktritt nicht gefallen, aber „ich denke, ich habe ein Alter erreicht, in dem man Jüngeren den Vortritt lassen sollte. Eine neue Führung bringt auch neue Ideen mit. Ich unterstütze weiterhin gerne, allerdings nicht mehr in der Funktion der Vorsitzenden“, hob sie hervor.
Witthake hatte 22 Jahre lang den Vorsitz inne. Sie übernahmen diesen, als sie gerade einmal ein halbes Jahr lang zum Tafel-Team gehörte. In den 22 Jahren ihrer Vorstandsarbeit wurde unter anderem der Adventsmarkt mit Mars ins Leben gerufen, ein zweites Kühlfahrzeug kam hinzu und es wurden Ausgabe-Filialen in Süchteln und Dülken eröffnet, die bis zur Corona-Zeit in Betrieb waren. Im Jahr 2010 ging mit der Suppenküche in Viersen ein weiteres Angebot an den Start. Einmal in der Woche wird aus den gespendeten Lebensmitteln ein warmes Essen gekocht und Tafelkunden, insbesondere obdachlosen Menschen, angeboten. 80 bis 100 Portionen sind es pro Woche, die ihre Abnehmer finden.
Das letzte große Projekt, das unter ihrer Regie angestoßen wurde, ist die Instandsetzung des denkmalgeschützten Gebäudes an der Hohlstraße 46, wo die Tafel zuhause ist. „Vor dem Hintergrund, dass die Maßnahmen doch umfangreicher sind, als zuerst angenommen, haben sich nicht nur die Sanierungskosten um über die Hälfte verteuert, es wird auch länger dauern als geplant“, stellte Witthake bei ihrem nunmehr letzten Jahresbericht vor. Trotz Baumaßnahme laufen die Tafelausgaben in gewohnter Art und Weise im Zelt auf dem Innenhof an der Hohlstraße weiter.
Beim Jahresrückblick konnte Witthake ein positives Resümee ziehen. Die Zusammenarbeit mit den Supermärkten, Discountern, Bäckereien und sonstigen Einrichtungen laufe gut. Die Mengen an Lebensmitteln sind allerdings zurückgegangen. Witthake sieht als Grund verbilligte Angebote im Laden selber, aber auch das Erscheinen von anderen Food Rettern. Was sie erfreut ist die Tatsache, dass Privatpersonen und Vereine die Tafel mittels Lebensmittelspenden unterstützen.