Kiel. In den Wäldern von Schleswig-Holstein sterben die Eschen. Ein aus Asien eingeschleppter Pilz tötet die Laubbäume. Forschende vom Institut für Ökosystemforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel untersuchen seit 2019, wie sich das Eschentriebsterben auf den Wald und die Biodiversität auswirkt. Die Studie soll unter anderem Förstern im Land Anhaltspunkte liefern, wie eschenreiche Wälder in Schleswig-Holstein gerettet werden können. Nun liegen erste Ergebnisse vor.

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Die Zahlen sind ernüchternd: Nur vier bis fünf Prozent der Eschen scheinen halbwegs tolerant gegen den tödlichen Pilzbefall zu sein. Dennoch empfiehlt die Invasionsbiologin Prof. Alexandra Erfmeier den Försterinnen und Förstern im Land, weiterhin Eschen zu pflanzen.

Was auf den ersten Blick paradox erscheint, ist das Ergebnis einer langjährigen Studie. Seit 2019 befassen sich Biologen der CAU Kiel mit dem Eschentriebsterben, das durch den invasiven Pilz „Hymenoscyphus fraxineus“ ausgelöst wird. In der Forschung geht es um drei konkrete Fragen: Wie ist der Zustand der Eschen? Was bedeutet es für die Biodiversität in den Wäldern von Schleswig-Holstein, wenn es keine Eschen mehr gibt? Wie soll die Forstwirtschaft mit dem Eschentriebsterben umgehen? Um Antworten zu erhalten, wurden in mehreren Wäldern Versuchsfelder angelegt. Tausende neue Bäume sind gepflanzt worden.

Wie ist der Zustand der Eschen?

Das kam dabei heraus: 421 Alt-Eschen sind seit 2019 untersucht worden. „Davon sind alle 421 erkrankt“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Linnea Rulle. Nur 277 der Bäume stehen noch, die restlichen 144 sind gestorben. Auch ein Großteil der Jungbäume sind von dem Pilz befallen. 5040 Eschen sind für das Projekt gepflanzt worden. Nach vier Jahren waren bereits 55 Prozent der Bäume erkrankt. „Hymenoscyphus fraxineus“ infiziert zunächst die Blätter. Der Pilz wächst dann von der Krone über die Leitbahnen in der Esche bis in die Wurzel. Die Bäume werden anfällig für weitere Krankheiten und Schädlinge.

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Was bedeutet das Eschentriebsterben für die Biodiversität?

„Die charakteristischen Eigenschaften der Wälder verändern sich. Wenn Eschen nicht mehr da sind, gehen auch andere Arten verloren“, sagt Alexandra Erfmeier. Was Eschen von anderen Bäumen unterscheidet: Die Blätter lassen viel Licht durch und fallen im Herbst grün von den Ästen. Dadurch liefern Eschen besonders viele Nährstoffe. „Eschen leisten sehr viel für das Ökosystem“, sagt die Invasionsbiologin.

Die charakteristischen Eigenschaften der Wälder verändern sich. Wenn Eschen nicht mehr da sind, gehen auch andere Arten verloren.

Prof. Alexandra Erfmeier

Invasionsbiologin an der CAU

Fallen die Eschen aus, lichten sich die Wälder, und es breiten sich am Boden Brombeeren und Gräser stark aus. Die Folge: Andere Pflanzen werden zurückgedrängt, beispielsweise Orchideen oder die Waldprimel.

Wie soll die Forstwirtschaft mit dem Eschentriebsterben umgehen?

Um herauszufinden, welche Bäume als Alternativen zu Eschen dienen könnten, hat das Team um Projektleiterin Erfmeier und den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Katharina Haupt und Dr. Katharina Mausolf 252 Versuchsfelder angelegt. Gepflanzt wurden 25.200 junge Eschen, Winterlinden, Flatterulmen, Spitzahorne und Hainbuchen, die auf den Auspflanzungsflächen in unterschiedlicher Zusammensetzung kombiniert worden sind. „Damit wollten wir herausfinden, ob diversere Mischungen besser funktionieren als Monokulturen, aber auch welche Baumarten Konkurrenten sind und mit welchen Bäumen Eschen gut zusammenleben können“, erläutert Erfmeier.

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Doktorandin Katharina Haupt (links) und Professorin Alexandra Erfmeier vermessen die angepflanzten Jungeschen in einem Waldstück in Lindau bei Gettorf und untersuchen sie auf Schädigungen.

Eine erste Erkenntnis: In Kombination mit Hainbuchen wachsen die Eschen am besten. Am seltensten erkranken Eschen jedoch, wenn sie in Mischwäldern mit vielen verschiedenen Baumarten stehen. „Die Diversität scheint die Gefahr der Infektion zu reduzieren.“

Was sind die Lehren aus der Studie?

Auch wenn kaum eine Esche nicht befallen ist, rät Alexandra Erfmeier Förstern dazu, nach Möglichkeit weiterhin Eschen anzupflanzen. „Eine Fläche im Wald ist produktiver und resilienter, je höher die Vielfalt der Bäume darin ist.“ Und auch die Eschen wachsen trotz Befalls weiter und nützen dem Ökosystem.

Wie geht es weiter?

Die Forscherinnen der CAU können ihre Eschenstudien mindestens drei Jahre fortführen. Das Projekt hat weitere Fördergelder erhalten. In der nächsten Phase wird es eine bundesweite Kooperation geben. Alexandra Erfmeier und ihr Team planen ein bundesweites Monitoring und weitere Versuchsfelder in Baden-Württemberg, um die Auswirkungen von unterschiedlichen Bodenbedingungen auf die Eschen zu testen.

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Gleichzeitig werden Forschende aus anderen Bundesländern nach Schleswig-Holstein kommen. Sie werden unter anderem auf den Untersuchungsflächen auswerten, wie sich die Insektenvielfalt in den Wäldern entwickelt, wenn es weniger Eschen gibt.

Eine Heilung der Pilzinfektion wird es sehr wahrscheinlich nicht geben. Stattdessen soll weiterhin erforscht werden, warum einige Eschen eine Toleranz gegenüber „Hymenoscyphus fraxineus“ entwickelt haben. Langfristiges Ziel könnte sein, dass nur noch Eschen ausgepflanzt werden, die mit dem invasiven Pilz ein verträgliches Auskommen haben werden.

KN