06.11.2025 – Nur wenige Tage vor der COP30 in Belém haben sich die EU-Umweltminister:innen am Dienstagabend auf ein Klimaziel geeinigt. Bis 2035 soll der Treibhausgasausstoß EU-weit um 66,25 – 72,5 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken, bis 2040 um 90 Prozent. Für bis zu fünf Prozent der Reduktion dürfen internationale CO2-Zertifikate genutzt werden. Weiterhin wird der Emissionshandel für Gebäude und Verkehr um ein Jahr auf 2028 verschoben und weitere Abschwächungen des Ziels bei Schwierigkeiten in den kommenden Jahren bleiben ausdrücklich möglich.
Der nun beschlossene Kompromiss legt zwar auf dem Papier mit der Reduktion um 90 Prozent zumindest das Minimum dessen fest, was der EU-Klimabeirat gefordert hat. Mit den beschlossenen Schlupflöchern und offensichtlichen weiteren Verzögerung von Maßnahmen dürfte es jedoch kaum umsetzbar sein. Klima- und Umweltschutzorganisationen sehen in dem Beschluss einen verwässerten Minimalkompromiss und zeigten sich enttäuscht.
„Die EU fährt mit einem schwachen Klimaziel nach Belém und ignoriert die Warnung der Wissenschaft. Mit ihrem kurz vor knapp beschlossenen 2035-Klimaziel bleibt die EU deutlich zurück hinter den Empfehlungen ihres eigenen Klimabeirats“, kritisiert Sarah Zitterbarth, Greenpeace-Expertin für internationale Klimapolitik. „Ihr ebenfalls beschlossenes CO2-Ziel für 2040 von minus 90 Prozent kann die EU so kaum erreichen. Dazu müssten die Emissionen im Jahr 2035 schon um mindestens 77 Prozent zurückgehen. Für die Glaubwürdigkeit der EU ist das fatal. Noch herber wird der Rückschlag dadurch, dass einige Mitgliedstaaten durchgesetzt haben, Klimaschutz über noch mehr fragwürdige CO2-Zertifikate auszulagern, statt die Emissionen in Europa mit dem nötigen Tempo zu senken.“
Emissionsreduzierung wird teilweise ausgelagert
Besonders Frankreich, Italien und Polen hatten Druck ausgeübt, um das bereits geplante Schlupfloch von drei Prozent internationaler Emissionsgutschriften weiter auf 5 Prozent auszuweiten. Tatsächlich müssen Emissionen in Europa also nur um 85 Prozent bis 2040 sinken. Die weiteren fünf Prozent dürfen über von der EU finanzierte Klimaprojekte in Länder außerhalb der EU ausgelagert werden. Dabei handelt es sich um Investitionen um die 100 Milliarden Euro – Geld, das entsprechend für Klimaschutz innerhalb der EU fehlen wird. Dies schwächt langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft, da die Investitionen in eine grüne Transformation ins Ausland verlagert werden. Auch Qualitätskriterien für diese internationalen Gutschriften, wie sie im deutschen Koalitionsvertrag gefordert waren, sind noch nicht vereinbart. Zudem sollen potenziell noch zusätzliche internationale Zertifikate zum Erreichen ihrer Ziele zugelassen werden, falls einzelne Staaten bei Überprüfungen ihre Ziele nicht erreichen. Das Klimaziel der EU wird so verwässert und verliert an Glaubwürdigkeit.
„Fürs Klima ist das eine Verhandlungsniederlage, auch wenn sich Umweltminister Carsten Schneider mit Verve für ein besseres Ergebnis eingesetzt hat. Geschwächt war Schneiders Verhandlungsposition durch das uneinheitliche Bild der Bundesregierung im Vorfeld. Energieministerin Katherina Reiche hat den Einsatz für ein glaubwürdiges 2035-Ziel abgebremst“, kritisiert Christoph Bals, Politik-Vorstand von Germanwatch.
Auch Michael Bloss, Grünen/EFA-Schattenberichterstatter im mitberatenden Industrieausschuss, kritisiert die Emissionszertifikate, die unklare Position Deutschlands und die Verzögerungstaktik der EVP. Die Blockadehaltung des deutschen Bundeskanzlers und das Hickhack mit dem SPD-geführten Umweltministerium hätten im Vorfeld unnötig Unsicherheit über die deutsche Position gestiftet.
Ein Plan wie ein Schweizer Käse
„Wenn das Gesetz so beschlossen würde, droht uns ein Schweizer Käse bei der Klima-Architektur“, warnt Charly Heberer, Referent für EU-Klimapolitik bei Germanwatch. Besonders problematisch findet er die anvisierte Verschiebung des neuen Emissionshandels um ein Jahr sowie die mögliche Abschwächung des gerade beschlossenen Ziels bei künftigen Überprüfungen. Die Mitgliedstaaten wollten insbesondere eine Klausel aufnehmen, dass die Ziele für natürliche Kohlenstoffsenken nicht erreicht werden müssten. „Dabei haben sie es selbst in der Hand, beim Schutz von Wäldern, Mooren und Grünland nachzubessern“, so Heberer. Er fordert das Europäische Parlament auf, die riesigen Schlupflöcher in den anstehenden Verhandlungen zu schließen.
Noch hat die EU die Chance, ihr Klimaziel während der COP30 endgültig zu beschließen – möglichst mit weniger Schlupflöchern. Die finale Plenarabstimmung zu den EU-Klimazielen ist für Donnerstag, 13. November, geplant. „Ein ambitioniertes EU-Klimaziel schafft Stabilität, Vertrauen und Planungssicherheit für dringend notwendige Investitionen“, betont Bloss. Die Einigung am Dienstag folgte auf lange Verhandlungen und verpasste Fristen. Bereits Anfang des Jahres, spätestens jedoch im September hätte die EU ihre aktualisierten NDCs dem Pariser Klimaabkommen nach bei der UN einreichen sollen. Ohne ambitionierte Emissionsreduktion bleiben die Pariser Klimaziele unerreichbar. Der Emissions Gap Report hat erst kürzlich gezeigt, dass die Welt derzeit auf eine Erwärmung von 2,8 Grad bis 2100 zusteuert. jb