Elmar Wigand spricht mit Maurice Graf (Ver.di-Sekretär).
Das Interview erschien in der Sendung arbeitsunrecht FM #14/25 vom 5. November 2025.
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Elmar Wigand: Einer der größten Arbeitgeber in Bonn ist das Uni-Klinikum Bonn (UKB). Ich habe mich gerade noch mal ein bisschen schlau gemacht. Ein Riesenladen mit 9.000, fast 10.000 Beschäftigten und einer halben Million Behandlungen im Jahr. Und das UKB gilt als exzellente Universität, die im Ranking in NRW auf Platz eins steht, sagt Wikipedia.

Manche Sachen sind allerdings nicht so exzellent, wenn man hinter die Kulissen guckt. Ver.di hat am 21. Oktober 2025 eine Pressemitteilung verschickt, die aufhorchen lässt.1 Da geht es um Union Busting. Da soll der Betriebsratsvorsitzende fertiggemacht werden. Was ist denn da los? Was passiert denn da hinter den Kulissen in Bonn?

Maurice Graf: Ja. Erst mal vielen Dank, dass du mich eingeladen hast und wir den Fall nochmal besprechen dürfen. Der begleitet mich jetzt tatsächlich schon mal schon etwas länger. Also grundsätzlich ist der aktuelle Stand, dass es ein Zustimmungssetzungsverfahren gibt vor dem Arbeitsgericht. Sprich das Arbeitsgericht soll die Zustimmung des Betriebsrates ersetzen, damit der Betriebsratsvorsitzende außerordentlich im Zweifelsfall ordentlich gekündigt werden kann.

Und ihr mobilisiert auch zum Prozesstermin?

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Das ist zuerst mal ein kleiner Gütetermin. Wir werden mit einer kleinen Delegation da sein, den Kollegen erstmal mental unterstützen, machen aber noch keine große Aktion. Da wir gerade doch sehr fest davon ausgehen, dass der Termin sehr schnell vorbei sein wird, dem Kollegen auch Recht gegeben werden kann.

Ja, was ist denn da los? Also wir haben uns ja schon kurz im Vorgespräch unterhalten und ich würde mal sagen, eines der größten Übel der arbeitenden Bevölkerung sind die Auslagerungen. Die geschehen ja oft um Lohndumping zu betreiben bzw. Tarife zu unterlaufen. Auch die Organisierbarkeit zu erschweren.

Also hier haben wir es auch mit Auslagerung zu tun, nicht wahr?

Mit der Cateringgesellschaft und und noch zwei anderen oder was ist da das Problem eigentlich? Warum haben die jetzt auf einmal Aggressionspotenzial entdeckt bei sich?

Ob das „auf einmal“ ist, sei mal dahingestellt… Grundsätzlich ist der Stand, dass gewisse Bereiche der Uniklinik, was leider recht üblich ist, ausgegliedert wurden. Das war schon Mitte der 2000er Jahre – seit ich glaube 2015 oder 2016, nagelt mich da bitte nicht fest. Sie sind aber wieder eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Uni-Klinik Bonn. Allerdings nicht in dem klassischen Tarifvertrag der Länder gebunden, wie die Beschäftigten der Uni-Klinik selbst, also das Pflegepersonal, sondern in diesem Fall unter einem Dehoga Tarifvertrag.

Das betrifft einmal die Cateringgesellschaft, einmal die Patientenservicegesellschaft. Da sind zum Beispiel die Kolleginnen und Kollegen drin, die klassischerweise an der Pforte sitzen und die Patienten begrüßen oder an die jeweiligen Räumlichkeiten vermitteln. Und dann ist es noch mal die Gebäudereinigung, die ausgegliedert wurde.

Ah ja, und die werden also systematisch schlechter bezahlt als die Kollegen…

Die werden systematisch schlechter bezahlt. Also die haben einen IG Bau-Tarif, also für die Gebäudereinigungsbranche geltenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrag. Der wird für diese Kolleginnen angewendet. Bei den anderen ist es der Tarifvertrag der DEHOGA für das Hotel und Gaststättengewerbe und der ist deutlich niedriger als der des öffentlichen Dienstes. Das kann man auf jeden Fall sagen.

