An den internationalen Finanzmärkten gibt es zu jeder Zeit Preisblasen. Mal auf dem Rohstoffmarkt, mal bei Anleihen, mal bei Immobilien oder Aktien. Oft entweicht die heiße Luft gemächlich, manchmal auch explosiv. Manche Anleger machen in diesen Situationen Verluste, aber ihre Sinne sind danach frisch geschärft für das Risiko bei Finanzgeschäften. Es handelt sich um erzieherische Verluste für einzelne, das Finanzsystem insgesamt bleibt stabil.
Einen Mega-Crash wie das Platzen der Internetblase im Jahr 2000 oder die globale Finanzkrise 2008 erlebt man deutlich seltener. Allerdings können kleine Preiskorrekturen Vorboten einer solchen Katastrophe sein. Dann nämlich, wenn ihre erzieherische Wirkung ausbleibt und die Preise nach der Warnung trotzdem weiter steigen. In einer solchen Vorkrisen-Welt leben wir. Vergangene Woche haben US-Technologieaktien so viel an Wert verloren wie seit April nicht mehr. Damals rief US-Präsident Donald Trump den Zollkrieg aus und viele befürchteten: Jetzt kommt der Crash. Das Gegenteil geschah, die Preise kletterten erneut auf Rekordniveau. Wo liegt die Lunte für den Börsenabsturz, welches Ereignis wird sie zünden?
Finanzmärkte haben eine Charakterschwäche
Man weiß es nicht. Vor einem Crash zu warnen, ist das eine. Das andere ist die historische Erfahrung, dass Preisblasen über viele Jahre hinweg immer neue frische Luft aufnehmen können, bevor sie dann angestochen werden. Investoren tendieren zur Selbstüberschätzung. Viele denken, sie würden den richtigen Moment für den Ausstieg kennen, ohne große Verluste zu machen. Das ist die große Charakterschwäche der Finanzmärkte.
Die Bundesbank warnt im aktuellen Finanzstabilitätsbericht vor starken Kurseinbrüchen an den Börsen, darüber hinaus müssten die Banken mehr Verlustpuffer anlegen. Auch die hohen Staatsschulden in der Euro-Zone geben Anlass zur Sorge. Denn Banken haben viele Staatsanleihen gekauft, und wenn ein Land in eine Zahlungskrise schlittert, geraten die Bank und das eng gewobene Bankensystem ebenfalls in die Klemme.
Investitionen in künstliche Intelligenz als Crash-Auslöser?
Nach der Internet-Blase 2000 könnte es nun mit der künstlichen Intelligenz (KI) erneut ein Sektor aus der Realwirtschaft sein, der das Feuer auslöst. Vor allem amerikanische Technologieunternehmen wie Amazon, Meta, Microsoft und Google setzen auf diese Karte, inzwischen vermehrt auf Pump. Käme es zu einem Ausverkauf dieser Aktien, würde die Schwere der Krise davon abhängen, wie stark der KI-Sektor bereits mit anderen Wirtschaftssektoren verzahnt ist. Je stärker verzahnt, desto schlimmer könnte der Crash werden. Die globale Finanzkrise begann 2007 mit Problemen bei ein paar US-Banken, erst ein Jahr später wurde deutlich, dass diese Institute hochriskante Kreditpakete in die ganze Welt verkauft hatten. Das führte zu einem Dominoeffekt und einer globalen Wirtschaftskrise. Ist es wieder so weit?
Ein Börsenbeben mit Kursverlusten von 30 bis 40 Prozent würde Billionen Dollar vernichten. Die wirtschaftlichen Folgen wären verheerend: US-Arbeitnehmer würden erneut einen großen Teil ihrer Rentenersparnisse verlieren, und auch die Investmentfonds der Menschen in Europa würden empfindlich an Wert verlieren. Innenpolitisch käme es in Deutschland und anderswo zu scharfen Auseinandersetzungen: Wer ist schuld, wer bezahlt, wie geht es weiter? Nach dem Crash 2008 und im Zuge der Corona-Krise seit 2020 haben die demokratischen Staaten zur Stützung der Wirtschaft hohe Kredite aufgenommen. Die USA und Europa haben finanziell deutlich weniger Spielraum, um zu helfen.
Aus dieser Gemengelage könnte Chinas Macht in der Welt weiter wachsen. Das Land wirkt finanziell und wirtschaftlich resilienter als der Westen, um die Folgen eines Crashs zu verdauen. Dieser Eindruck kann täuschen, aber anders als 2008 könnte die nächste Finanzkrise durchaus die globale Machtverschiebung zementieren. Die Gier an den Börsen ist inzwischen also auch eine Gefahr für die Freiheit.