Am Wochenende hatte die französische Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde DGCCRF festgestellt, dass bei Shein Sexpuppen mit kindlichem Aussehen angeboten werden. Am Mittwoch kamen neue Vorwürfe auf: Über die Onlineplattform sollen Waffen vertrieben werden, deren Besitz in Frankreich ohne besondere Genehmigung verboten ist.
Die französische Regierung leitete am Mittwoch ein Verfahren zur Aussetzung des Geschäftsbetriebs von Shein ein. Dass Unternehmen habe nun 48 Stunden, also bis Freitag, Zeit, die verbotenen Produkte aus dem Sortiment zu nehmen, sonst werde seine Website in Frankreich gesperrt.

APA/AFP/Julie Sebadelha
In Frankreich droht der Plattform die Sperre
Kontrolle von Shein-Paketen auf Flughafen
Am Donnerstag wurde zudem bekannt, dass Frankreich in einer Kontrollaktion 200.000 Pakete von Shein auf Pariser Flughäfen vom Zoll und der DGCCRF überprüfen lässt. „Diese Aktion von außergewöhnlichem Umfang zielt darauf ab, die Konformität der Produkte, die Richtigkeit der Angaben und die Einhaltung der Steuer- und Zollvorschriften zu überprüfen“, teilte Frankreichs Ministerin für öffentliche Finanzen und Haushalt, Amelie de Montchalin, mit.
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Viele Produkte auf Temu und Shein erfüllen EU-Anforderungen nicht
„Erste Feststellungen lassen nicht konforme und illegale Produkte erkennen: nicht zugelassene Kosmetika, für Kinder gefährliches Spielzeug, Fälschungen, defekte Haushaltsgeräte“, sagte die Ministerin. Ziel der auf 24 Stunden angesetzten Aktion sei es, 100 Prozent der von Shein eintreffenden Sendungen zu kontrollieren.
Brief an Brüssel
Im Kampf gegen Shein will Paris aber auch die Europäischen Union mit an Bord holen. „Ich glaube, dass die Plattform eindeutig gegen die europäischen Regeln verstößt, die wir 2022 auf Betreiben Frankreichs verabschiedet haben“, sagte Außenminister Jean-Noel Barrot am Donnerstag dem Radiosender Franceinfo. „Ich glaube, dass die Europäische Kommission handeln muss. Sie kann nicht länger warten.“
Frankreich verlangt von der EU-Kommission, unverzüglich zu untersuchen, was zum Verkauf der illegalen Objekte auf der Plattform geführt hat, wie Finanzminister Roland Lescure und Digitalministerin Anne le Henanff an die zuständige EU-Kommissarin Henna Virkkunen schrieben.
„Frankreich macht die Europäische Kommission und alle Mitgliedsstaaten auf diese schwerwiegenden Verstöße innerhalb seiner Grenzen aufmerksam und geht davon aus, dass ähnliche Risiken im Zusammenhang mit den Aktivitäten dieser Plattform in anderen Ländern der Europäischen Union bestehen“, heißt es in dem Brief, der am Donnerstag veröffentlicht wurde.
EU: „Bedenken, die wir bereits haben“
Ein Sprecher der Europäischen Kommission bestätigte den Erhalt des Schreibens. „Die in Frankreich erhobenen Bedenken sind Bedenken, die wir bereits haben“, sagte er. Die EU werde nicht zögern, Maßnahmen gegen Shein zu ergreifen, sagte der Kommissionssprecher. Der Verkauf von Puppen mit kinderpornografischem Charakter sei „äußerst besorgniserregend“, erklärte er. „Wir wollen nicht, dass diese Produkte unseren Mitbürgern in Europa zum Verkauf angeboten werden.“
Die Europäische Kommission stufte Shein im April 2024 als „sehr große Onlineplattform“ ein, wodurch sie gemäß der europäischen Verordnung über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) eine verstärkte Kontrolle ausüben kann. Im Februar 2025 leitete sie eine Untersuchung gegen die Plattform ein, da sie den Verdacht hatte, dass diese nicht ausreichend gegen den Verkauf illegaler Produkte vorgeht.

Reuters/Abdul Saboor
Außenminister Barrot sieht Frankreichs Wirtschaft durch Onlineplattformen wie Shein bedroht
Scharfe Worte des Außenministers
Außenminister Barrot bedauerte am Donnerstag, dass „große Plattformen, deren Regeln von chinesischen und amerikanischen Milliardären festgelegt werden und die das wirtschaftliche, soziale und demokratische Leben der Nation stören, gedeihen können“.
Zudem regte er Maßnahmen gegen die Eröffnung von stationären Shein-Geschäften an, die „dem kleinen Handel“ Konkurrenz machen. „Wenn wir nichts unternehmen, wenn wir tatenlos zusehen, werden die kleinen Geschäfte aus unseren Innenstädten und Dorfzentren verschwinden, und das wird den Tod unserer Städte und Dörfer bedeuten“, warnte er. Auch hier rief er zu Maßnahmen auf europäischer Ebene auf.

IMAGO/Anadolu Agency/Firas Abdullah
Im Kaufhaus BHV stand die Kundschaft Schlange, draußen tat man seinen Unmut kund
Am Mittwoch hatte Shein seinen ersten dauerhaften Shop im Pariser Traditionskaufhaus BHV eröffnet. Die Eröffnung des etwa 1.000 Quadratmeter großen Geschäfts wurde von Protesten begleitet. Sie richteten sich sowohl gegen die verheerende Umwelt- und Sozialbilanz des Unternehmens als auch gegen den jüngsten Skandal um Sexpuppen, die von der französischen Justiz als pädopornografisch eingestuft wurden.
Shein bittet um Gespräch
Der Vorstandsvorsitzende von Shein, Donald Tang, versicherte unterdessen in einem Schreiben an die französische Regierung das „unerschütterliche Engagement der Plattform, alle französischen Gesetze einzuhalten“. „Wir nehmen Ihre Bedenken sehr ernst“, schrieb Tang. Er bat das Finanzministerium um ein Treffen, um den „Compliance-Rahmen“ und die „entschiedenen und sofortigen Maßnahmen“ des Unternehmens vorzustellen, wie „Le Parisien“ am Donnerstag berichtete.
„Durch die vorübergehende Aussetzung des Verkaufs durch Drittanbieter sowie des Verkaufs von Shein-Produkten, die nicht zum Bekleidungssektor gehören, wollen wir die notwendigen Voraussetzungen schaffen, um eng mit Ihnen und den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten und sicherzustellen, dass die von uns ergriffenen Korrekturmaßnahmen sowohl nachhaltig als auch transparent sind“, hieß es in dem Schreiben.