Amerika zuerst – das ist das Erste, was aus dem Datensatz zu sogenannten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in Afrika hervorsticht. Seit 2012 hatte stets China die Nase vorn und investierte kontinuierlich, während US-Firmen in manchen Jahren sogar mehr Kapital zurückholten, als sie nach Afrika verlagerten. Die Zahlen von 2023 bieten ein anderes Bild: US-Unternehmen investierten knapp acht Milliarden US-Dollar in Afrika – und damit fast doppelt so viel wie ihre Wettbewerber aus China.
Wie sich die Lage seitdem entwickelte, geht aus dem im Mai veröffentlichten Datensatz der China Africa Research Initiative (CARI) der Johns-Hopkins-Universität noch nicht hervor. Denn auch die nationalen Regierungen sowie die UN-Handels- und Entwicklungsorganisation UNCTAD brauchen Zeit, um die Statistiken auszuwerten und valide Aussagen zu treffen. Schließlich können unbereinigte Zahlen zu ausländischen Direktinvestitionen durchaus tückisch sein: Im aktuellen UNCTAD-Bericht tauchen als größter Investor in Afrika ausgerechnet die Niederlande auf. Als sogenannter „Conduit“- oder Durchleitungsstaat stehen die Niederlande häufig in der Mittelposition eines komplizierteren Finanzgeflechts, wobei das Kapital ursprünglich aus anderen Ländern kommt.
Umso gespannter dürften Analysten weltweit auf neue Zahlen warten. Denn die wirtschaftliche Rivalität zwischen den USA und China verschärft sich – und in jüngerer Vergangenheit gab es einige Beispiele für potenziell folgenreiche Investitionen in Afrika.
Amerika investiert gewinnorientiert, China strategisch
Haben die USA wirklich China als größten Investor in Afrika „überholt“, wie es jüngst in Medienberichten zu lesen war?
„Wenn man sich die Grafik ansieht, bemerkt man sofort die Schwankungen, das sind regelrechte Zuckungen“, sagt James Shikwati, Gründer und Direktor des Inter Region Economic Network (IREN) in Kenias Hauptstadt Nairobi. „Amerika schießt hoch und taucht wieder ab, hin und her. Und das liegt einzig daran, dass es ein profitorientierter Ansatz privater Investoren ist. Das sind Privatunternehmen, die das Geld nicht für Wohltätigkeit ausgeben“, sagt Shikwati im Gespräch mit der DW. Im Unterschied dazu stehe hinter chinesischen Direktinvestitionen letztendlich die Regierung, die langfristige strategische Ziele verfolge.
US-Firmen errichten in Afrika Tech-Hubs mit hoch qualifizierten Kräften; chinesische Firmen brauchen vor allem Arbeiter für Infrastrukturprojekte – wie hier beim Bau einer Öl-Pipeline in Niger 2022Bild: Boureima Hama/AFP/Getty Images
Die Dependancen in afrikanischen Ländern unterschieden sich auch beim Einsatz lokaler Arbeitskräfte, sagt Shikwati: So setzten amerikanische Unternehmen auf gut ausgebildete Kräfte, die ihre Investitionen in Profit verwandeln könnten. „Dadurch profitiert Afrika von den gut ausgebildeten Afrikanern, die Jobs benötigen. Die chinesische Seite braucht vor allem Arbeiter im praktischen Bereich und spricht diesen Teil der Bevölkerung an. Afrika profitiert von beidem“, stellt Shikwati klar.
Afrika stemmt sich mit Zöllen gegen Rohstoff-Ausbeutung
Wovon Afrika bislang hingegen nur unzureichend profitiert, ist sein Reichtum an kritischen Rohstoffen: Sie werden häufig unverarbeitet exportiert; die eigentliche Wertschöpfung findet in anderen Weltregionen statt. Die Afrikanische Union hat vor knapp einem Jahr ihre „Strategie für grüne Rohstoffe“ vorgestellt, die Exportzölle in Höhe von zehn Prozent vorsieht. So sollen Länder am eigentlichen Wert der Bodenschätze beteiligt werden – oder Investoren dazu ermutigt, sie direkt in Afrika zu veredeln.
Wirtschaftliche Rivalen: US-Präsident Donald Trump im Oktober mit Chinas Staatschef Xi JinpingBild: Young Ho/Yonhap/Sipa USA/picture alliance
Der Kontinent stellt den überwiegenden Teil der weltweit geförderten Mengen an Platin, Kobalt, Tantal und Mangan. Der Bergbausektor ist traditionell eine Branche mit besonders hohen ausländischen Direktinvestitionen. Westliche Unternehmen haben ihre Aktivitäten besonders in politisch heiklen Abbauländern zurückgefahren. Zugleich hat sich China durch stetige Investitionen vielerorts unentbehrlich gemacht.
