
Nach einer makellosen Qualifikation fährt England mit großen Hoffnungen zur WM 2026. Probleme hat Trainer Thomas Tuchel dennoch.
Teammanager Thomas Tuchel hat mit England Geschichte geschrieben, und das will im „Mutterland des Fußballs“ nun wahrlich etwas heißen. Die „Three Lions“ haben die erste perfekte WM-Qualifikation einer europäischen Mannschaft geschafft.
Kane: „Einer der Favoriten“
Dank eines Doppelpacks von Bayern-Torjäger Harry Kane gewann das Team zum Abschluss in Albanien 2:0, es war der achte Zu-Null-Sieg im achten Spiel. Nie zuvor hatte eine europäische Nation alle Spiele einer WM-Qualifikation, die mindestens sechs Spiele umfasste, ohne Punktverlust und ohne Gegentor überstanden. Schon am Donnerstag hatte es einen 2:0-Sieg gegen Serbien gegeben. Englands Torverhältnis am Ende – 22:0. „Jetzt gehen wir als einer der Favoriten in das Turnier, das müssen wir akzeptieren“, sagte Kane.
Eine machbare Gruppe glanzlos gewonnen
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Gegner in der Gruppe K zwar durchaus zur Kategorie „unangenehm“, aber nicht gerade zur ersten Garde des europäischen Fußballs gehörten. Neben Serbien und Albanien waren Lettland und Andorra mit dabei.
Und den englischen Siegen haftete oftmals auch ein Makel an. Von „Arbeitssieg“ oder“Pflichtsieg“ war hinterher zu lesen und es fielen auch Worte wie „glanzlos“ oder „langweilig“, und das liest in England in Zusammenhang mit der Nationalmannschaft nun niemand gerne.
Doch für Tuchel ist Fußball vor allem ein Ergebnis-Sport. Er gilt als gewiefter Taktiker, er ist pragmatisch und mit seinem Kollegen Pep Guardiola hat er bei einem gemeinsamen Essen schon mal mit Hilfe von Salz- und Pfefferstreuer seinen Spielstil ausdiskutiert.
Zwischenzeitlich harsche Kritik
Und auch nicht vergessen sollte man, dass Tuchel schon im Juni Geschichte geschrieben hat. Denn da hat die englische Nationalmannschaft zum ersten Mal überhaupt gegen ein afrikanisches Team verloren – zu Hause 1:3 gegen den Senegal.
Die Kritik war verheerend. „Thomas Tuchel kann es vergessen, einen zweiten Stern auf Englands Trikot zu verewigen“, schrieb die“Sun“: „Vom Senegal verprügelt. Die Three-Lions-Flops werden nach einer demütigenden Niederlage für Thomas Tuchel und einem beschämenden Auftritt vom Platz gebuht.“
Der „Daily Star“ erklärte nach der ersten Niederlage unter seiner Regie „Tuchels Flitterwochen“ für beendet und die „Daily Mail“ legte nach: „England blamiert. Die Three Lions als Weltmeister 2026, das hört sich an wie ein schlechter Witz. Die Probleme sind tief und groß und offensichtlich“
Tuchel sieht das übrigens komplett anders. Zuletzt sagte er noch, sein Team habe sich „stilvoll qualifiziert, mit einer guten Leistung und hervorragenden Ergebnissen“. Das stimmt teils auch, doch in England sind ein maues 1:0 in Andorra oder ein 1:3 in einem Freundschaftsspiel eben gesprächswertiger als ein 5:0-Erfolg in Serbien.
Tuchel muss Bellingham bändigen
Die Presse auf der Insel hat sich mittlerweile beruhigt, Probleme hat Tuchel dennoch. Sein größtes heißt Jude Bellingham. Nach seiner Auswechslung in Albanien war der Mittelfeldmann von Real Madrid angefressen. Er war sechs Minuten vor Spielende von Morgan Rogers ersetzt worden und hatte seinem Unmut Ausdruck verliehen. „Ich habe gesehen, dass er nicht zufrieden war“, so Tuchel, aber er werde seine Entscheidungen nicht ändern, „nur weil jemand mit den Armen fuchtelt“.
Unzufrieden: Jude Bellingham
Tuchel wünscht sich ein Umdenken im Kopf seines Schützlings: „Sein Freund wartet am Spielfeldrand, also muss man das akzeptieren, respektieren und weitermachen.“ Er wolle zwar „nicht mehr draus machen“, stehe aber zu seinem Wort: „Respekt gegenüber den Teamkollegen, die reinkommen, ist unerlässlich.“
Tuchel hatte für die Länderspiele im Oktober auf Bellingham verzichtet und damit für Aufsehen gesorgt. Denn der war nach überstandenen Schulterproblemen fit. Zudem hatte Tuchel zuletzt Bellingham keinen Stammplatz im offensiven Mittelfeld garantiert. Er müsse sich seinen Platz wie alle anderen verdienen, sagte der 52-Jährige. Jüngst hatte in Bellinghams Abwesenheit Rogers von Aston Villa seine Sache auch sehr gut gemacht.
England nur als Einheit stark
Tuchels Hauptaufgabe wird es sein, sein Team voller Superstars zu einer Einheit zu formen. Ob er bei der WM dann auch gegen hochkarätige Gegner die ganz große Fußball-Geschichte schreiben kann, wird sich zeigen.