Auf ihrem Bumble-Profil steht Lisa Mümmlers Sehbehinderung nur indirekt. „Ich kann Spagat, ich kann Klingonisch und mein Hund ist ein Assistenzhund“, ist dort zu lesen. Eine dieser Aussagen ist eine Lüge. Welche, soll hier nicht verraten werden. Was aber stimmt: Ihr Goldendoodle Harry hilft der 35-Jährigen im Alltag.
Sie hat eine degenerative Netzhauterkrankung. Sie sieht nur fünf bis zehn Prozent, je weniger Licht, desto besser. „Deswegen lerne ich neue Wege nachts“, sagt sie. Oder sie trifft sich abends mit Dates. Weil die dann gar nicht bemerken, was sie nicht sieht.
Zumindest hat sie das früher so gemacht. Heute schreibt sie beim Online-Dating vor dem Treffen, dass sie eine Sehbehinderung hat. „Ich fühle mich wohler, wenn ich das vorher anspreche“, sagt sie. Sonst habe sie das Gefühl, sie verstecke einen Teil von sich.
Unterschiedliche Reaktionen auf ihre Sehbehinderung
Doch das ist keine leichte Abwägung: „Wenn man die Sehbehinderung zu früh erwähnt, kommen die Klischees“, sagt sie. Es ärgert sie, dass manche sich nicht einmal ein Bild machen wollen, sie sogar für einen Pflegefall halten. „Ich komme mit meinem Leben besser klar als manche, die gut sehen“, sagt sie.
Die Reaktionen auf ihre Sehbehinderung seien beim Dating unterschiedlich. Ein Mann habe in seinen Nachrichten so aufgeklärt gewirkt, dass sie dachte: „Mit dem kannst du auf jeden Fall darüber reden.“ Doch es kam nur zurück, er wäre damit wahrscheinlich überfordert. Ein anderer sei total neugierig geworden, als sie ihm von ihrer Sehbehinderung erzählte. Er habe insgesamt toll reagiert. „Aber am Ende hat es halt nicht gefunkt“, sagt sie.
Ähnliche Erfahrungen hat Helmut Glaser gemacht. Der 82-Jährige hat vor einigen Jahren online nach der Liebe gesucht. Auch er habe vor dem ersten Treffen von seiner Blindheit erzählt. „Bei manchen war’s okay, andere haben sich abgewandt“, sagt er.
Oft habe er die Dates nach Hause eingeladen. „Viele denken vielleicht, der bekommt nix hin, weil er blind ist“, sagt er. Doch er verwalte sein Haus selbst, koche und backe ohne Hilfe. „Dann sehen die Leute, der kriegt doch was auf die Reihe.“
Treffen am liebsten an belebten Orten
Lisa Mümmler trifft die Dates am liebsten dort, wo andere Menschen sind. Auch wenn sie sich an den Orten auskennt, ist das kein Fehler. Sicherheit sei für sie als Frau mit Sehbehinderung doppelt wichtig. Dabei hilft natürlich auch ihr Hund. „Er sieht zwar süß aus, aber er hat Zähne.“
Sie nutzt die App Bumble fürs Dating. Doch so richtig barrierefrei ist die Plattform nicht. In ihrem Handy hat sie die Schrift extragroß eingestellt. Das wird in vielen Apps einfach übernommen, bei Bumble nicht. Auch wenn sie die Bilder sehen will, muss sie jedes Mal die Einstellungen in ihrem Handy ändern. Dass sich das ändert, würde sie sich wünschen. Bumble hat sich auf unsere Anfrage dazu nicht gemeldet.
Auch Helmut Glaser hatte Probleme mit seinen Plattformen. „Häufig waren Captcha ein Problem“, sagt er. Dabei muss man verwischte Zahlen und Buchstaben erkennen und sie zur Verifikation in ein Feld eingeben – für Helmut Glaser schwierig. Er habe sich beschwert, dann wurde es besser. Inzwischen ist er nicht mehr auf der Suche. Er hat eine Partnerin gefunden – über Freunde.
Lisa Mümmler sucht weiter. Was für sie die kuriosesten Erlebnisse beim Dating waren? Die Fragen, sagt sie. „Siehst du mich überhaupt?“, gehöre zu den Klassikern. Einmal habe ein Date gefragt, wie sie Sex hat. „Ich nehme natürlich meinen Langstock, damit ich fühlen kann, wo der andere liegt“, sagt sie und lacht.