Ja, das ist interessant. Ich habe ja schon viel mit Gewerkschaften zu tun gehabt und wir hatten uns auch mit Putzkräften in Hotels beschäftigt.2 Und da war dann tatsächlich das Problem auch, dass die dann von unterschiedlichen Gewerkschaften auch vertreten werden. Aber ihr vertretet ihr als Verdi jetzt quasi alle, die in der Uniklinik Bonn sind.

Wir haben eine ganz klare Auffassung, dass ein Betrieb einen Tarifvertrag haben soll. Das ist ja auch der Grundsatz des DGB am Ende des Tages.

Und daher ist es auch der NGG und der IG Bau sehr recht, dass wir da zuständig sind, weil gerade der Bereich Krankenhaus ist super spezifisch. Das ist unser ureigenster Bereich und da haben wir auch unsere Mitglieder. Das kann man ja auch einfach ganz klar sagen.

Und in der Verdi-Pressemitteilung ließ mich hier eins besonders aufhorchen – wir sind ja spezialisiert auf Union Busting, also systematisches Fertigmachen von Gewerkschaften und Betriebsräten – dass jetzt Leute rumlaufen im Betrieb mit Austritts- und Rücktrittsformularen und solchen Dingen, also letztendlich Union Busting. Kannst du das mal bitte erklären?

Ja, tatsächlich war ich gestern sogar noch im Gespräch mit den Gesellschaftern der UKB-Servicegesellschaft, das sind ja die Vorstände der Uni-Klinik selber, und der zuständigen Geschäftsführerin und habe das auch mit denen nochmal besprochen. Also es ist so, dass Ende November 2024 vier Kolleginnen ausgetreten sind aus dem Betriebsrat – mit gleichen Formularen. Das ist wohl irgendwann an einem Freitag geschehen und Montag wurde es bekannt gegeben. Für diesen Freitag wurde dann auch noch mal Überstunden abends nachträglich eingepflegt, natürlich auch ohne Mitbestimmung, was da schon mal den Betriebsrat hat aufhorchen lassen, dass da irgendwas nicht ganz im Reinen ist.

Ich habe die Stelle aber erst relativ spät angetreten, also erst im Juni 2025. Da kam es noch mal zu einer kleinen Austrittswelle, wieder mit Musteraustrittsformularen und neben den Austrittsformularen auch den Rücktrittsformularen aus dem Betriebsrat gab es auch Austrittsformular, aus ver.di natürlich. Und das hat uns dann auf jeden Fall aufgeweckt, dass wir da gesagt haben okay, da müssen wir mal hinfahren, müssen mal schauen, was ist da los?

Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen gesprochen, im Gremium, aber auch außerhalb, um uns da ein Bild zu machen. Und da stand schon der Fall gewesen zu sein, dass vor Ort wohl auch mittlere Führungskräfte vor allem einen gewissen Druck auf Leute ausgeübt haben, dass sie aus dem Betriebsrat austreten sowie aus der Gewerkschaft.

Okay, ist das überhaupt noch legal? Ich meine, das ist auf jeden Fall schmutzig und es widerspricht, sage ich mal, den deutschen Gepflogenheiten. Zumindest was „Sozialpartnerschaft“ angeht. Aber es wirkt ja schon fast kriminell, würde ich sagen.

Ja, also man muss natürlich dazu sagen, dass die Gesellschafter der Uniklinik sowie die Geschäftsführerin gestern noch mal sehr klar betont haben, dass sie davon nichts wussten und das jetzt auch aufklären werden. Das hatte mir die Geschäftsführerin schon mal vor ein paar Monaten wugesagt, weil ich sie direkt zu einer Videokonferenz angefragt hatte, wo das Thema schon besprochen haben.

Laut deren Stellungnahme ist es so, dass das irgendwie, wenn es überhaupt so gewesen sein soll, natürlich vor Ort geschehen ist, dass eine Eigendynamik, sprich da können wir es nicht ganz klar hin adressieren. Aber grundsätzlich gilt auch für mittlere Führungskräfte natürlich, dass sie nicht die Betriebsratsarbeit angreifen dürfen. Das ist sogar eine Straftat nach §119 des Betriebsverfassungsgesetzes. Und klar, Eingriffe in die Koalitionsfreiheit und das Recht, dass wir uns in Gewerkschaften organisieren dürfen. Es ist wahrscheinlich auch verboten.