China investiert Milliarden in afrikanische Minen
„Die Erfahrungen in Afrika zeigen, dass China weder politische noch wirtschaftliche Instabilität scheut“, sagte Jimmy Munguriek, Jurist und Landesdirektor der NGO Resource Matters in der DR Kongo, im September der DW. „China investiert, und deshalb werden heute viele Bergbausektoren in Afrika, insbesondere in der Demokratischen Republik Kongo, weitgehend von chinesischen Unternehmen kontrolliert.“
Simbabwe hat eines der größten Lithium-Vorkommen weltweit – und China schafft Kapital und Infrastruktur herbei, um sie auszubeutenBild: Tsvangirayi Mukwazhi/AP Photo/picture alliance
Allein 2023 investierte China laut Zählungen des US-Thinktanks Brookings Institution fast acht Milliarden Dollar in Afrika; unter anderem für Lithium-Projekte in Simbabwe und Mali. Diese Einzelinvestitionen lassen sich allerdings nur bedingt mit den von CARI ausgewiesenen FDI-Flüssen vergleichen, die das Saldo aller Kapitalbewegungen ausländischer Investoren ausdrücken. Besonders hohe Einzelinvestitionen entfielen demnach auf Kupfer-Projekte in Botswana und der Demokratischen Republik Kongo.
Trump: Wir verlagern uns von Hilfe auf Handel
Dabei mehren sich die Hinweise, dass auch die USA zunehmend strategisch statt rein profitorientiert auf die Rohstoffvorkommen Afrikas blicken. 2019, während Donald Trumps erster Amtszeit als US-Präsident, entstand die U.S. International Development Finance Corporation (DFC), eine Regierungsbehörde, die die zuvor getrennten Arbeitsbereiche Privatinvestitionen und Entwicklungskredite zusammenführte. Dabei sollen US-Interessen gefördert werden, heißt es unverblümt auf der DFC-Website; so soll „die globale Führung der USA ausgebaut werden und Chinas Präsenz in strategischen Regionen begegnet werden“.
Gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit in diesem Frühjahr ließ Trump dann zahlreiche Entwicklungshilfeprojekte stoppen und entzog der zuständigen Behörde USAID weite Teile ihrer Finanzmittel. Im Sommer versprach Trump bei einem Treffen mit mehreren afrikanischen Staatschefs im Weißen Haus: „Wir verlagern uns von Hilfe auf Handel. Es gibt großes wirtschaftliches Potenzial in Afrika, so viel wie kaum woanders. Auf lange Sicht wird dies in mehrerlei Hinsicht deutlich effektiver und hilfreicher sein als alles andere, was wir tun können.“ Im selben Auftritt gelobte Trump, die USA behandelten Afrika „besser als China oder irgendjemand anderes“.
Im Kriegsgebiet im Ostkongo liegen große Coltan-Tagebaue – die aus Sicht der USA offenbar von strategischer Bedeutung sindBild: Moses Sawasawa/AP Photo/picture alliance
Als Pate des – nach wie vor brüchigen – Friedensabkommens zwischen der DR Kongo und Ruanda hat Trump der US-Wirtschaft bevorzugte Zugänge zu kongolesischen Rohstoffen in Aussicht gestellt. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters von Anfang November ist ein Wirtschafts-Abkommen bereits in trockenen Tüchern und könnte bei einem Treffen der drei Präsidenten unterzeichnet werden. Viele Experten glauben, dass es bei Trumps Engagement in der Region auch darum geht, Chinas Rohstoff-Dominanz etwas entgegenzusetzen.
Neue Spielregeln
Dass China heute derart stark im Bereich kritische Rohstoffe ist, hängt auch mit der Belt and Road Initiative (BRI) zusammen; einem globalen Infrastrukturprojekt aus Häfen, Straßen und Bahnlinien, das mancherorts überhaupt erst Transportwege für die Rohstoffe erschlossen hat. „Sie schauen sich Infrastruktur-Strategien grenzüberschreitend an“, sagt Ökonom Shikwati. „Wenn sie etwa eine Eisenbahnlinie in Kenia bauen, geht es nicht darum, Nairobi anzubinden. Sie wollen sie bis in den Kongo ausbauen oder in den Sudan, oder bis zur afrikanischen Westküste.“
Seit 2017 verbindet eine von China errichtete Zugstrecke Kenias Hauptstadt Nairobi mit der Hafen-Metropole Mombasa, erste Abschnitte des Ausbaus ins Hinterland sind bereits in BetriebBild: Dong Jianghui/Xinhua/picture alliance
Shikwati spricht von „neuen Spielregeln“, die die Investoren aus dem Osten mitbrächten, und an die sich die afrikanischen Institutionen, aber auch der Westen, anpassen müssten, um weiter eine Rolle zu spielen.
In den letzten Wochen seiner Amtszeit brachte der frühere US-Präsident Joe Biden noch eine Förderung für den Lobito-Korridor aufs Gleis, ein Projekt, das es durchaus mit Einzelmaßnahmen der BRI aufnehmen kann: Straßen- und Schienenwege verbinden Kongos Kupfergürtel mit Angolas Atlantikküste. Auch die Europäische Union fördert deren Ausbau. Wie groß die Potenziale sind, ließ sich Anfang November Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor Ort erklären, in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation.