So selbstverständlich komponierende Frauen in der zeitgenössischen Musikszene anerkannt werden, so lange mussten Komponistinnen früherer Epochen auf die ihnen gebührende Wertschätzung warten. Zu den mittlerweile vielen Interpreten und Interpretinnen, die sich dieses Themas mit Hingabe widmen, gehört auch die belarussische Pianistin Evgenia Nekrasova, die mit ihrem neuen Album den Blick auf französische Komponistinnen des frühen 20. Jahrhunderts richtet.

Wobei das Geschwisterpaar Lili und Nadia Boulanger und Germaine Tailleferre keine unbekannten Namen sind. Was aber nichts daran ändert, dass ihre Werke im Konzertalltag eher selten zu hören sind. Lili Boulanger (1893-1918), die früh mit 25 Jahren verstarb, wegen ihres kleines Repertoires, während sich ihre Schwester Nadia (1887-1979) in ihrem langen Leben vornehmlich als gefragte Pädagogin einen Namen machte und von Astor Piazzolla bis Phil Glass ganze Heerscharen namhafter Komponisten geprägt hat. Und Germaine Tailleferre (1892-1983) hat es zwar als einzige Frau in die renommierte „Groupe de Six“ um Arthur Honegger, Darius Milhaud und Francis Poulenc geschafft, konnte aber nie so recht aus dem Schatten der männlichen Kollegen hervortreten.

Evgenia Nekrasova: „Vers la Vie Nouvelle“, Werke von Boulanger, Poulenc, Ars Production  Foto: Ars Production

Umso aufschlussreicher ist die Zusammenstellung unterschiedlicher Werke der Damen, die die in Bonn ansässige Pianistin unter dem Titel eines Werks von Nadia Boulanger „Vers La Vie Nouvelle“ (Hin zu einem neuen Leben) vorlegt. Die meisten Stücke entstanden in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts und bewegen sich im impressionistischen, von Wagners Einflüssen befreiten Umfeld, in dem sich die Vertreterinnen stilistisch abwechslungsreich, aber durchweg hypersensibel ausdrücken.

Ein Merkmal, das Evgenia Nekrasova mit feinem Anschlag, großer innerer Ruhe und viel Sinn für klangliche Farbigkeit zum Tönen bringt. Ebenso wie die vier Miniaturen von Francis Poulenc (1899-1963), die manche stilistische Überraschung bereithält. Ein hörenswerter Beitrag zur Anerkennung dieser Frauen. Allerdings nur auf dem Klavier. Die Entdeckdung ihrer Orchester- und sonstigen Werke wird wohl noch auf sich warten lassen.

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