Am 16. Juli 1945 um 5:30 morgens erschütterte eine gewaltige Explosion die weite Wüste von New Mexico. Die Druckwelle reichte 160 Kilometer weit, und auch die zwölf Kilometer hohe Explosionswolke war noch in hunderten Kilometern Entfernung zu sehen. Es war der erste Atomwaffentest in der Geschichte der Menschheit. Allein die USA ließen in den kommenden Jahrzehnten mehr als 1000 weitere folgen, zunächst in der Atmosphäre, seit den 1960ern nur noch unterirdisch – bis 1992, als der US-Kongress sämtliche Testzündungen per Gesetz beendete.
Der „Trinity-Test“ im Juli 1945 in der Wüste von New Mexico war der erste Atombombenversuch in der Geschichte der MenschheitBild: Scorpion
Vier Jahre später wurde der internationale Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) aufgesetzt, den – wie einige andere Staaten – auch die USA unterschrieben, bislang aber nicht ratifizierten, weshalb er auch knapp 30 Jahre später noch immer nicht in Kraft getreten ist. Dennoch hat sich die Welt im gesamten 21. Jahrhundert an diesen Vertrag gehalten, bis auf Nordkorea hat seit 1998 kein anderer Staat mehr eine Atombombe zu Testzwecken gezündet.
Unterirdische Nukleartests eher unwahrscheinlich
Umso mehr sorgte vor einigen Tagen ein Post von US-Präsident Donald Trump für Aufsehen, in dem er „andere Staaten“ beschuldigte, „nukleare Versuchsprogramme“ zu unterhalten, und die sofortige Wiederaufnahme von Atomwaffentests „auf gleicher Basis“ ankündigte. Sind damit womöglich wieder unterirdische Detonationen nuklearer Sprengköpfe gemeint?
Nun stecken einige Ungenauigkeiten in Trumps Post. Nicht die USA, sondern Russland unterhält das größte Atomwaffenarsenal der Welt; und für die Erprobung, Wartung und Instandhaltung des Atomwaffenarsenals ist nicht das in „Kriegsministerium“ umbenannte Pentagon zuständig, sondern das US-Energieministerium. Dessen oberster Beamter, Energieminister Chris Wright, bemühte sich denn auch schnell um Klarstellung: Es gehe um „Systemtests, nicht um nukleare Explosionen“, so Wright beim US-Sender FoxNews. Im Fokus stünden dabei neue Waffenträgersysteme und „alle anderen Teile einer Atomwaffe“ außerhalb des Nuklearsprengkopfes. Nur: Ist das auch im Sinne des US-Präsidenten?
Problem: alternde Atomwaffen
Die USA haben während des Jahrzehnte andauernden Moratoriums die für Atomwaffentests nötige Infrastruktur immer aufrechterhalten. Neben mehreren Forschungslaboren unterhält das Energieministerium bis heute die Nevada National Security Site (NNSS). Auf diesem Testgelände sind bereits mehr als 900 unterirdische US-amerikanische Atomversuche durchgeführt worden, auch wenn der letzte mittlerweile 33 Jahre her ist. Dennoch wäre eine unterirdische Atombombenzündung nach Einschätzung des Washingtoner Centers for Strategic and International Studies (CSIS) nicht „unmittelbar“ oder „innerhalb weniger Monate“ möglich, sondern frühestens innerhalb von drei Jahren.
Krater in der Wüste von Nevada nach einem unterirdischen Atomtest im Jahre 1962Bild: UPI/dpa/picture-alliance
Tatsächlich stehen nicht nur die USA, sondern alle Atommächte vor der Herausforderung, ihre Arsenale zu modernisieren und instand zu halten, ohne sie durch nukleare Explosionen zu testen. In Washington wurde dazu Mitte der 1990er Jahre das sogenannte „Stockpile Stewardship Program“ aufgesetzt, das jährlich mehrere Milliarden US-Dollar verschlingt. Rund 27.500 Mitarbeiter füttern unter anderem modernste Supercomputer mit unzähligen Daten aus den bisherigen Atomtests des 20. Jahrhunderts, um daraus möglichst exakte Simulationen zu berechnen, wie sich die einzelnen Waffenkomponenten bei einer Detonation verhalten.
