Regierungskrise

Warum Frankreich die Rentenreform bis 2028 vorerst stoppt

Die Nationalversammlung hat den umstrittenen Anstieg des Rentenalters ausgesetzt. Eine ungewöhnliche Allianz aus Sozialisten, Grünen und Rechtsextremen ermöglichte die Entscheidung – ein politischer Rückschlag für Präsident Macron.

Sie war das am härtesten umkämpfte politische Projekt der vergangenen Jahre in Frankreich. Monatelang gingen Millionen Menschen gegen die Rentenreform auf die Straße und legten mit Streiks das Land lahm. Dennoch ließ Präsident Emmanuel Macron sie 2023 am Parlament vorbei durch einen Sonderparagrafen der Verfassung durchsetzen. Doch den Machtkampf gewann er damals nur vorläufig.

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Am Mittwochabend stimmte die französische Nationalversammlung für die Aussetzung der Reform bis Januar 2028. Ohne neuerlichen Beschluss wird danach die schrittweise Heraufsetzung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre und die Erhöhung der für eine Vollrente notwendigen Beitragsjahre auf 43 Jahre wieder fortgesetzt.

Ungewöhnliche Allianz

Der aktuelle Stopp betrifft die Generation der 1964 Geborenen. Sie können mit 62 Jahren und neun Monaten anstatt 63 Jahren in Rente gehen. Möglich machte dies eine ungewöhnliche Allianz aus Sozialisten, Grünen und Rechtsextremen. Viele Abgeordnete der Regierungsparteien enthielten sich, um eine schwere politische Krise abzuwenden. Ein Teil von ihnen stimmte dagegen, ebenso wie eine Mehrheit der Republikaner, die Kommunisten und die Linkspartei LFI (La France Insoumise). Letztere forderte eine gänzliche Rücknahme der Reform und warf der Regierung den Versuch vor, sich mit einem „faulen Trick“ an der Macht zu halten.

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Auf Hauptbedingung der Sozialisten eingegangen

Tatsächlich war Premierminister Sébastien Lecornu, ein enger Vertrauter Macrons, auf die Hauptbedingung der Sozialisten eingegangen, damit diese sich nicht an den Misstrauensvoten der anderen Oppositionsparteien gegen ihn beteiligten. Die Regierung hat keine Mehrheit in der Nationalversammlung. Ein Sturz Lecornus hätte wohl neue Parlamentswahlen nach sich gezogen. In diesem Fall wäre ein Budget mit Sparmaßnahmen zur Verringerung des hohen Defizits nicht mehr in diesem Jahr beschlossen werden. Die Kosten für die Krise wären Experten zufolge noch deutlich höher gewesen als jene für die Aussetzung der Rentenreform. Diese schätzte die Regierung auf 300 Millionen Euro im nächsten Jahr und knapp zwei Milliarden in 2027.

Angesichts der Alterung der Gesellschaft und des zunehmenden Ungleichgewichts zwischen Arbeitnehmern und Pensionierten bleibt aber fraglich, wie das Rentensystem dauerhaft abgesichert werden und ein wachsendes Milliardenloch in der Kasse verhindert werden kann. Doch Macrons Argument, er wolle das Umlagesystem mittel- und langfristig retten, lehnte eine Mehrheit der Bevölkerung ab. Auch aktuell sprechen sich 73 Prozent für die Aussetzung der Reform aus.