
AUDIO: Wenn die Avocado zum Baseballhandschuh wird: Christoph-Niemann-Schau in Oldenburg eröffnet (3 Min)
Stand: 15.11.2025 12:07 Uhr
Ein Kopfhörer wird plötzlich lebendig und zu einem Affen, eine Avocado wird in einen Baseballhandschuh verwandelt: Christoph Niemann macht alltägliche Gegenstände zu Teilen eines Kunstwerkes. Das Horst Janssen Museum Oldenburg, das in diesem Jahr sein 25. Jubiläum feiert, eröffnet heute die ihm gewidmete Jubiläumsschau „Randnotizen“.

Der Illustrator Christoph Niemann wurde 1970 in Waiblingen geboren.
Wenn Christoph Niemann eine halbe Avocado auf dem Küchentisch liegen hat, isst er sie nicht einfach auf. Nein, er zeichnet dick mit grüner Tusche einen Baseballspieler auf ein Stück Papier darunter, der seinen Arm ausstreckt. So wird die grüne Avocado zum Baseballhandschuh. Der Illustrator und Grafiker braucht nur wenige Striche und aus einem Alltagsgegenstand wird etwas völlig anderes. Das wirkt spontan, ist es aber nicht, sagt Christoph Niemann: „Ich habe nie eine Idee, dass ich ein Objekt anschaue und sage: Das sieht ja aus wie XY. Sondern ich nehme ein Objekt und schaue: Finde ich da drin was?“, erzählt der Illustrator. „Dann schaue ich eine Stunde drauf oder zwei und dann würde jeder vernünftige Mensch aufhören, weil ich dann genauso wenig drin sehe, wie jeder andere auch. Nur bleibe ich dann noch zwei Stunden länger sitzen, in der Hoffnung, dass mir dann noch irgendwas einfällt.“
Reflexion über die eigene Arbeit

Christoph Niemann gibt alltäglichen Gegenständen durch seine Illustrationen eine neue Bedeutung.
Und ganz offensichtlich ist ihm sehr viel eingefallen, auch zu anderen Gegenständen auf seinem Schreibtisch. Eine ganze Wand im Horst Janssen Museum ist mit solchen Bildern gestaltet. Die sogenannten „Sunday Sketches“ von Christoph Niemann sind beliebt und berühmt. Die Schau vermittelt aber auch, wie mühsam die Arbeit an diesen Bildern sein kann, sagt die Kuratorin und Museumsleiterin Jutta Moster-Hoos: „Was ich besonders an ihm schätze: Er reflektiert seine eigene Arbeit, aber auch kreatives Arbeiten. Da kommen manchmal ganz andere Dinge raus, als wir uns das vielleicht als Laien vorstellen.“
Absurde, reduzierte Bilder lassen Neues im Kopf entstehen
Auf einer Wandzeichnung liegt ein comicartig gezeichneter Mensch im Bett. Über seinem Kopf stapeln sich viele Gesichter. Eines hat weit aufgerissene Augen, eines geschlossene, das nächste wieder offene. Hier grübelt jemand zu viel und kann nicht einschlafen. Andere Zeichnungen sind komplett absurd: Ein Spiegelei hält einen Menschen in der Hand und wirft eine Pfanne in die Luft, als wenn es einen Pfannkuchen wenden würde. Das alles mit reduzierten, präzisen Strichen. Das fasziniert die Direktorin Jutta Moster-Hoos: „Die Einfachheit der Mittel, die dann aber für mich davon zeugen, dass sich jemand auseinandergesetzt hat, runtergebrochen hat, abstrahiert hat, den springenden Punkt festgemacht hat und uns dann beim Betrachten kognitiv wieder etwas aufgibt. In unserem Kopf entsteht dann wieder mehr als auf dem Blatt sichtbar ist.“
Der Besuch lohnt sich
Der 55-Jährige ist in der Nähe von Stuttgart geboren. Nach dem Studium ging er nach New York, wo er für große Magazine arbeitete. 2008 kehrte er nach Deutschland zurück und lebt seither mit seiner Familie in Berlin. „Randnotizen“ ist eine Werkschau mit mehr als 200 gerahmten Bildern. Darunter Tuschezeichnungen, Siebdrucke, Linolschnitte sowie Cover der Zeitschrift „The New Yorker“. Zusätzlich sind Werke auf die Wände gedruckt und gemalt. Außerdem ist eine eigens für die Ausstellung im Horst Janssen Museum geschaffene Wandarbeit zu sehen. Auch die lebt von klaren Formen, wie Jutta Moster-Hoos erklärt: „Gerade im Hause von Horst Janssen, wenn ich das so nennen darf, der häufig sehr ausgearbeitete, geradezu ziselierte Zeichnungen oder Radierungen geschaffen hat, ist diese nicht kühle, aber doch immer sehr klare Linie so ein richtiges Gegenbild.“
Alles in allem ist die Schau witzig und inspirierend und es ist faszinierend, wie Niemann die Welt betrachtet. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.