Die Antwort ist wie vieles an diesem Abend: überraschend. Wie ihr Verhältnis zur künstlichen Intelligenz aktuell ist – ob sie noch fasziniert sei von der Technik oder vielleicht doch schon erschreckt, ist Hito Steyerl gefragt worden. „Meistens“, gibt sie zurück, „langweilt sie mich.“
Seit 1990 gibt es vom Magazin der Süddeutschen Zeitung jedes Jahr eine besondere Ausgabe: die Edition 46. Ein Heft, das sich einem Künstler oder einer Künstlerin widmet und der Kunst, die diese oder dieser speziell zu diesem Anlass geschaffen hat.
Die Kunst, die Hito Steyerl für das Heft Nummer 46 dieses Jahres schuf, hat viel mit KI zu tun: Die 1966 in München geborene Steyerl gab Fragmente dessen, was sie über das Donaumoos im 18. Jahrhundert recherchierte – der Region, aus der ein Teil ihrer Vorfahren stammt –, als Prompt in eine Bild-KI ein.
Entstanden sind so Werke, die Wissen und Technik transportieren und Bilder skurril komponierter Wesen zeigen: menschenähnlich, mitunter zu Maschinen mutiert, manchmal aber auch noch mit starken Vergangenheitsbezügen.
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:»Ich will, dass man mir zuhört, und da ist ein wütender Tonfall nicht hilfreich«
Hito Steyerl, eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart, hat für das SZ-Magazin exklusive Werke erstellt. Im Interview spricht sie über Mensch, Ding und Drohne – und darüber, warum sie sich nur ungern an das München der Siebzigerjahre erinnert.
SZ PlusInterview: Mareike Nieberding, Fotos: Julian Baumann
Langweilig wirkt das ganz und gar nicht. Aber Hito Steyerl führt im Lenbachhaus bei der Heftpräsentation vor Hunderten Gästen aus: Um von der KI das zu bekommen, was man wolle, seien so präzise Vorgaben nötig, dass quasi „buchhalterische“ Vorarbeiten zwingend seien. Und so, wie sie mit dem verwendeten KI-Programm gespielt habe, sei dies wohl nicht mehr lange möglich.
Die künstliche Intelligenz lernt schnell. In den nächsten Programmversionen lässt sie sich vermutlich nicht mehr so leicht manipulieren. Für ihr nächstes Kunstwerk wendet Steyerl sich jedenfalls einem anderen Zukunftsthema zu: der Frage, wie die Quantentechnologie die Kunst beeinflussen könnte.
Was macht die Technik mit dem Menschen? Das ist das Thema, das in Varianten häufig aufscheint im Gespräch mit Magazin-Redakteurin Mareike Nieberding. Ob der Mensch die Maschine trainiere oder die Maschine die Menschen? Sicher das Zweitere, glaubt Steyerl – und das auch nicht zum ersten Mal: Das Auto und andere Maschinen hätten das Verhalten der Menschen bereits in ihrem Sinne geprägt.
Auf der Bühne im Lehnbachhaus: Hito Steyerl und Redakteurin Mareike Nieberding. (Foto: René Hofmann)
Steyerl wurde 2017 als erste Frau vom britischen Kunstmagazin Art Review zur „einflussreichsten Persönlichkeit im internationalen Kunstbetrieb“ gekürt. Für eine, die sich selbst als gescheiterte Filmemacherin bezeichnet, weil sie die Reihe an Dokumentarfilmen, mit denen sie in den 1990er-Jahren startete, nicht fortsetzte, ist das bemerkenswert.
Das Bundesverdienstkreuz, das sie bekommen sollte, als die Corona-Pandemie ihren Schrecken langsam verlor, hat Steyerl abgelehnt. „Ehrlich, was soll das?“, habe sie sich damals gefragt, erzählt sie auf der Bühne: Was habe sie mit dem Bundespräsidenten zu tun?
„Bavarian High-Tech“ hat sie die Strecke genannt, die fürs SZ-Magazin entstand. Steyerl unterrichtet auch als Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in München. Damit sei sie quasi ein Teil der von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) aufgesetzten bayerischen High-Tech-Agenda, so Steyerl.
Der Abend bietet die seltene Gelegenheit, sie in größerem Rahmen kennenzulernen. Und dabei wird eines klar: Politik und Humor prägen nicht nur ihre Kunst.