Ja, also die Koalitionsfreiheit. Für alle, die jetzt keine Experten sind: Damit ist gemeint, dass es im Grundgesetz verankert ist, also auf höchster Ebene verbrieft sozusagen. Wir haben das Recht, uns zusammen zu schließen ohne uns Repressionen ausgesetzt zu sehen, auch ohne beschnüffelt zu werden oder überhaupt darüber jemanden in Kenntnis zu setzen.

Wir dürfen uns in Vereinen, Gewerkschaften, Organisationen frei zusammenschließen. Das ist eines der wichtigen Grundrechte des Grundgesetzes. Und darauf basiert im Grunde auch das Recht, dass ihr als Gewerkschaft in den Betrieb gehen dürft, als Gewerkschaftsvertreter da auch Werbung machen dürft für die Gewerkschaft. Dass am UKB Leute jetzt genötigt werden, auszutreten, halte ich für ein starkes Stück.

Von wegen „Wir wussten davon nichts…“! Und „Oh, da hat sich eine Eigendynamik entwickelt“. Das halte ich jetzt erstmal für fragwürdig. Also diese „Eigendynamiken“ sehe ich sonst nicht, sondern meistens sind da Union Buster, also spezialisierte Kanzleien, im Betrieb tätig, die bestimmte Leute anleiten und das dann aussehen lassen wie wie so eine Eigeninitiative aufgrund von „Unruhe in der Belegschaft“… Aber das sind meistens Kunstraseninitiativen. Da wird nur so getan, als würde das irgendwie von selber kommen und die Kollegen seien alle empört über die Gewerkschaft oder so. Meistens wird das aber von oben angeleitet. Also es klingt irgendwie unglaubwürdig.

Wen habt ihr denn da auf der Gegenseite? Was sind denn das für Figuren?

Ich fand hier die Besonderheit, dass die Justiziarin der Uni-Klinik Bonn gleichzeitig Geschäftsführerin von dieser Tochterfirma ist. Also was ist denn da los?

Genau das ist auch unsere Haupt-Ansprechpartnerin in diesem Falle gewesen. Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass die Geschäftsführung da mitinvolviert sind. Ich kann es aber halt auch nicht beweisen deshalb.Fakt ist, dass wir einen sehr, sehr klaren Anspruch geäußert haben, dass diese Tätigkeiten auf jeden Fall aufhören. Und da sehen wir ganz, ganz klar die Geschäftsführerin in der Rolle, auch dafür zu sorgen, dass das im Zweifelsfall auch geahndet wird vor Ort und dass man das auch jetzt mal aufarbeitet. Wie gesagt, wir werden das aber noch mal ganz genau beobachten. Definitiv. Und die Geschäftsführerin ist zeitgleich auch Justiziarin der Uni-Klinik Bonn. Das stimmt. Das wirkt auf den ersten Moment wahrscheinlich etwas merkwürdig, dass so eine Doppelfunktion stattfindet. Zumal wahrscheinlich jede einzelne Funktion auch eine 40-Stunden-Woche füllen könnte. Ich habe mir aber sagen lassen, dass das gar nicht so unüblich ist. Manche Leute haben anscheinend mehr als 24 Stunden am Tag.

Ja gut, aber ich meine, das ist ein Laden mit über 9000 Beschäftigten. Die ist die Justiziarin von diesem Riesending. Warum ist sie dann noch Geschäftsführerin? Er ist außerdem eine ganz andere Qualifikation. Und dann hat die auch noch eine eigene Anwaltskanzlei. Wie heißt die Frau denn noch mal? Ich war gestern auf der Webseite, aber was ist der Name noch mal?

Frau Schwethelm.3

Dann hat sie noch eine eigene Anwaltskanzlei, die Frau Schwedhelm, die dann angeblich in Köln ist. Aber wenn man auf die Webseite geht, ist sie in Bergisch Gladbach…4 Also das scheint irgendwie eine eine außergewöhnliche Konstellation, wie ich finde. Naja, keine Ahnung. Und was sind die nächsten Schritte? Also wie geht es da jetzt weiter?

Wir haben uns gestern mit den Gesellschaftern erstmal darauf geeinigt, dass die Wahlen auf jeden Fall stattfinden sollen, sehr zügig stattfinden sollen und auch nicht weiter beeinflusst werden. Es gab da so einen Moment, zu dem wir auch unterschiedliche Interpretationen haben, den wir als Wahlbeeinflussung wahrgenommen haben. Da ging es darum, dass die Geschäftsführerin wohl in der Küche war und den Beschäftigten nahegelegt hätte, dass, wenn sie jetzt ihren Betriebsrat wiederwählen würden, dass man überlege, den Laden wieder zu verkaufen.

