Kiel. Es geht um Haben, Habenwollen und die Frage, ob man sich nehmen darf, was einem nicht gehört: Der Kampf ums Fischbrötchen gehört in Kiel längst zum Stadtbild und lässt sich etwa entlang der Kiellinie bestens beobachten. Kaum hat ein Passant ein knuspriges Fischbrötchen in der Hand, stürzt eine Möwe vom Himmel, entreißt den Matjes und verschwindet mit einem lauten Kreischen. Doch die teils amüsanten Szenen könnten bald etwas viel Unangenehmerem weichen: ohrenbetäubendem Schreien.
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Eine Studie von Forschern der Universität Exeter zeigt auf, dass von drei verschiedenen Abwehrmechanismen lautes Gebrüll die geflügelten Diebe am effektivsten vertreibt. Sollte sich dieser Ratschlag im Norden verbreiten, könnten die ruhigen Tage in der Landeshauptstadt gezählt sein.
Studie zum Verhalten der Möwen: Gebrüll beeindruckt Vögel am meisten
Um das Verhalten der Möwen beim Beutezug zu untersuchen, hat die Forschungsgruppe in neun Küstenorten in Cornwall Fish and Chips aufgestellt und verschiedene Tonaufnahmen abgespielt. Zunächst schrie ein Mann: „Nein, bleib weg. Das ist mein Essen, das ist meine Pastete.“ Danach folgte eine Aufnahme mit denselben Sätzen, allerdings ruhig gesprochen, und als drittes ertönte der Gesang eines Rotkehlchens.
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Das Ergebnis ist deutlich: Beim Gebrüll flogen zehn von 21 Möwen weg, drei liefen weg und acht blieben stehen. Von den 20 Möwen, die ruhig angesprochen wurden, flatterten nur drei weg. Dafür gingen immerhin zehn weg und sieben blieben stehen. Am wenigsten beeindruckte der Gesang der Rotkehlchen die Möwen: 14 der 20 Möwen rührten sich nicht vom Fleck – nur sechs machten sich aus dem Staub.
Müssen Kielerinnen und Kieler nun Angst haben, dass sie nur noch mit Ohropax durch die Innenstadt laufen können, weil das Geschrei wegen diebischer Möwen überhandnimmt? „Nein, Möwen sind sehr intelligente und anpassungsfähige Individuen“, sagt Ornithologe Biger Reibisch. „Sobald die Möwen bemerken, dass das Schreien keine Konsequenzen mit sich zieht, werden sie sich dadurch nicht mehr vergrämen lassen.“
Langzeiteffekte hat die Studie nämlich nicht untersucht. Stattdessen haben die englischen Forscher geprüft, wie Möwen auf unvorhergesehene Umstände reagieren. Der Kampf um das Fischbrötchen wird in Kiel also langfristig weitergehen – ob mit oder ohne Gebrüll.
KN