Am vergangenen Samstagnachmittag hat die linke Gruppierung „Internationale Jugend“ in Halle (Saale) zu einer Demo aufgerufen, um gegen die geplante Wiedereinführung der Wehrpflicht und die aktuelle Aufrüstungspolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Rund 200 Menschen waren gefolgt. Zwischen Steintor und Kleinschmieden hallten Sprechchöre wie „Kein Mensch, kein Cent der Bundeswehr“, „Nie wieder Wehrpflicht“ und „Jugend, Zukunft, Sozialismus“ – deutliche Botschaften, die sich an diesem Tag durch die Innenstadt zogen. Die Demonstration begann mit einer Kundgebung am Steintor, wo die erste Rednerin die Stimmung tonangebend bestimmte. Für sie steht fest: Eine Rückkehr zur Wehrpflicht bedeute nicht Sicherheit, sondern die Aussicht darauf, für fremde Interessen missbraucht zu werden. „In den Kriegen der Herrschenden gibt es für uns nichts zu gewinnen“, erklärte sie. Die junge Generation wolle nicht an „Fronten sterben“, sondern ein Leben ohne militarisierte Zukunftsperspektiven führen. Aufrüstung führe „nicht zu Sicherheit, sondern zu Tod, Leid, Armut und Zerstörung“. Diese Kritik rahmte den Protest in eine klare Systemfrage ein: Wer profitiert von Aufrüstung, und wer trägt ihre Konsequenzen?
Protestzug durch Halle – Mitten vorbei am Karrierecenter der Bundeswehr
Vom Steintor aus setzte sich der Zug zunächst in Richtung Große Steinstraße in Bewegung. Der erste große Zwischenstopp erfolgte am Stadtcenter Rolltreppe – ausgerechnet dort, wo das Karrierecenter der Bundeswehr angesiedelt ist. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten den Moment für lautstarke Parolen und das Hochhalten von Plakaten gegen Rekrutierung und Werbung. Der Weg führte anschließend durch die Große Ulrichstraße, die Geiststraße und weiter über die Hermannstraße zum August-Bebel-Platz. Von dort zog die Demonstration durch Martha-Brautzsch-Straße und Ludwig-Wucherer-Straße zurück zum Ausgangspunkt. Während des gesamten Verlaufs wurde der Protestzug immer wieder von kurzen Redebeiträgen begleitet, die Kritik an Militarisierung, Sozialpolitik und gesellschaftlichen Machtverhältnissen miteinander verknüpften.
„Nicht genug gestraft – nun sollen wir auch an der Waffe für das Land sterben“
Ein Sprecher der Internationalen Jugend stellte die geplante Reform der Wehrpflicht in den Kontext einer angeblich seit Jahren verschärften sozialen Krise. Die Arbeiter*innenklasse, so seine Diagnose, leide unter stagnierenden Löhnen, steigenden Preisen und mangelnder sozialer Sicherheit. „Lebensmittelpreise steigen immer weiter, ohne aber dass die Löhne mit ihnen wachsen. Das ist die Realität aus 5 Jahren Dauerkrise.“ Besonders betroffen seien junge Menschen – und genau sie sollten nun erneut in die Pflicht genommen werden. Die geplanten Neuerungen im Wehrdienst deutete er als faktische Vorbereitung auf eine künftige allgemeine Einberufung. Seiner Ansicht nach sei klar: „Die persönliche Freiheit hört dann auf, wenn die Kriegstüchtigkeit der BRD in Gefahr ist.“ Scharf kritisierte der Redner die Aussicht auf Fragebögen zur Einsatzbereitschaft, eine mögliche Verdopplung der Bundeswehrstärke und die Option eines Losverfahrens. Ein Los darüber, wer dienen müsse? Für ihn ein weiterer Beweis, dass die Frage weniger „ob“, sondern vielmehr „wann“ die Wehrpflicht zurückkehren werde.
„So weit das Auge reicht – Propaganda der Bundeswehr“
Eine weitere Rednerin setzte den Schwerpunkt auf die alltägliche Präsenz militärischer Botschaften. Sie sprach von Werbung an Haltestellen, Social-Media-Kampagnen und dem Auftreten von Jugendoffizieren an Schulen: „Es vergeht kaum noch ein Tag, an dem wir nicht mit den Kriegsvorbereitungen des deutschen Imperialismus konfrontiert werden.“ Die jungen Menschen würden instrumentalisiert, als „Kanonenfutter“ verheizt und mit einer vermeintlichen Heroisierung des Soldatenberufs beeinflusst. Die Rednerin machte vor allem eines klar: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land.“ Ihre Rede zog eine direkte Linie zwischen kapitalistischen Interessen, politischer Macht und militärischer Mobilisierung.
Aufrüstung, Staatsinteressen und globale Konflikte
Ein weiterer Beitrag griff geopolitische Entwicklungen auf und warf der Bundesregierung vor, die Bevölkerung durch mediale Inszenierungen an Kriegsszenarien zu gewöhnen. Der Redner sprach von der größten Aufrüstung seit 1945 und kritisierte eine Politik, die Milliarden in Militär investiere, während „Schulen zerfallen“ und „Wohnungen unbezahlbar werden“. Die „tagtägliche Kriegshetze“ sei laut ihm ein gezieltes Werkzeug politischer Einflussnahme. Seine Worte zeichneten das Bild eines Staates, der weltpolitische Interessen unter dem Deckmantel von Verteidigungsnarrativen durchsetzen wolle. Auch internationale Konflikte wie der Krieg in der Ukraine und die Lage in Gaza wurden in die Analyse einbezogen – stets unter der Perspektive, dass die Leidtragenden immer die Arbeiterklasse sei: „Auch dieses Mal werden wir es sein, die Söhne und Töchter der Arbeiterklasse, [die] für die Interessen der Kapitalisten im Schützengraben verrecken.“
Lokale Politik im Fokus: Kritik an der CDU-Stadtratsfraktion
Mit Blick auf Halle rückte ein weiterer Redner die lokale CDU in den Mittelpunkt der Kritik. Er warf ihr „Kriegstreiberei“ vor und verwies auf Aktionen wie die jährlichen gelben Bänder für Soldaten. Diese würden wie „Liebesbriefe“ an an der NATO-Ostflanke stationierte Truppen weitergereicht. Für die Demonstrierenden ein Symbol für die Normalisierung von Militärpräsenz. Auch die Forderungen der CDU nach Unterstützung von Rekrutierungsveranstaltungen wurden kritisiert. Das Ziel, so hieß es, sei klar: Mehr junge Menschen an die Waffe – etwas, dem die Demonstrierenden lautstark widersprachen.
Frauenperspektive: Zwischen Kriegsdienst und „Tradwife“-Ideal
Ein eindringlicher Redebeitrag aus feministischer Perspektive stellte heraus, wie Aufrüstung und Wehrpflicht Frauen besonders betreffen würden. Die Rednerin beschrieb zwei gesellschaftliche Rollen, in die Frauen gedrängt würden: als Soldatinnen oder als stützende Kraft an der „Heimatfront“. Sie betonte: „Wir als Frauen werden aktuell in eine von zwei Richtungen gestoßen werden. So wollen sie uns sehen.“ Doch die Antwort sei eindeutig: „Nein zur Wehrpflicht, nein zur Aufrüstung, nein zu Ihren imperialistischen Kriegen.“








