Cover: Bob Dylan: Point Blank. Quick Studies

AUDIO: Bildschöne Bücher: Bob Dylan – „Point Blank (Quick Studies)“ (5 Min)

Stand: 10.11.2025 10:06 Uhr

„Point Blank (Quick Studies)“ – so heißt ein neuer Bildband mit Zeichnungen von Bob Dylan. Die Werke des 84-jährigen Songschreibers laden zur Entdeckung seiner kreativen Entwicklung ein.

von Martina Kothe

Er malt und zeichnet – das hat Bob Dylan seit den 60er-Jahren immer wieder mal erwähnt. Berühmt ist er auch. Überberühmt sogar, falls es das Wort gibt. Warum er dann noch malt und zeichnet und die Bilder veröffentlicht und verkauft, wenn er doch schon so berühmt ist? Tja, warum nicht? Berühmt zu sein, ist ihm ziemlich schnuppe.

Halbfertige Figuren und konventionelle Motive

Schauen wir uns also mal Ausführung und Inhalt der Arbeiten an. Menschen, hingestrichelt, halbfertig, wenig ausgearbeitet. Ganz unterschiedliche Papiere, mal hell und weißlich, mal mit Gelbstich, mal grau. Einheitlich ist das nicht, soll es wohl auch nicht sein. Wäre das eine Mappe, mit der sich einer an einer Kunsthochschule bewirbt – würde man ihn nehmen? Schwer zu sagen. Das hängt auch davon ab, ob man der Person einen eigenen Blick, eine Entwicklung zutraut.

„Point Blank“ – aus nächster Nähe, so heißt das Buch, und nah kommt man dem Zeichner sicherlich. Die Motive sind meist konventionell: Männer, Frauen, mal bekleidet, mal nicht. Gesichter, verzerrt oder unfertig, auch Vorstudien zu Gemälden.

Die Magie im Banalen

Aber dann: ein einsamer Tesa-Abroller, „Scotch Tape“. Kein Untergrund, kein Hintergrund, kein Schatten, nur die Bleistiftzeichnung eines banalen Gegenstands. Den wir alle sofort erkennen und der in dieser einfachen, linearen Skizze an eine Weinbergschnecke erinnert. Und ebenfalls sofort fragt man sich: Warum hat er den gezeichnet? Wartezeit? Langeweile? Oder eine Art Magie der Dinge?

Ähnlich geht es einem mit der wackeligen Zeichnung des „Sunbeam Mix Master“, einem entfernten Verwandten der heutigen Rührgeräte: klobig, merkwürdig unförmig und all jenen bestens vertraut, die gern Kuchen backen. Den Quirl einrasten, die Schüssel drunter und los geht’s …

Wir bleiben in der Küche mit einem krumm und schief aufs Blatt gesetzten Kochgeschirr: „Goldilocks Cookware“. Zwei Stilkasserolen, ein großer Topf mit Deckel, ein anderer ohne Deckel, ein kleines Gefäß – alle sitzen mittig und wie aus der Hand gefallen auf dem Blatt und scheinen zu warten, was als nächstes passiert.

Bob Dylan bei einem Konzert 2012 in Los Angeles

Der 84-Jährige schert sich nicht um Konventionen – um seine Fans offensichtlich auch nicht. Die kommen trotzdem und schwelgen in Erinnungen.

Wie Zeichnen Dylans kreative Energie beflügelt

Solche Arbeiten stechen heraus, lassen einen hoffen, dass der Zeichner den Weg der banalen oder scheinbar banalen Motive weitergeht. Was er am Malen schätzt, hat er 1984 in einem Interview gesagt: „Man muss viel Zeit investieren, sich einlassen. Beim Malen führt eines zum anderen, und man entdeckt vieles erst, während man arbeitet. Das ist ein spannender Prozess, und ich weiß, ich könnte in den Rhythmus dieser Arbeit kommen, wenn ich lange genug dabeibleiben könnte.“

Schuhe, Straßen, viele Häuser, Innenräume, die schon erwähnten Menschen, Eierkartons, Stiefel. Das Buch ist ein Sammelsurium an Zeichnungen. Hier hat einfach jemand Freude und spielt abwechslungshalber mal nicht mit Worten, sondern mit Stift und Papier. Wie schön! Ob es einem den so rätselhaften wie genialen Bob Dylan näherbringen kann? Vielleicht. Ich gehe jetzt meinen Toaster zeichnen.

Abbildung aus dem Buch "Bob Dylan: Point Blank": Zeichnung eines Mannes, der Klavier spielt

Point Blank (Quick Studies)

von Bob Dylan

Seitenzahl:
200 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
Hoffmann & Campe
ISBN:
978-3-455-02186-8
Preis:
45 €