Russland und die USA besitzen jeweils mehr als 5000 Atomsprengköpfe. Viele von ihnen lagern bereits seit Jahrzehnten in besonders gesicherten Arsenalen. Dabei können auch Atomwaffen altern: spaltbare Materialen wie Uran-235 oder Plutonium-239 können oxidieren oder sich anderweitig chemisch zersetzen, wenngleich diese Prozesse aufgrund der hohen Halbwertzeiten nur sehr langsam stattfinden. Auch Batterien, elektronische Komponenten und mechanische Teile können verschleißen und müssen regelmäßig gewartet und erneuert werden. Demnach verändert sich eine Atombombe, wenn sie ein halbes Jahrhundert in einem Lagerraum verbracht hat.
Am Rande des Erlaubten: „Subkritische“ Tests
Um diese Folgen genauer zu erforschen, haben sich die Nuklearmächte bei der Unterzeichnung des Atomteststoppvertrages eine Art Hintertür offengelassen, die Durchführung sogenannter „subkritischer“ Atomtests. Tief unter der Erde werden bis zu einer halben Tonne chemischer Sprengstoffe mit einer geringen Menge waffenfähigen Plutoniums zur Explosion gebracht. „Subkritisch“ heißen diese Versuche, weil die Menge des Plutoniums nicht die kritische Masse erreicht, die eine sich selbsterhaltende atomare Kettenreaktion in Gang setzen würde. Dennoch kann in derartigen Tests das Verhalten des Plutoniums erforscht und die daraus gewonnenen Daten für weitergehende Computersimulationen genutzt werden.
US-Präsident Trump verkündete seine Entscheidung am Rande eines Treffens mit Chinas Staatspräsident XI in der vergangenen WocheBild: Mark Schiefelbein/AP Photo/dpa/picture alliance
Im Atomteststoppvertrag wird nicht exakt definiert, ab wann eine nukleare Sprengung als „Atomtest“ gilt. Ein „subkritischer Test“ geht nicht mit einer messbaren Freisetzung radioaktiver Strahlung in die Umwelt einher und gilt daher nicht explizit als „verboten“. Die USA haben mindestens 27 solcher Versuche durchgeführt – den offiziell letzten am 5. Dezember 2012. Es gilt als sicher, dass auch China und Russland derartige Tests durchgeführt haben, wenngleich es nur wenige Informationen darüber gibt, wann und wie dies geschehen ist. Aufgrund ihrer geringen Sprengkraft sind derartige unterirdische Tests von außen kaum nachweisbar.
Wunsch nach „suprakritischen“ Tests?
Trump könnte es nun darum gehen, künftig auch Tests durchzuführen, bei denen das waffenfähige Material innerhalb eines kontrollierten Laborversuchs zu einer selbsterhaltenden Kettenreaktion gebracht werden könnte. Das US-Außenministerium hat bereits in den Jahren 2020 und 2022 Berichte veröffentlicht, denen zufolge Moskau und Peking genau solche „suprakritischen“ Tests bereits durchgeführt hätten, um weitergehende Erkenntnisse zu erlangen. Womöglich hatte Trump diese Berichte im Sinn, als er bei CBS davon sprach, dass Russland und China „weit unter der Erde testen, wo die Menschen nicht genau wissen, was vor sich geht“.
Ob solche Versuche tatsächlich durchgeführt werden könnten, ohne dass die Außenwelt etwas davon mitbekommt, gilt unter Experten jedoch als äußerst umstritten. So hat die Organisation zur Einhaltung des Atomteststoppvertrages (CTBTO) hunderte Messstationen in aller Welt aufgestellt, die dafür sorgen sollen, dass genau das nicht geschieht.
Heimliche Atomtests – Die Arbeit der Bombenlauscher
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Und so könnte es auch sein, dass es Donald Trump lediglich um die Erprobung von Waffen- und Trägersystemen geht, die im Ernstfall nuklear bestückt werden könnten. China hat in den vergangenen fünf Jahren mehr als 300 neue Silos für Interkontinentalraketen errichtet, die im Kriegsfall auch die USA erreichen könnten. Und auch Russlands Präsident Wladimir Putin hatte erst vor wenigen Tagen derartige Trägerraketen testen lassen. Nun sprach der Kremlchef zudem die Rückkehr zu Kernwaffenversuchen an. Sein Verteidigungsminister Andrej Beloussow hatte gesagt, angesichts der jüngsten Äußerungen und Handlungen der USA sei es „ratsam, sich unverzüglich auf umfassende Atomtests vorzubereiten“.