Berlin – Wenn mitten in Deutschland ein Terrorist aufgespürt wird, heißt es häufig, der entscheidende Tipp sei von einem ausländischen Geheimdienst gekommen.
So war es auch in den vergangenen Tagen: Am Sonnabend wurde der 22 Jahre alte Syrer Abdalla R. in Neukölln festgenommen. Er steht dem IS nahe und plante offenbar einen Selbstmordanschlag in Berlin, wahrscheinlich auf einen Weihnachtsmarkt.
Am 1. Oktober wurden drei Männer auf der Turmstraße in Moabit verhaftet: ein Deutscher mit libanesischer Herkunft, ein eingebürgerter Syrer und ein staatenloser Palästinenser aus dem Libanon. Sie planten offenbar einen Mordanschlag auf Juden in Berlin. Die Polizei fand bei ihnen eine Kalaschnikow (AK 47 Sturmgewehr), mehrere Pistolen (Glock) und hunderte Schuss Munition. Den Hinweis auf die drei Terrorhelfer kam von Israels Auslandsgeheimdienst Mossad.
Neben dem Mossad sind es vorwiegend die amerikanischen Dienste CIA, FBI und NSA oder der britische Secret Intelligence Service (SIS, auch als M16 bekannt), die Deutschland vor dem Terror schützen.
Wie kommt es, dass wir so stark auf andere angewiesen sind? Ganz einfach: Weil Deutschland seine Geheimdienste entmachtet hat. Bei uns geht Datenschutz vor Sicherheit. Während Amerikaner, Israelis, Briten und andere die elektronische Kommunikation ohne Anlass durchforsten, ist das bei uns nur im Falle einer konkreten Gefahr erlaubt.
Dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Verfassungsschutz stehen die drei wichtigsten Instrumente nur eingeschränkt zur Verfügung, die in anderen Ländern selbstverständlich sind: erstens die Vorratsdatenspeicherung, zweitens die Onlinedurchsuchung und drittens die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ).
Über die Vorratsdatenspeicherung werden IP-Adressen gesichert. Warum ist das wichtig? Wenn zum Beispiel jemand eine Bauanleitung für einen Sprengsatz aus dem Internet heruntergeladen und die erforderlichen Komponenten online bestellt hat, kann er mithilfe der Vorratsdaten erkannt werden.
Bei der Onlinedurchsuchung werden Computer und Mobiltelefone heimlich durchsucht. Mit der Quellen-TKÜ kann verschlüsselte Kommunikation (WhatsApp, Instagram, TikTok, Signal usw.) entschlüsselt werden. Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ sind in Deutschland nur bei konkretem Verdacht und nach richterlicher Anordnung erlaubt.
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Die deutschen Dienste dürfen nicht ohne speziellen Anlass in die Kommunikation von Terroristen eindringen. Diesen Job machen andere für uns. Der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler formulierte es so: „Wir sind auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten angewiesen. Die bittere Wahrheit ist: Wir brauchen sie, sie uns nicht!“
Man kann es auch so sagen: Wir klopfen uns auf die Schulter, weil wir das Postgeheimnis rigoros schützen, erwarten aber von anderen, dass sie es brechen. Das ist nicht ehrlich und extrem gefährlich.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de