Gestern im Gespräch hieß es dann, dass das wohl ein Missverständnis gewesen wäre, dass er etwas falsch interpretiert worden sei. Auch da steht jetzt erstmal Aussage gegen Aussage. Vielleicht klären wir das morgen auf der Betriebsversammlung (am 5.11.2025) vor Ort nochmal. Es wäre auf jeden Fall ganz schön, aber ansonsten sollen da jetzt erstmal die Füße still gehalten werden. Wir werden natürlich den Kollegen unterstützen, dass er auch mit einer starken Liste wiedergewählt wird und dann wird es daran gehen, den Betriebsrat zu schulen. Wir werden wahrscheinlich dann ein relativ neues Gremium haben und gute Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit vor Ort machen.

Verstehe ich die Neuwahl richtig? Normalerweise sind ja die Betriebsratswahlen im Mai 2026. Aber bei euch muss eine vorgezogene Neuwahl stattfinden, weil durch diese Austritte das Gremium quasi zerbrochen ist. Oder was ist da der Punkt?

Genau. Also wir streiten uns gerade noch so ein bisschen darum, ob jetzt gerade drei Leute noch im Gremium sind oder zwei. Definitiv sollten es aber sieben sein. Also muss unverzüglich neu gewählt werden. Der Wahlvorstand ist auch im Amt. Ist auch schon geschult. Dummerweise sind sie jetzt einfach in Urlaub gegangen. Der sei auf jeden Fall gegönnt. Der steht denen ja auch tariflich zu. Aber dadurch rückt das jetzt noch mal so ein bisschen nach hinten. Und wird weiter präsent sein müssen. Und diese Wahl muss einfach neutral stattfinden können. Wir müssen unsere Positionen auch tagtäglich nochmal vor Ort klar machen.

Die Drohung, die jetzt natürlich wieder nicht bestätigt wird – Ich finde das typisch deutsch. Im Übrigen. Das „Land der Richter und Henker“ wird jetzt irgendwie zum „Land der Pfuscher und Vertuscher und Heuchler“. Das ist typisch… Also die sagen ja nie: „Ja, wir schmeißen dich jetzt raus, weil du Gewerkschaftsarbeit machst oder weil du ein guter, zu aktiver Betriebsrat bist“, sondern nein, man wird gekündigt aus irgendwelchen vorgeschobenen Gründen. Und am Ende, wenn es zu Gesprächen auf hoher Ebene kommt, dann will es niemand gewesen sein. Und dann sind das alles nur Missverständnisse und so… Ich jedenfalls glaube das nicht.

Die wollen jetzt also die Betriebsratswahl mit einer gelben Liste gewinnen oder wollen die überhaupt keinen Betriebsrat mehr? Dass sich sozusagen das Gremium komplett auflöst und sich keiner mehr traut. Also was ist da zu vermuten oder was ist da die Stoßrichtung?

Also die Geschäftsführerin hat sehr kenntlich gemacht, dass sie mit den anderen beiden Betriebsräten der beiden anderen Gewerkschaften sehr gut zusammenarbeitet. Die sind tatsächlich aber auch nicht verdi-gebunden. Die sind in einer anderen Organisation.

Ob das jetzt gelbe Listen sind, sei mal dahingestellt. Dafür kenne ich die Kolleginnen noch nicht gut genug. Aber ich gehe schon fest davon aus, dass die Geschäftsführerin sich andere Kandidatinnen und Kandidaten erwünscht, die wahrscheinlich eher in ihrem Geiste als Betriebsräte agieren. Dass dort kein Betriebsrat vor Ort sein sollte, das wird nicht passieren, das kann ich mir nicht vorstellen. Aber ich gehe schon davon aus, dass wir eine Gegenliste haben werden.

Ah ja, okay… Na gut, dann danke ich dir jetzt erstmal für den Einblick und halte uns auf dem Laufenden! Und wenn es irgendwie Möglichkeiten gibt, euch zu unterstützen, würden wir das auch tun und auch weiterleiten.

Quellen

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