Als Starbucks 1999 seine erste Filiale in Peking eröffnete, verkaufte das Unternehmen nicht nur Kaffee. In den Läden wurde Chinas wachsender Mittelschicht Geschmack auf westliche Lebensart gemacht, wurde auch der „American Way of Life“ verkauft. Der in Seattle ansässige Konzern expandierte rasant und dominierte den chinesischen Premium-Kaffeemarkt.
Dieser Vorsprung ist jedoch deutlich geschmolzen. Chinesische Konkurrenten wie Luckin Coffee und Manner haben Starbucks in der Anzahl der Filialen überholt und immer mehr Marktanteile gewonnen – dank aggressiver Preisgestaltung und einem besseren Verständnis der chinesischen Konsumgewohnheiten.
Schwindende Marktanteile
Luckin Coffee etwa generiert über 90 Prozent seines Umsatzes über seine App, während Starbucks weiterhin auf Kundenfrequenz in den Filialen angewiesen ist. Die Financial Times berichtete kürzlich, dass Starbucks‘ Umsatz in China zwischen 2021 und 2024 um fast 19 Prozent auf 3 Milliarden US-Dollar (2,58 Milliarden Euro) eingebrochen ist. Laut Euromonitor International ist der Marktanteil des Kaffeerösters in den letzten fünf Jahren von 34 Prozent auf 14 Prozent (2024) gesunken.
Jetzt löschen auch Chinesen Chinas Kaffeedurst: Eine Luckin-Coffee-Filiale in der Hauptstadt PekingBild: TINGSHU WANG/REUTERS
Angesichts dieser Herausforderungen in seinem zweitgrößten Markt kündigte Starbucks diesen Monat an, 60 Prozent seiner Anteile am China-Geschäft an eine in Hongkong ansässige Private-Equity-Gesellschaft zu verkaufen. Der vier Milliarden US-Dollar schwere Deal mit Boyu Capital gründet ein Joint Venture, an dem Starbucks 40 Prozent der Anteile behält.
Parallel dazu gab Burger King diese Woche ein neues Joint Venture mit einem Partner aus Peking bekannt. Das Unternehmen verkaufte eine Mehrheitsbeteiligung für 350 Millionen US-Dollar, um bis 2035 von 1250 auf über 4000 Filialen zu expandieren. Doch nicht nur US-amerikanische Konzerne sind betroffen. Auch der französische Sportartikelhändler Decathlon plant, rund 30 Prozent seines China-Geschäfts zu verkaufen – Marktwert etwa 1,5 Milliarden Euro. Der Druck durch die lokale Konkurrenz nimmt zu.
Chinesische Marken auf dem Vormarsch
Für US-amerikanische Einzelhändler liegt das Problem nicht nur in der sinkenden Nachfrage und dem harten Wettbewerb, sondern auch in der Geschwindigkeit der lokalen Konkurrenten, die neue Produkte schneller auf den Markt bringen und preislich aggressiv agieren. Zudem integrieren sie sich nahtlos in Chinas digitales Ökosystem über mobile Plattformen wie WeChat und Alipay.
Bei einem chinesischen Restaurant kann man mit einer chinesischen Smartphone-App bezahlen – Vorteil ChinaBild: Wang Qiming/HPIC/dpa/picture alliance
„Viele globale Marken haben begonnen, in China an Markenmacht zu verlieren“, erklärte Chenyi Lin, Dozentin an der Insead Business School, gegenüber der DW. „Agilität und Anpassungsfähigkeit sind die neuen Erfolgsfaktoren.“ Hinweise auf den extrem wettbewerbsintensiven chinesischen Konsumgütermarkt liefern unter anderem die 129 Elektrofahrzeugmarken, die über 50.000 Kaffeeketten und die mehr als 400.000 Bubble-Tea-Läden landesweit.
China auf der Überholspur
Lokale Marktführer haben nicht nur den Massenmarkt gesättigt, sondern expandieren nun auch im Premiumsektor und bieten wettbewerbsfähige Preise. Chinesische Anbieter fordern ausländische Unternehmen in den Bereichen Lebensmittel, Mode, Elektronik und Mobilität heraus. Jason Yu, Geschäftsführer von CTR Market Research, erklärte, chinesische Unternehmen hätten früher von den großen multinationalen Konzernen kopiert, würden diese aber nun einholen oder sogar überholen.
China – der mächtige Konkurrent
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„Im Kaffeemarkt beispielsweise bringen lokale Ketten neue Produkte viel schneller auf den Markt als Starbucks, manchmal innerhalb weniger Wochen, während Starbucks monatelang auf die weltweite Zulassung warten muss“, sagte Yu gegenüber der DW.
