Hamburg erwartet bis 2029 über 2,5 Milliarden Euro mehr Steuern als im Frühjahr prognostiziert. Doch der Steuertrend flacht ab – und zwingt die Stadt zu Ausgabendisziplin. Der Finanzsenator spricht eine Warnung aus.

Die Herbst-Steuerschätzung klingt zunächst nach einer guten Nachricht. Hamburg nimmt mehr ein als noch im Frühjahr bei der letzten Schätzung erwartet: Für 2025 darf die Hansestadt mit Steuereinnahmen in Höhe von 16,54 Milliarden Euro rechnen, das sind 527 Millionen Euro mehr als es nach der Mai-Prognose gewesen wären. Auch die Folgejahre liegen über den Erwartungen aus dem Frühjahr. Bis 2029 sollen die Steuereinnahmen auf 18,25 Milliarden Euro steigen. Das wäre ein Plus von gut 650 Millionen Euro im Vergleich zur verhaltenen Vorhersage aus dem Mai.

Doch Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) bremst die Euphorie. „Die etwas positivere Herbst-Steuerschätzung sollte uns nicht in falscher Sicherheit wiegen“, sagte er. Denn Hamburg richtet seine Ausgaben nach dem langfristigen Steuertrend – einer Berechnung, in der die Einnahmen und Steigerungsraten der vergangenen Jahre einfließen. „Der Steuertrend neu liegt unter dem bisherigen Steuertrend. Das heißt, wir sehen einen Trend, der zwar nach oben geht, sich aber abschwächt“, so Dressel. Und genau dieses Delta müsse in die Haushaltsplanung für 2027 und 2028 einbezogen werden. Für 2025 sähe die Langfristlinie Einnahmen von 16,8 Milliarden Euro vor. Damit werden nun 323 Millionen Euro weniger erwartet. 2029 läge der Steuertrend bei 21,1 Milliarden Euro – was ein Unterschied von fast drei Milliarden Euro zu den nun prognostizierten 18,25 Milliarden Euro bedeutet.

Dressel machte deutlich, dass die Haushaltsaufstellung für den Doppelhaushalt 2027/2028 eine der schwierigsten Runden seit Jahren werde. Hamburg kämpfe nicht nur mit dem abflachenden Steuertrend, sondern auch mit einer „dramatischen Zunahme bei den gesetzlichen Leistungen“ und einer insgesamt „lahmenden Konjunkturentwicklung“ in Deutschland. Kosten der Unterkunft, Hilfen zur Erziehung, Pflege und Eingliederungshilfe wüchsen deutlich schneller als die Einnahmen. Diese Leistungen sind gesetzlich garantiert und lassen sich kaum steuern. Hinzu kommen globale Risiken, die Hamburg als Welthafen besonders treffen. Selbst wenn die Stadt in den vergangenen Jahren eine Sonderkonjunktur verzeichnet habe, könne sie sich nicht dauerhaft von der schwachen Entwicklung in Deutschland abkoppeln, so der Finanzsenator.

Kein Spielraum für Mehr-Ausgaben

Für neue konsumtive Mehrausgaben sieht Dressel „keinerlei Spielraum“. Auch viele Kostensteigerungen in bestehenden Bereichen würden nicht vollständig ausgeglichen werden können. Besser sieht es bei den Investitionen aus. Hier kann Hamburg auf zusätzliche Mittel aus dem Bundes-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität zurückgreifen. Rund 2,66 Milliarden Euro stehen zur Verfügung, um Projekte in den Bereichen Verkehr, Bildung und Wissenschaft voranzutreiben. „Je schneller wir mehr Mittel auf den Weg bringen können, umso stärker wird der Konjunkturimpuls auch bei uns in Hamburg“, sagte Dressel. Doch auch diese Mittel haben Grenzen: Sie sind für Investitionen gedacht, nicht für laufende Ausgaben. Betrieb und Instandhaltung bleiben am Ergebnishaushalt hängen.

Aus Dressels Sicht verschärft sich die Lage im Haushalt zusätzlich durch die Steuerpläne der Bundesregierung. Die dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie und die höhere Entfernungspauschale würden Hamburg bis 2030 rund 450 Millionen Euro kosten. „Wir werden uns weiteren Belastungen für die Länder- und Kommunalhaushalte auf Bundesebene, die nicht kompensiert werden, in den Weg stellen“, kündigte er an. Jede zusätzliche Belastung ohne Ausgleich verschärft die ohnehin angespannte Lage.

Der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thilo Kleibauer, sieht in der Entwicklung vor allem eine Verpflichtung zum Sparen und Reformieren: „Die konjunkturelle Lage bleibt schwierig und der Haushaltsspielraum in den kommenden Jahren ist begrenzt. Daher muss der Senat jetzt endlich seine Hausaufgaben machen und eine konsequente Aufgabenkritik sowie Kostenkontrolle bei Großprojekten sicherstellen.“ Zudem kritisierte Kleibauer die Diskussion um die Steuerpläne auf Bundesebene. „Es kann nicht sein, dass die SPD Steuerentlastungen, die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart sind, gleich wieder in Frage stellt. Das schafft kein Vertrauen in den Standort.“

Zustimmende, aber auch mahnende Töne kamen aus der Wirtschaft. Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Malte Heyne bewertete den robusten Haushalt als positives Signal, verwies zugleich aber auf die anhaltende Stagnation der deutschen Wirtschaft. „Oberstes Gebot muss sein, Hamburg als Wirtschafts- und Innovationsstandort mit den vorhandenen finanziellen Möglichkeiten attraktiv zu halten und weiter voranzubringen“, so Heyne. Wichtig sei, Unternehmen von steuerlicher Bürokratie zu entlasten.

Kritik kam von der Linksfraktion. Ihr haushaltspolitischer Sprecher David Stoop sieht in der Steuerschätzung die Chance, stärker zu investieren – gerade im Sinne des Klima-Volksentscheids: „Die aktuelle Steuerschätzung eröffnet Hamburg Spielräume für Investitionen, die genutzt werden sollten“, sagte Stoop. Stattdessen halte der Senat an alten Projekten wie der Köhlbrandbrücke oder dem Naturkundemuseum fest, während gleichzeitig von „ausufernden Sozialausgaben“ die Rede sei – faktisch laufe das auf Kürzungen hinaus.