Das Leipziger Landgericht setzte am Donnerstag, dem 13. November, den Prozess gegen Marcus L. fort –weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der frühere Manager wird als mutmaßlicher Serientäter beschuldigt, unter anderem für eine Reihe von Sexualdelikten verantwortlich zu sein. Darunter fällt auch die Misshandlung und Vergewaltigung einer damals 69 Jahre alten Joggerin im Rosental am 31. August 2017. Doch wie genau er sich Marcus L. zu diesem gravierenden Vorwurf äußert, bleibt vorerst unklar.
Führte er ein jahrelanges Doppelleben?
Den Saal des Leipziger Landgerichts betritt er mit Justizbeamten und Handschellen, er trägt weiße Sneaker, wirkt auf den ersten Blick freundlich, ruhig, gepflegt. Aber sofern es zutrifft, was die Anklage dem 33 Jahre alten Marcus L. vorwirft, so müsste er bis zu seiner Verhaftung 2025 ein schockierendes Doppelleben geführt haben.
Jenseits seiner bürgerlichen Fassade wird der zuletzt im Management tätige Mann unter anderem mit einer Reihe von Sexualstraftaten in der Öffentlichkeit in Verbindung gebracht. Sein Umfeld ahnte vor der Festnahme nichts von dem üblen Verdacht: „Wir waren völlig perplex“, sagt jemand, der angibt, Marcus L. schon lange zu kennen, gegenüber der LZ.
Brutaler Überfall im Rosental sorgte für einen Schock
Wie zum Prozessauftakt berichtet, legt die Leipziger Staatsanwaltschaft dem Leipziger eine Reihe von Übergriffen seit dem 20. April 2016 zur Last. Damals soll er eine nackt badende Frau (37) am Nordstrand des Cospudener Sees gepackt und im Intimbereich berührt haben. Am 1. März 2017 habe Marcus L. eine 59-Jährige auf deren Nachhauseweg in der Bernburger Straße durch Faustschläge zu Boden gestreckt, teilweise entkleidet und wiederum im Intimbereich angefasst.
Auch attackierte Marcus L. laut Anklage am 14. August 2017 eine Joggerin (43) und eine Spaziergängerin (82) im Rosental, an denen er sich ebenfalls vergangen habe. 17 Tage danach folgte die Tat, die in der Öffentlichkeit den größten Schock auslöste: Eine Joggerin (69) war auf ihrer Laufrunde im Bereich der Hundewiese gegen 09:20 Uhr laut Aktenlage von hinten gepackt, mit der Faust ins Gesicht geschlagen und wortlos vergewaltigt worden.
Die große Wiese im Rosental, unweit des Tatorts, wo sich am 31. August 2017 die Vergewaltigung ereignete. Foto: Lucas Böhme
Der Täter ließ sein blutendes und lebensgefährlich verletztes Opfer danach zurück, die 69-jährige Seniorin musste notoperiert werden, litt infolge der brutalen Tat neben den psychischen Folgen an Sehstörungen. Der Fall löste eine umfassende Sicherheitsdiskussion aus, zumal die Polizei Frauen offiziell dazu riet, nicht mehr allein laufen zu gehen.
Vergewaltigungsvorwurf abgestritten
Doch genau in diesem Fall bleibt es vorerst unklar, wie sich Marcus L. äußert: Zwar hatte sein Verteidiger Martin Radowsky ein Geständnis angekündigt. Was den Vorwurf der Vergewaltigung im Rosental betrifft, so werde Marcus L. aber bei dem bleiben, was er gegenüber der Polizei äußerte. Hier soll er geltend gemacht haben, dass der Ablauf des Geschehens von der Annahme der Ermittler abweicht: Es habe einen Übergriff gegeben, eine Vergewaltigung jedoch nicht. Zudem habe er zum Zeitpunkt der Tat unter dem Einfluss zweier Pillen gestanden, so der Verdächtige. Um welche Substanz es sich handeln soll, ist unbekannt.
Am Donnerstag räumte Marcus L. im Landgericht zunächst ein, dass er, alkoholisiert von Bier, Schnaps und Cocktails, auf dem Heimweg von einer Betriebsfeier den Außenspiegel eines PKW abtrat – das war 2023. Besonders bizarr: Fast zwei Jahre zuvor, Ende August 2021, stahl der damals 29-Jährige den Inhalt eines Rucksacks auf einem Parkplatz am Schladitzer See, auf einem BH fanden sich seine Spermaspuren. Auch dies gab der Angeklagte zu.
Eine Erklärung für diese Spur habe er nicht. Auch nicht für die Diebstahlshandlungen als solche, so der mutmaßliche Serientäter auf Nachfragen von Richterbank und Staatsanwalt: „Ich habe in dem Moment einfach eine Gelegenheit gesehen. Ich habe mir nichts dabei gedacht“, sagte er mit leiser Stimme.
Verhandlung teils ohne Öffentlichkeit, Angeklagter beibt in Haft
Für einen Teil von Marcus L.s Aussage vor Gericht, die seinen privatesten Lebensbereich betrifft, schloss die 6. Strafkammer am Donnerstag Presse und Öffentlichkeit aus dem Gerichtssaal aus. Auch die konkreten Vorwürfe zu den Sexualdelikten werden hinter verschlossener Tür erörtert.
Marcus L. war im Frühjahr 2025, mithin fast acht Jahre nach dem Vergewaltigungsfall, bei einem Baumarkt-Einbruch von der Polizei gestellt worden. Zur Überraschung der Ermittler spuckte ein DNA-Abgleich brisante Treffer aus, der mutmaßliche Täter kam in Untersuchungshaft.
Mit einem Antrag von letzter Woche, den Haftbefehl auszusetzen, hatte die Verteidigung keinen Erfolg. Marcus L. habe ein Kind, sein Vater sei schwer erkrankt und in der JVA habe er wegen der Presseberichterstattung Probleme bekommen, so die vergebliche Argumentation seines Anwalts. Der Prozess soll am 25. November fortgesetzt werden, mit einem Urteil wird derzeit kurz vor Weihnachten gerechnet.