Die Geschichte von „Cindy & Zoa“ hat Reine Dibussi in einer erfundenen Stadt und einem fiktiven zentralafrikanischen Staat angesiedelt. Es geht um zwei junge Frauen, die zusammen in einer WG wohnen und irgendwann feststellen, dass sie sich ineinander verliebt haben. Dibussi selbst lebt in Frankreich und stammt aus Kamerun. In ihrem afrikanischen Herkunftsland wollte sie die Geschichte nicht spielen lassen – und könnte sie dort auch nicht veröffentlichen, so die Autorin: „In Kamerun ist Homosexualität illegal.“

Auch in ihrem Comic ringen die Studentinnen darum, wie sie mit ihrer Liebe umgehen sollen. Offen leben dürfen sie ihre Beziehung nicht, auch wenn gleichgeschlechtliche Liebe in ihrem fiktiven Staat nicht verboten ist. Hätte jemand gesehen, wie zwei Frauen sich küssen, wären sie womöglich gelyncht worden, überlegt eine der beiden Heldinnen: „Obwohl das hier nicht mehr strafbar ist, sind Leute wie ich noch lange nicht sicher.“

Vorbilder sind gefragt

In der Ausstellung „Sheroes – Comic Art from Africa“ des Weltkul­turen Museums in Frankfurt stellt Dibussi ihren Comic vor, der Teile ihrer eigenen Erfahrungen spiegele. Sie sei schwarz, eine Frau und außerdem auch noch queer. Sie sei gewarnt worden, es sei kompliziert, diese Themen alle auf einmal in einem Comic unterzubringen, sagt sie. Genau deshalb seien Identifikationsfiguren nötig, „für Menschen wie mich“. Für sie habe sie den ersten Comic über afrikanische queere Frauen veröffentlicht. „Wie leben wir unser Leben?“ Das habe sie zeigen wollen.

Kämpfen für ein anderes Afrika: Die „Moongirls“ (2016) von Akosua Hanson streiten gegen das Patriarchat, gegen Neokolonialismus und Homophobie.Kämpfen für ein anderes Afrika: Die „Moongirls“ (2016) von Akosua Hanson streiten gegen das Patriarchat, gegen Neokolonialismus und Homophobie.Weltkulturen Museum

Neue Perspektiven eröffnen die Comic-Autorinnen und Illustratorinnen der Ausstellung, zeigen das Leben endlich einmal auch aus afrikanischer und aus weiblicher Sicht: mit ihren Heldinnen, den „Sheroes“, wie das aus den Worten „she“ und „heroes“ zusammengesetzte Wort schon verrät.

Von Männern geprägt

Lange seien Comics von der amerikanischen, europäischen und japanischen Kultur dominiert worden, sagt Kuratorin Julia Friedel. Und von Männern geprägt: „Jetzt stehen die Heldinnen im Vordergrund.“ Seit einigen Jahren gebe es immer mehr afrikanische Comicautorinnen und Zeichnerinnen. Mit Start-up-Studios, digitalen Plattformen und Comic-Festivals in Afrika bedienten sie eine steigende Nachfrage.

Zu bieten haben sie vielfältige, neue Geschichten, phantasievoll, aufregend und verrückt, mit Heldinnen, die klug und stark sind oder auch einmal verletzlich. Mal geht es um Superheldinnen, die gegen Umweltkatastrophen und soziale Ungerechtigkeit kämpfen wie die „Moongirls“ der Schriftstellerin und Multimedia-Künstlerin Akosua Hanson, deren junge schwarze Protagonistinnen von realen Aktivistinnen in Ghana inspiriert sind.

Invasion der Außerirdischen: In „Zufan“, 2023, wehrt sich die Präsidentin der African Alliance gegen Kolonialisierungsversuche des Planeten Mero.Invasion der Außerirdischen: In „Zufan“, 2023, wehrt sich die Präsidentin der African Alliance gegen Kolonialisierungsversuche des Planeten Mero.Weltkulturen Museum

Oder eine Heldin mit Krücken steht im Vordergrund: Farida Bedwei, eine ghanaische Software-Ingenieurin und Autorin, leidet an Zerebralparese, einer Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit, hat aber ihre ebenfalls eingeschränkte Heldin in dem Comic „Karmzah“ mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet: Ein Zauberer hat ihren Krücken Superkräfte verliehen.

