Dresden – Sie versteckt sich hinter einem neongelben Aktendeckel: Susann E. (44) aus Sachsen sitzt in Dresden auf der Anklagebank. Laut Bundesanwaltschaft war sie eine frühere Freundin der verurteilten Rechtsterroristin Beate Zschäpe (50, lebenslängliche Haft) und soll dem Terror-Trio des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU, 10 Morde) ihre Identität geliehen haben. Als Dank sollen sich die Täter mit einer besonderen Reise revanchiert haben.

Im Hochsicherheitsgericht vor dem Oberlandesgericht Dresden hat jetzt der Prozess gegen die Mutter von zwei Kindern aus Kirchberg (Landkreis Zwickau in Sachsen) begonnen. Der Vorwurf: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Für das Verfahren sind 43 Verhandlungstage bis Juni 2026 angesetzt.

Laut Bundesanwaltschaft sollen die NSU-Terroristen ihren Unterstützern eine Dankesfahrt ins Disneyland nach Paris spendiert haben

Laut Bundesanwaltschaft sollen die NSU-Terroristen ihren Unterstützern eine Dankesfahrt ins Disneyland nach Paris spendiert haben

Foto: Sygma via Getty Images

Bereits vor Prozessbeginn demonstrierten rund 50 Menschen vor dem Gerichtsgebäude – der umgebauten Kantine einer Flüchtlings-Erstaufnahme. Sie forderten Entschädigungen für Angehörige der NSU-Opfer.

Angeklagte will sich zu Vorwürfen nicht äußern

Der Prozess startete um 10 Uhr und wurde nach Anklageverlesung schon wieder unterbrochen. Lediglich ihren Namen, ihren Familienstand (verheiratet) und ihren Beruf (Pflegekraft) gab die gelernte Hauswirtschafterin und geborene Zwickauerin zu Protokoll. Einer ihrer beiden Berliner Pflichtverteidiger sagte, dass sie sich zur Anklage „vorerst nicht äußern“ werde.

Susann E. (45) saß nie in U-Haft, äußerte sich bisher nicht zu den Vorwürfen

Ein Foto aus früheren Tagen: Susann E. saß nie in U-Haft, nun aber auf der Anklagebank. Ihr Äußeres ist heute total verändert: Zum Prozessauftakt trug sie kurzes aschblondes Haar, eine Brille und weiße Ohrenclips

Foto: Privat

Bundesanwalt: Sie lieh Zschäpe Krankenkarte

Die Bundesanwaltschaft wirft der Sächsin vor, Beate Zschäpe ihre Identität überlassen zu haben. So soll sich die verurteilte NSU-Terroristin im Mai 2001 als Susann E. ausgegeben und sogar deren Krankenkassenkarte benutzt haben, um zum Zahnarzt zu gehen. Außerdem habe die Angeklagte eine Ermäßigungskarte für die Bahncard 25 auf ihren Namen besorgt und das Trio im Auto durch die Gegend chauffiert.

Die Ankläger sind überzeugt, dass Susann E. von den Neonazi-Verbrechen von Zschäpe, Uwe Böhnhardt (†34) und Uwe Mundlos († 38) wusste. Ihr Ehemann André E. (46) war bereits 2018 zu zweieinhalb Jahren Haft als NSU-Unterstützer verurteilt worden.

Die Ankläger der Bundesanwaltschaft – Oberstaatsanwalt Wolfgang Barrot (F.M.) verlas im Prozess die Anklage

Die Ankläger der Bundesanwaltschaft: Oberstaatsanwalt Wolfgang Barrot (in der Mitte) verlas im Prozess die Anklage

Foto: Dirk Sukow

Geschenke und eine Reise als Dank

Laut Oberstaatsanwalt Wolfgang Barrot soll das NSU-Trio sich bei der Familie E. mit Geschenken für die Unterstützung bedankt haben. Das Geld dafür hatten sie mutmaßlich bei ihren Raubzügen (insgesamt 71.915 Euro) erbeutet.

Demnach erhielt die Familie und ihre beiden Söhne eine JVC-Musikanlage und eine mehrtägige Reise im Wert von 916 Euro ins Disneyland nach Paris.

Der Prozess wird fortgesetzt.