Bleich betritt Ben R., 30, den großen Schwurgerichtssaal, er wirkt angeschlagen. Der ehemalige Bundeswehrsoldat muss sich wegen zum Teil brutaler Delikte verantworten, die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem den Besitz Tausender kinderpornografischer Dateien, Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und mehrfache schwere Vergewaltigung vor.
Der Anklage zufolge soll R. einmal, 2021, als Betreiber eines Helfercamps nach der Flutkatastrophe im Ahrtal eine Frau betäubt, im Kofferraum seines Fahrzeugs mehrmals vergewaltigt, dies mit einer Kamera festgehalten und das Video später auf einer Plattform für Pornografie veröffentlicht haben.
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Vor der Verhandlung im großen Saal des Landgerichts Hof aber sollte man in einen Podcast hören, den die Bild im Februar 2024 veröffentlicht hat. Paul Ronzheimer spricht da mit dem Mann aus dem Kreis Hof, der von dem Blatt zuvor als „Held im Donbass“ vorgestellt worden ist. Die Aufnahme stammt den Angaben zufolge aus der Ukraine, wo sich R. nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr als angeblicher „Elitekämpfer“ gegen die russische Armee im Krieg verdingt hat. Zu Jahresbeginn 2024 ist das bereits die zweite lange Aufnahme mit R., es geht um sein Leben an der Front und ganz konkret um einen Abschiedsbrief, den R. für den Fall seines Ablebens an der Front bereits geschrieben haben will.
In diesem Abschiedsbrief stehe die Handynummer des Bild-Vize Ronzheimer, damit der ihn im Fall der Fälle in seinem Podcast verlesen kann, erklärt R. Eines aber möchte er, ohne konkret danach gefragt worden zu sein, noch klarstellen. Er sei manchmal „auch müde“, schlafe schlecht. Und er würde manches in seinem früheren Leben, vor seiner Zeit als Kämpfer in der Ukraine, im Nachhinein anders machen. Ein „Held“, nein, das sei er nämlich nicht. Auch kein „Superheld“.
Selbst wenn sich nur Teile der Anklage nachweisen ließen am Ende – eines lässt sich jetzt bereits sagen: Da scheint der Mann extrem zutreffende Angaben gemacht zu haben.
Mehr als 30 Minuten trägt die Staatsanwältin die Anklage vor, sie reiht ein beklemmendes Detail ans andere. Vieles von dem, was sie über die R. vorgeworfenen sexuellen Handlungen verliest, ist in einer Zeitung kaum wiederzugeben. Es geht um Gürtel, eine Eisenkugel, eine Cola-Flasche, Kabelbinder, Panzertape, Schlagstock, anderes Gerät. Einen Teil dieser ihm vorgeworfenen Taten soll R. ohne Wissen der betroffenen Frauen aufgenommen und später auf einer Porno-Plattform veröffentlicht haben.
Der erste von der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg angeklagte Vergewaltigungsfall stammt aus dem Jahr 2015, R. war da noch Heranwachsender, deshalb wird vor der Jugendkammer verhandelt. 2016 folgt der Anklage zufolge ein zweiter, 2019 ein dritter, 2020 vier weitere. Mit einer der Frauen soll R. eine feste Beziehung gehabt haben.
Als Fluthelfer im Ahrtal soll Ben R. eine Frau betäubt und sieben Mal vergewaltigt haben
Im Fall Ahrtal legt die Staatsanwaltschaft Ben R. zur Last, er habe dort als Fluthelfer eine Lagerfeuer-Unterhaltung mit einer Frau zu seinem Auto verlegt. Dort soll er einen Becher mit Wein mit einer Substanz angereichert haben, die Frau habe dadurch das Bewusstsein verloren. Der Anklage zufolge habe R. die Frau insgesamt siebenmal vergewaltigt und dies mit einer Kamera aufgenommen. Zwei Jahre später, 2023, soll R. von Kiew aus dieses Video auf eine kostenlose Plattform hochgeladen haben.
Die Verteidigung verliest an diesem ersten Verhandlungstag ein Teilgeständnis von R. Dass er zahlreiche Videos auf eine Porno-Plattform hochgeladen habe, ohne Wissen der Betroffenen, das räume er ein. Die Intimsphäre der Frauen habe er damit „tief verletzt“, habe ihnen „schweres Unrecht“ angetan und sei „zutiefst beschämt“ darüber. Den Besitz von Kinderpornografie und exzessiven Drogenkonsum räume er ebenfalls ein, auch den Besitz von Munition aus Beständen der Bundeswehr. Die habe sich bei ihm „so angesammelt“. Verwenden indes habe er sie nicht gewollt.
R. lässt auch einräumen, in einer Schweizer Skihütte an einer Frau, die in der Anklage als „handlungsunfähig bis bewusstlos“ beschrieben wird, unter Alkoholeinfluss sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Das Bild aber, das die Staatsanwaltschaft von ihm zeichne, das Bild eines „extremen Sexualstraftäters“, der systematisch Grenzen verletzte, sei falsch.
In anderen angeklagten Fällen nämlich habe zwar keine Einwilligung vorgelegen, die besagten Videos zu veröffentlichen. Die vorgeworfenen sexuellen, auch gewaltsamen Handlungen aber seien ausnahmslos einvernehmlich erfolgt, R. habe auch keine Frauen betäubt. Sein Handeln soll inspiriert gewesen sein von „Fifty Shades of Grey“, um „konsensuelle Machtspiele“ sei es gegangen, geprägt von „Dominanz und Unterwerfung“. Erst nachdem die Frauen erfahren hätten, dass R. Bilder von ihnen auf eine Porno-Plattform hochgeladen habe, hätten sie einvernehmliche Handlungen, angeblich aus „schwerer Kränkung“, zur Vergewaltigung umgedeutet.
Seit seiner Jugend sei für ihn das Sammeln von Pornografie wie „eine Sucht“ gewesen, sagt der Angeklagte
Nach der Erklärung macht R. noch selbst einige Angaben. Pornografie zu sammeln, sagt er mit fester Stimme, das sei seit seiner Jugend wie „eine Sucht“ gewesen. Schon als junger Mann habe er sich für zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet. Ein frei denkender Mensch sei er, dem es aber an „väterlicher Strenge“ gefehlt habe. Trost finde er heute in der Bibel.
„Unmoralisch“ habe er sich mitunter verhalten, das schon, für die Veröffentlichung der besagten Aufnahmen schäme er sich heute. Sich „selbst darzustellen“ aber, das sei niemals sein Wunsch gewesen, auch nicht beim Kampf in der Ukraine. Die Bild-Formulierung vom „Held im Donbass“ – die stamme bestimmt nicht von ihm.
Ein Urteil wird im Dezember erwartet. Die Bild hat die Podcasts nach der Festnahme von R. gelöscht.
