
Für 29 Euro im Monat kann man bei der Plattform Abundo unbegrenzt Kulturerlebnisse buchen. Doch wie ist ein Angebot zu diesem Preis möglich, und was haben das Publikum und die Kulturorte davon?
Von Anja Herr, Marie Kaiser und Franziska Walser, rbb
Eine englische Comedy-Show auf einem Boot auf der Spree, das Ballett „Der Nussknacker“ im Metronom Theater Oberhausen oder ein Chorkonzert in der Hamburger Laeiszhalle: Ein Blick in die Abundo-App zeigt Kultur in ihrer ganzen Bandbreite. Gegründet wurde die Kulturflatrate Abundo 2018 in Stockholm. Vor drei Jahren eröffnete Abundo in Berlin den ersten deutschen Ableger. Seit 2024 gibt es das Angebot auch in Hamburg. Im Oktober 2025 kam Köln als dritte Großstadt dazu. In Zukunft sollen noch weitere Regionen folgen.
Die größte Reichweite hat Abundo im Moment in Berlin. Nach Angaben des Unternehmens nutzen dort 4.000 Menschen das Kulturabo aktiv. Die Kunden seien eher jung und noch nicht auf eine Spielstätte oder ein Genre festgelegt, sagt Domique Keufen von Abundo Deutschland. Viele seien zwischen 25 und 35 Jahre alt, neu nach Berlin gezogen und vom großen Kulturangebot überfordert. Eine wachsende Gruppe seien auch ältere Nutzer, die, nachdem die Kinder ausgezogen sind, wieder regelmäßig ausgehen wollen.
Theater können leere Plätze füllen
Die Idee hinter Abundo: Durch die bereits gezahlte Flatrate seien Nutzer*innen eher bereit, etwas Neues auszuprobieren, während man bei einem Theaterticket für 50 Euro lieber auf Nummer sicher geht. Für die Häuser hat die Spontanität Vorteile: Sie können neue Zielgruppen erreichen und zugleich kurzfristig leere Plätze füllen. „Wir nutzen Abundo wirklich als sehr zielgerichtetes Tool, um Tage, wo wir noch nicht ganz ausverkauft sind, ein kleines bisschen aufzufüllen“, sagt Hendrik Frobel, Geschäftsführer des Chamäleon-Theaters in den Hackeschen Höfen in Berlin. Das Chamäleon-Theater hat sich auf zeitgenössischen Zirkus spezialisiert – ein Genre, das viele Kulturinteressierte noch gar nicht auf dem Schirm haben.
Welche Tickets bei Abundo landen, hänge vom Wochentag ab, sagt Frobel. Manchmal bekomme man für den Flatratepreis Tickets, die sonst 60 Euro kosten. An anderen Tagen stellt das Theater gar keine Tickets zur Verfügung. Nach Informationen von Abundo sind die Veranstalter völlig frei zu entscheiden, ob und wie viele Tickets sie abgeben wollen. Es gibt also keine Verträge, die Kontingente oder Exklusivität regeln. Das bestätigen mehrere Theater auf Nachfrage des rbb.
Was verdienen die Veranstalter?
Im Gegenzug wissen die Häuser aber auch nicht vorab, wie viel Geld sie über die Plattform verdienen. Die Abrechnung erfolgt monatsweise und ist abhängig von den Abo-Einnahmen im jeweiligen Zeitraum. Wobei auch berücksichtigt wird, wie teuer eine Veranstaltung im regulären Verkauf wäre, sagt Keufen, der bei Abundo für die Betreuung der Kulturpartner zuständig ist. Wenn man eine Opernkarte anböte, bekomme man mehr raus, als wenn es eine Comedy-Veranstaltung sei, die sonst acht Euro gekostet hätte, sagt Keufen.
Frobel vom Chamäleon Theater kooperiert seit drei Jahren mit Abundo und sagt, dass er für die Tickets, die er an die Plattform abgibt, im Schnitt 20 bis 30 Prozent des regulären Preises an der Abendkasse bekommt: „Ich würde mir auf jeden Fall mehr Transparenz wünschen“, sagt Hendrik Frobel. „Und ich würde mir natürlich auch wünschen, dass der Anteil ein bisschen höher ausfällt.“
Abundo: Mehr Sichtbarkeit und neue Zielgruppen
Keufen argumentiert dagegen, Abundo bringe Geld in die Kulturindustrie, das vorher nicht da war. Menschen, die vorher nicht viel Geld für Kultur ausgegeben hätten, würden mit Abundo monatlich Geld in Veranstaltungen investieren. Und sie binden sich, nach einer Phase des Ausprobierens, vielleicht langfristig an einen Spielort: „In dem Moment, wo sie merken, Theater ist mein Ding, gehen die auch rüber zu den Theatern“, glaubt Keufen.
Abundo wirbt also damit, dass Kulturveranstalter über die Plattform mehr Sichtbarkeit und neue Zielgruppen erreichen. Menschen, die dann irgendwann auch bereit seien, den vollen Ticketpreis statt einer Flatrate von 29 Euro zu zahlen. Ob das letztlich funktioniert, ist unklar. Frobel hat bisher nicht den Eindruck, dass durch Abundo neues Stammpublikum ins Theater findet.
Kultur-Häuser könnten sich auch schaden
Jens Förderer forscht an der Universität Mannheim zu Plattformökonomie und hat unter anderem das Geschäftsmodell von Urban Sports untersucht. Auch hier können Nutzerinnen und Nutzer für vergleichsweise wenig Geld täglich ein anderes Fitness- oder Yogastudio etc. besuchen. Die Flatrate ist inzwischen so etabliert, dass Urban Sports seine Marktmacht nutzen kann, um zum Beispiel die Auszahlungen an Studios zu senken und Profite zu maximieren.
Dass eine Kultur-Flatrate eine ähnliche Marktmacht erreichen kann, hält der Forscher für unwahrscheinlich. Die Margen seien in der Kultur geringer, die Vertriebswege vielfältiger, die potenzielle Zielgruppe kleiner. Trotzdem könne es sein, dass Häuser sich langfristig selbst schaden, wenn sie Tickets über die Plattform abgeben: „Wenn Dauerkarteninhaber sagen: ‚Wir gehen stattdessen zu Abundo‘, wäre das das, was wir einen Kannibalisierungseffekt nennen“, meint der Forscher. So erklärt sich, warum viele Berliner Theater nicht offensiv damit werben, dass es ihre Tickets auch bei Abundo gibt.
Voller Elan buchen – und dann doch aufs Sofa
Förderer vermutet, dass sich Abundo auch über die Nutzerinnen und Nutzer rechnet, die voller Elan ein Kulturabo buchen, aber am Ende doch auf dem Sofa sitzen bleiben. Das sei dieselbe Logik wie bei Fitnessstudios: Viele buchen motiviert im Januar eine Jahresmitgliedschaft, gehen aber schon im Sommer nicht mehr hin. Denkbar sei auch, dass Abundo plane, sein Geschäftsmodell auf andere Bereiche auszuweiten. In Schweden kann man über Abundo zum Beispiel auch Karten für Fußballspiele buchen. Außerdem gibt es ein Streamingangebot für Kulturevents.