Poppig und farbenfroh

Werke von rund zwanzig Künstlerinnen, unter ihnen wenige Künstler, sind in der Ausstellung zu sehen. Jede afrikanische Comicautorin wird mit einer kurzen Biographie und Audiointerviews vorgestellt, neben Auszügen aus ihrem Werk und großen Comic-Bildern an der Wand und Figuren, die einen mit großen Augen anschauen. Das sieht poppig aus, farbenfroh und einladend. Nicht umsonst gelten Comics als nicht elitär und jugendlich.

In der Ausstellung gibt es einen Lesesaal, der ohne Eintritt zugänglich ist – dort kann man in Ruhe stöbern und auch wiederkommen. Denn ob es um Abenteuer, Liebe, historische Ereignisse oder Politik geht – mit ihrer Kombination aus Bild und Text sind Comics zugänglicher als das gedruckte Wort allein, so Kuratorin Friedel. Und ein Comic sei, weil das recht kostengünstige Medium wenig Equipment zur Herstellung erfordere, auch einfacher zu produzieren als zum Beispiel Videospiele oder Filme.

Lange Tradition des Erzählens

Dass es in Afrika eine lange eigene Tradition des visuellen Erzählens gibt, auch darauf verweist die Schau. An die äthiopischen Manuskripte, die Sensuls, die seit dem späten 15. Jahrhundert religiöse Geschichten in Bild und Text erzählen, knüpft Beserat Debebe mit dem Begriff Sensi’il für Comics an. Zur Welt gekommen und aufgewachsen ist er in Addis Abeba, er habe sich schon als Kind für Fantasy-Geschichten interessiert, sagt er. In den USA lernte er Comics, Graphic Novels und Mangas kennen.

Außerirdische gegen African Alliance

Irgendwann habe er den Mut gefasst, die Geschichten zu erschaffen, die er schon immer habe sehen wollen: „Erzählungen, die sich mit der Geschichte und Mythologie Afrikas auseinandersetzen.“ In seinem Comic „Zufan“ bedrängen zwar Außerirdische die Menschen auf der Erde, die Science-Fiction-Story, in der sich die Präsidentin der African Alliance gegen die Gesandten des Planeten Mero wehrt, bezieht sich aber auf ein wichtiges Kapitel in der Geschichte Äthiopiens, den Widerstand Kaiser Meneliks II. gegen die Kolonialisierungsversuche Italiens im 18. Jahrhundert.

Vorbilder sind also gefragt, Mutmacherinnen, die auch im Alltag zur Identifikation taugen. Wie die Figur Ébène Duta, eine Studentin aus Kamerun in Brüssel, deren Leben Joëlle Épée Mandengue in ihrem ersten, durch Crowdfounding finanzierten und 2016 veröffentlichten Comic schildert. Mandengue erzählt von den tagtäglichen Missverständnissen, die es interkulturell gibt, mit Humor. Und lacht auch selbst viel.

KI-Artikelchat nutzen

Mit der kostenlosen Registrierung nutzen Sie Vorteile wie den Merkzettel.
Dies ist
kein Abo und kein Zugang zu FAZ+
Artikeln.

Sie haben Zugriff mit Ihrem Digital-Abo.

Vielen Dank für Ihre Registrierung




Wahrscheinlich, weil sie einige der geschilderten Szenen selbst erlebt haben könnte. Immerhin stammt sie, wie ihre Heldin, aus Kamerun und hat in Belgien studiert. Es sei ihr wichtig, dass man miteinander ins Gespräch komme, sagt sie: „Wir sollten uns gegenüber denen öffnen, die wir nicht kennen.“ Andere, Fremde kennenlernen: Die Comics öffnen den Weg hierzu.

■ Sheroes – Comic Art from Africa Weltkulturen Museum, Schaumainkai 29-37, Frankfurt, bis 30. August 2026