Das White Noise hat kürzlich sein Aus bekannt gegeben. Die Stuttgarter Community reagiert gespalten. Was bedeutet das für die Szene und die geplanten Veranstaltungen?

Die Schließung des Stuttgarter Szenetreffs White Noise hat in den vergangenen Wochen hohe Wellen geschlagen. Denn mit der Verkündung veröffentlichten die Betreiber auch ein Statement, das ihre Gründe für die Schließung von Bar und Club in der Eberhardstraße darlegt. Demnach hatte das White Noise seit dem Frühjahr 2025 mit Falschaussagen und Boykottversuchen im Netz zu kämpfen, die zu Veranstaltungsabsagen und dem Wegbleiben von Gästen geführt haben sollen.

Es steht Aussage gegen Aussage

Vorangegangen war der Schließung ein Vorfall bei einem Event in der White Noise Bar im März dieses Jahres, bei dem ein Türsteher die Stuttgarter DJ Afro Punk angegriffen haben soll. Der Fall wurde – trotz vermittelnder Gespräche – bis heute nicht final aufgeklärt, denn seitens der Beteiligten gibt es verschiedene Versionen davon, wie der Abend verlaufen sein soll. Bis heute steht Aussage gegen Aussage (wir berichteten).

Wie steht es aktuell um eine Aufarbeitung? Wie wirkt sich diese Debatte auf die Gäste des Szenetreffs und die Community aus? Und was bedeutet das Ganze für Veranstaltende, die mit ihren Events ursprünglich im White Noise heimisch waren?

Auch sieben Monate nach dem Vorfall bleiben die Fronten verhärtet. Ein Kontakt zwischen der DJ und dem White Noise besteht aktuell nicht mehr. Die Debatte auf Social Media hingegen dauert an. Direkt nach dem Vorfall im März veröffentlichte Sandra Moraa alias DJ Afro Punk auf ihrem Instagram-Kanal mehrere Statements, in denen sie ihre Sichtweise auf den Vorfall schilderte (wir berichteten). Ein Punkt, den nicht nur die White-Noise-Betreiber kritisieren.

„Der Diskurs läuft seit Monaten und hat sich zunehmend von überprüfbaren Fakten entfernt. Auf Social Media vermischen sich Meinungen, Emotionen und unbelegte Behauptungen, wodurch kein Raum für sachliche Klärung bleibt“, so White-Noise-Betreiberin Ninette Sander. „Wir möchten Geschehnisse auf einer Ebene behandeln, die respektvollen und faktenbasierten Austausch ermöglicht.“ Aus diesem Grund wolle sie sich nicht weiter öffentlich zum Geschehenen äußern.

Aufarbeitung des Vorfalls sei verloren gegangen

Auch das Clubkollektiv, das bei der Vermittlung zwischen DJ und White Noise involviert war, hält die Verschiebung der Diskussion ins Netz nicht förderlich für eine Aufklärung. Was dabei verlorengegangen sei, sei die Aufarbeitung des eigentlichen Vorfalls, sagt Vorstandsmitglied Hannah Japes. Niemand könne leugnen, dass es im Nachtleben zu solchen Vorfällen kommt. „Durch all die Geschehnisse danach ist der Vorfall an sich aber sehr in den Hintergrund gerückt“, so Japes. „Dabei wollen beide Seiten das gar nicht“, sagt sie. „Es gibt doch eigentlich ein großes gemeinsames Interesse – auch, wenn es darum geht, Orte wie das White Noise als Anlaufstelle, etwa für Flinta-Personen, in der Stadt zu erhalten.“

DJ: „Trage Verantwortung für meine Gäste“

Sandra Moraa hingegen sieht nach wie vor keinen Grund dafür, die Öffentlichkeit aus der Debatte herauszuhalten – viel mehr fühle sie sich selbst in der Verantwortung – auch anderen gegenüber. „Ich wurde als das eigentliche Problem dargestellt. Nach so einem Angriff muss ich mich aber öffentlich äußern, besonders weil viele Gäste den Vorfall miterlebt haben oder betroffen waren“, sagt sie. „Ich kann nicht sagen, ihr seid bei mir sicher und dann schweigen, wenn so etwas passiert. Ich trage Verantwortung für meine Gäste.“

Sandra Moraa, auch bekannt unter ihrem Künstlernamen „DJ Afro Punk“ Foto: Lichtgut

Sie selbst habe beim Gespräch mit Ninette Sander und einer Vermittlerin das Gefühl gehabt, das Treffen diene „eher dazu, mich davon abzuhalten, weiter öffentlich über den Vorfall zu sprechen und alles intern zu regeln, nicht aber, um den Konflikt wirklich aufzuarbeiten.“ Die White Noise-Betreiberin möchte sich auf Anfrage nicht mehr dazu äußern.

