Von außen macht der Szene-Treff in der Esslinger Fleischmannstraße nicht viel her. Foto: privat
In Esslingen gibt es seit einigen Monaten einen Container-Treffpunkt für Menschen aus der Obdachlosen- und Trinkerszene. Nach den ersten Monaten zieht die Stadt Bilanz.
Pöbeleien und herumlungernde Gruppen: Der Esslinger Bahnhofsvorplatz ist vielen Menschen nicht geheuer. Vor allem abends meiden Passanten die Gegend lieber. Die Stadt hat deshalb im Jahr 2022 eine Sozialraumanalyse erstellen lassen. Seitdem ist einiges passiert, auch wenn nicht alles sofort ins Auge sticht. Ein wichtiges Projekt ist neben einer mobilen Wache der Treffpunkt für sogenannte Stammsteher. So werden Menschen bezeichnet, die in schwierigen sozialen Verhältnissen leben und sich draußen treffen, auch um mit Gleichgesinnten gemeinsam Alkohol zu konsumieren. Nicht alle von ihnen sind im eigentlichen Sinn obdachlos.
Der Szenetreff, für den sich vor allem die CDU-Fraktion im Gemeinderat seinerzeit stark gemacht hatte, wurde in diesem Februar auf einer kleinen Schotterfläche in der Fleischmannstraße neben dem Rewe-Markt und der Beratungsstelle des gemeindepsychiatrischen Dienstes eröffnet. Die zentrale Lage ist Teil des Konzepts. Ursprünglich sollte der Doppelcontainer ab Juni 2024 genutzt werden. Es musste aber umgeplant werden, weil baurechtlich eine barrierefreie Toilette verlangt wurde. Damit verzögerte sich der Start. Die jüngst im Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales vorgestellten Erfahrungen sind deshalb nur als Zwischenbilanz des Projekts zu verstehen, betont die Stadt.
Der Treff am Bahnhof, wie er inzwischen heißt, wird von der Evangelischen Gesellschaft (Eva) sozialpädagogisch betreut, anfangs mit einem Stellenumfang von 40 Prozent, seit diesem Jahr sind es nur noch 20 Prozent. Denn von Anfang an war geplant, dass die Nutzer schrittweise selbst Aufgaben übernehmen. Dieser partizipative Ansatz funktioniere sehr gut, so das Fazit von Carolin Bischoff, Abteilungsleiterin Soziale Beratung und Wohnen bei der Stadt. Es gibt in der Gruppe zwei Verantwortliche, die nicht nur auf- und abschließen, sondern auch auf die Einhaltung der Hausordnung und auf Sauberkeit achten. Dennoch hat die Stadt einen Security-Dienst beauftragt, der noch bis März Kontrollgänge durchführt. „Wir wollen verhindern, dass Besucher in dem Container übernachten. Das ist auf keinen Fall erlaubt“, erläuterte Sozialamtsleiter Marius Osswald, bislang sei das aber noch nicht vorgekommen.
„Spürbare Entlastung für den Esslinger Bahnhof“
Im Innern des Containers haben es sich die Besucher mit Sofa, Sideboard und einer kleinen Teeküche gemütlich eingerichtet. An einem Schwarzen Brett ist Platz für die Zettel mit Ideen und Anregungen. „Die Gruppe wird zunehmend aktiv“, sagte Carolin Bischoff in der Sitzung. So sollen künftig beispielsweise Gäste für Fachvorträge zu Themen wie Sucht oder Tierschutz eingeladen werden. „Es ist erkennbar, dass durch die definierte Aufenthaltsfläche eine spürbare Entlastung des Bahnhofsplatzes erreicht wird“, formuliert die Verwaltung in der Sitzungsvorlage als Fazit der ersten Monate. Nur vereinzelt habe es Beschwerden von Anwohnern und Passanten gegeben. Gleichzeitig wurde aber auch angemerkt, dass sich mehr Menschen vor dem IKK-Gebäude treffen und eine Art „Nebenszene“ entstehen könnte. Die Stadt will nun ausloten, ob auch diese Gruppe in den Treff eingebunden werden kann.
Anziehungspunkt könnte nicht nur sein, dass dieser Bereich des Bahnhofsplatzes außerhalb der Alkoholverbotszone liegt, sondern auch dass es dort Sitzbänke gibt. Die wurden vor dem Winter aber abgebaut. Sozialbürgermeister Yalcin Bayraktar plädierte dafür, die Bänke im Frühjahr auch im Hinblick auf die geplante Außengastronomie im Qbus nicht wieder aufzustellen. Man wolle niemanden vertreiben, aber es stelle sich die Frage, wie man sozialplanerisch damit umgehe. „Für diese Klientel wurde ja gerade der Treffpunkt eingerichtet“, so Bayraktar.
Wie könnte der triste Container am Esslinger Bahnhof schöner werden?
Der Ausschuss hat unterdessen zugestimmt, dass der Treffpunkt vorerst bis Ende 2027 fortgeführt wird. Dafür wird 2026 und 2027 jeweils ein Zuschuss von rund 17 000 Euro an die Eva gezahlt. Von den Vertreterinnen und Vertretern der Fraktionen gab es viel Lob für das Projekt. Moniert wurde nur das triste äußere Erscheinungsbild. Laut Stadt wird jetzt eine Ligusterhecke gepflanzt. Davon war allerdings bereits im Juni die Rede, ohne dass bis jetzt tatsächlich etwas wächst. Die Idee von Stadtrat Matthias Vetter (Freie Wähler), dass bei einem Aktionstag Gemeinderatsmitglieder und Vertreter der Stadt bei der Verschönerung mit anpacken, fand viel Zustimmung. Die Nutzer müssten das aber wollen, betonte Bayraktar. Sozialamtsleiter Osswald dämpfte zu große Erwartungen. Denn laut Baurecht müssen für den Container Stellplätze ausgewiesen werden, was bedeutet, dass der Vorplatz weitgehend freigehalten werden muss.
Treff am Bahnhof
Sozialraumanalyse
Der Esslinger Bahnhofsvorplatz gilt seit Jahren als Brennpunkt. Dieses Problem hat die Stadt erkannt und eine Sozialraumanalyse in Auftrag gegeben. 2022 nahmen Forscherinnen der Universität Tübingen das Viertel zwischen der Schlachthaus-, Martin- und Bahnhofstraße sowie Am Kronenhof genau unter die Lupe. Am Ende haben sie ein ganzes Paket an möglichen Maßnahmen vorgeschlagen, die das Sicherheitsgefühl und die Aufenthaltsqualität am Bahnhof verbessern sollen. Darunter war auch eine Art Wärmestube, wie sie nun mit dem Treff am Bahnhof realisiert wurde.
Öffnungszeiten
Der Treff ist von Montag bis Samstag von zehn bis 22 Uhr geöffnet. Es gibt eine barrierefreie Unisex-Toilette und Aufenthaltsräume. Im Sommer wird zeitweise auch die Schotterfläche vor dem Container genutzt. Rund 50 Personen kommen täglich in den Treff. Anfangs waren es vor allem Männer, inzwischen kommen laut Stadt auch einige Frauen. Der Konsum von Alkohol ist erlaubt und draußen darf geraucht werden. Cannabis ist untersagt