Standdatum: 12. November 2025.

Autorinnen und Autoren:
Steffen Hudemann

Ein Richter hält Prozessunterlagen (Symbolbild)

Das Urteil im Prozess um den in der Bremer Neustadt getöteten Marco W. ist jetzt rechtskräftig. (Symbolbild)

Bild: dpa | Volker Hartmann

Sie erstickten ihren Vermieter Marco W. mit einer Tüte und zerstückelten die Leiche. Rund fünf Jahre nach der Tat hat der Bundesgerichtshof über die Revisionen von zwei Angeklagten entschieden.

Der Hauptangeklagte muss wegen Totschlags für 12 Jahre und 6 Monate ins Gefängnis, ein zweiter Mann wegen Beihilfe dazu für 5 Jahre und 6 Monate. Ihre Revision gegen das Urteil hat der Bundesgerichtshof verworfen, teilte der BGH am Mittwoch mit. Der Freispruch für den dritten Angeklagten war schon zuvor rechtskräftig geworden. Das Urteil des Landgerichts Bremen aus dem Juni 2024 kann somit nicht mehr angefochten werden.

Der Fall war aus gleich mehreren Gründen bemerkenswert. Zunächst hatte das Opfer monatelang als vermisst gegolten. Nachdem die drei später angeklagten Männer ins Visier der Polizei geraten waren, gruben Ermittler auf der Suche nach Leichenteilen einen ganzen Acker nahe der Autobahn 1 bei Posthausen um. Die Bilder dieser Suche sorgten im Oktober 2021 für großes Aufsehen.

Die Suche in Posthausen blieb allerdings erfolglos. Später wurden dann Teile der Leiche in einem Waldstück bei Gyhum im Landkreis Rotenburg gefunden. Große Teile der Leiche sind bis heute verschwunden.

Grobe Fehler von Polizei und Staatsanwaltschaft

Und noch etwas erschwerte die Aufklärung: Bei der Befragung der Beschuldigten unterliefen Polizei und Staatsanwaltschaft grobe Fehler. So wurde einer der Verdächtigen über Stunden ohne Anwalt vernommen, obwohl er mehrmals nach seinem Verteidiger verlangte. Außerdem wurde ihm suggeriert, er sei als Zeuge zur Aussage verpflichtet. Tatsächlich wurde er von den Ermittlern zu dem Zeitpunkt längst als Beschuldigter geführt. Als solcher hätte er das Recht gehabt, die Aussage zu verweigern.

Aufgrund dieser Täuschung erklärte das Bremer Landgericht das Geständnis des Angeklagten, das er in dieser Vernehmung ablegte, im Prozess für nicht verwertbar. Was genau sich im Haus in der Bremer Neustadt, in dem Marco W. zu Tode kam, genau abspielte, konnte dadurch nie ganz geklärt werden.

Monatelanger Indizienprozess

Erst nach einem monatelangen Indizienprozess kam die Schwurgerichtskammer des Landgerichts zur Überzeugung, dass zwei der Angeklagten für den Tod von Marco W. verantwortlich sind.

Auch wenn das Urteil Bestand hat, haben Polizei und Staatsanwaltschaft aus der pannenreichen Ermittlung nun Konsequenzen gezogen. Das ist das Ergebnis einer internen Arbeitsgruppe, die der leitende Oberstaatsanwalt Janhenning Kuhn unmittelbar nach dem Urteil im Studio von buten un binnen angekündigt hatte.

Ermittlungseifer und fehlende Vorbereitung

„Wir müssen jeden Fehler, der passiert, ernst nehmen und daraus Handlungsempfehlungen ziehen“, so Kuhn heute. Demnach waren im Fall Marco W. offenbar übermäßiger Ermittlungseifer und fehlende Vorbereitung Ursachen für die schief gelaufene Vernehmung, in der elementare Verfahrensrechte des Beschuldigten verletzt wurden.

Nun sollen sowohl Dezernenten der Staatsanwaltschaft als auch Kriminalpolizisten gemeinsam für schwierige Vernehmungssituationen besser geschult werden. Ziel sei es „handlungssicherer zu werden, was das rechtliche, aber auch das psychologische und taktische Geschehen betrifft“, sagt Kuhn. Außerdem müsse die Staatsanwaltschaft besser auf „dynamische Ermittlungsgeschehen“ vorbereitet sein, um sich von diesem Geschehen nicht „mitreißen zu lassen“.

Kriminalpolizei müsse „Dinge künftig anders machen“

Auch die Polizei hat Konsequenzen gezogen, sagt die Leiterin des Landeskriminalamtes Petra van Anken. Der Fall habe gezeigt, „dass wir in der gesamten Kriminalpolizei Dinge künftig anders machen müssen“. Wie bei der Staatsanwaltschaft soll das durch Fortbildungen geschehen: „Wir müssen mehr machen, um Grundlagen zu schaffen, dass meine Ermittlerinnen und Ermittler wissen, wo sind eigentlich die Grenzen in einer Vernehmung.“

Ein weiterer Grund für die Fehler sei aus Sicht der Polizei die Überlastung des zuständigen Kommissariats, insbesondere wenn mehrere herausragende Ermittlungen gleichzeitig geführt werden müssten. „Dafür werden wir in Zukunft mehr Personal dort einbringen“, so van Anken.

Persönliche Konsequenzen allerdings hatten die Rechtsverstöße für die ermittelnden Beamten offenbar keine. Die rechtliche Prüfung habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 12. November 2025, 19:30 Uhr