Chinesische Erfolgsgeschichte
Ein Beispiel für den Erfolg von Joint Ventures ist Yum China – 2016 von der US-amerikanischen Yum! Brands abgespalten, um KFC und Pizza Hut zu betreiben. Durch schnelle Lokalisierung und die Anpassung der Speisekarten an den chinesischen Geschmack ist Yum auf über 14.000 Filialen gewachsen und erwirtschaftet mittlerweile einen Jahresumsatz von rund elf Milliarden US-Dollar.
Analysten wie Yu und Lin erwarten, dass sich dieser Trend verstärken wird, da chinesische Marken global expandieren und gleichzeitig die Dominanz westlicher Marken im Heimatmarkt weiter erodiert.
Das Vertrauen schwindet
Mehrere US-amerikanische Hersteller haben nach der COVID-19-Pandemie ihre globalen Lieferketten neu ausgerichtet. Die Krise hatte die übermäßige Abhängigkeit von einem einzigen Produktions- und Teilelieferanten offengelegt. Apple verlagerte einen Teil seiner iPhone-Produktion nach Indien, während Nike die Fertigung in kostengünstigeren Märkten Südostasiens ausbaute.
Die Lust der Chinesen auf Fastfood – ob amerikanisch oder chinesisch – ist ungebrochenBild: Chen Xiaogen/dpa/picture alliance
Das Vertrauen der US-amerikanischen Wirtschaft in China erreichte ebenfalls einen historischen Tiefstand: Laut einer Umfrage der US-Handelskammer AmCham Shanghai vom September 2025 blicken nur 41 Prozent der Unternehmen optimistisch in die nächsten fünf Jahre.
US-Unternehmen wollen ihre Abhängigkeit von China auch wegen der schwelenden Zollprobleme reduzieren. Dabei sind Joint Ventures eine von mehreren Strategien zur Risikominimierung. Denn chinesische Joint-Venture-Partner verfügten „über das lokale Wissen, die Kontakte und die Ressourcen, um multinationale Marken dabei zu unterstützen, sich stärker mit dem lokalen Ökosystem zu vernetzen, anstatt isoliert zu konkurrieren“, so Yu.
Nachteile von Joint Ventures
Historisch gesehen waren Joint Ventures der Königsweg in den chinesischen Markt – sie waren in den 1990er-Jahren auch gesetzlich vorgeschrieben. Diese Vereinbarungen bergen jedoch Risiken aufgrund uneinheitlicher Regulierungsdurchsetzung, begrenzter Kontrolle über die Geschäftstätigkeit und wegen der ständig drohenden Gefährdung geistigen Eigentums.
Viele US-Unternehmen machten bittere Erfahrungen mit der Verwässerung der Kontrolle, langsameren Entscheidungsfindung und Konflikten mit lokalen Partnern. In den 2000er-Jahren gaben viele ausländische Einzelhändler in China Joint Ventures auf und bevorzugten hundertprozentige Tochtergesellschaften. Vollständiges ausländisches Eigentum im Einzelhandel ist erst seit 2022 zulässig.
Rückzug ist keine Lösung
Yu erklärte, dass Joint Ventures in China früher als notwendiges Übel galten, die jüngsten Vereinbarungen jedoch „ganz anders“ seien, da es weniger um rechtliche Notwendigkeit als vielmehr um strategische Vorteile gehe.
„In einem Markt, in dem chinesische Wettbewerber innerhalb weniger Wochen neue Produkte auf den Markt bringen und sich nahtlos in digitale Plattformen integrieren, ist Agilität alles. Ohne diese Partnerschaften hätten viele US-Einzelhändler Schwierigkeiten, mitzuhalten“, sagte er.
Für US-Einzelhändler besteht das größte Risiko nicht im Wettbewerb, sondern im kompletten Rückzug aus China. Sich vom größten Konsummarkt der Welt abzuwenden, hieße, langfristiges Wachstum aufzugeben. Ein Ausstieg mag zwar wie eine Risikominimierung erscheinen, birgt aber auch das Risiko, irrelevant zu werden.
„Wer China verlässt, verliert nicht nur die Umsätze von heute, sondern auch die Fähigkeit, die Konsumgewohnheiten von morgen zu prägen“, sagte Lin gegenüber der DW. „Sind diese Gewohnheiten erst einmal von lokalen Marken etabliert, ist es für ausländische Unternehmen nahezu unmöglich, sie zurückzugewinnen.“
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.
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