Im Verlauf der Debatte hatten sich viele Nutzerinnen und Nutzer online auf die Seite Moraas gestellt. In den Kommentarspalten unter ihren Instagram-Beiträgen sprachen sie der DJ ihre Solidarität aus.

Debatte spaltet die Community – Veranstaltungen vor dem Aus?

Und auch im realen (Nacht-)Leben zeigt sich diese Solidarität – viele Gäste bleiben weg. Das betrifft jedoch nicht nur das White Noise, sondern auch Veranstaltende in Stuttgart. So etwa Roya Hakimi. Sie hat bislang die queere Flinta-Partyreihe „My Purple Heart“ im White Noise mitveranstaltet. „Ich empfinde es so, dass sich die Flinta-Community seit dem Vorfall im März im White Noise gespalten hat“, sagt sie.

Es gebe die eine Seite, die eher neutral zu dem Ganzen stehe oder nichts von dem Vorfall mitbekommen habe – und es gebe die andere Seite, die hinter DJ Afro Punk stehe, sich aus der Partyszene rund um das White Noise herausgenommen habe und nun andere Lokale besuche, beschreibt Hakimi ihre Beobachtungen. „Für uns war es ohnehin schwer mit unserer Partyreihe Fuß zu fassen. Unsere erste Party war dann zwar super besucht, die Folgepartys liefen dann aber schon nicht mehr so toll.“

Mit einer Party am 29. November könne das Format zwar auf den Club Romy S. in der Langen Straße ausweichen. Laut Hakimi könnte es jedoch darauf hinauslaufen, dass diese Party eventuell die Letzte sein wird. „Die Community ist so sehr gespalten, uns fallen deshalb Teile unseres Publikums weg“, sagt sie.

Auch Dirk Wein, der bislang die Party-Reihe „Lovepop“, im White Noise veranstaltet hat, beobachtet diese Entwicklung. „Seitdem waren bei Veranstaltungen teils zwischen 100 und 150 Leute weniger da als zuvor“, sagt er.

„Lovepop“ mit neuem Konzept

Das Romy S. bietet nun nicht nur dem queeren Flinta-Format „My Purple Heart“ einen neuen Veranstaltungsort, auch die „Lovepop“-Events ziehen künftig dorthin um. „Bis jetzt ist es dauerhaft dort geplant“, so Dirk Wein. Die erste „Lovepop“-Party im Romy S. steigt am kommenden Samstag (8.11.). Es sei abzuwarten, wie die Publikumszahlen dann dort aussehen, so der Veranstalter. Zumindest alle Termine für das nächste halbe Jahr seien gesichert.

„Weil das Romy S. nicht wie im White Noise zwei, sondern nur einen Dancefloor hat, können wir die Genres Pop und Elektronische Musik nicht an einem Abend abdecken und müssen das Konzept ändern“, so Wein. „Wir teilen das Programm der Lovepop in verschiedene Veranstaltungen auf.“ Darunter beispielsweise die Pop-Edition, die Retroklub-Ausgabe mit Hits der Achtziger und Neunziger, die queere House-Partyreihe „Mr. Wendy“ und das Elektro- und Techno-Event „Electrolove“.

Romy S. als Rettungsanker für queeres Nachtleben?

Romy S.-Betreiber Yusuf Oksaz zeigt sich auf Nachfrage unserer Redaktion zuversichtlich. „Für uns ist das alles kein Neuland, wir haben schon seit 10 bis 15 Jahren queere Veranstaltungen im Programm. Auch jetzt bieten wir den Events gerne eine Plattform.“ Im Romy S. freue man sich auf die kommenden Veranstaltungen. „Ob sie fruchten, wie man sich das vorstellt, das können wir jetzt natürlich noch nicht voraussehen.“