London. Wie in einer Werbekampagne stellt die Labour-Regierung seit Tagen radikale Änderungen in der Migrationspolitik in Aussicht. In kurzen Videos in den sozialen Medien erklärte Innenministerin Shabana Mahmood, sie wolle „wieder Ordnung und Kontrolle herstellen“. Am Sonntag präsentierte sie in politischen Morgensendungen schließlich die zentralen Punkte. Darunter deutlich strengere Rückführungen und Visa-Sanktionen.

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Sie beschrieb das Vorhaben als Reaktion auf ein Problem, das das Land angeblich „zerreißt“, wie sie sagte. Experten im Vereinigten Königreich sind sich einig: Ein solcher Tonfall aus dem Mund einer Sozialdemokratin wäre noch vor wenigen Monaten kaum vorstellbar gewesen. Aber dann legten die Rechtspopulisten in den Umfragen zu und gewannen bei den Kommunalwahlen zahlreiche Sitze. Deshalb will die Regierung in London die Migrationspolitik im Vereinigten Königreich jetzt verschärfen.

Vorbild Dänemark

Es ist die Zahl Geflüchteter, die mit kleinen, oft überfüllten Booten von Nordfrankreich über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommt, die die gesellschaftliche Akzeptanz von Migration untergräbt. Im Jahr 2024 kamen rund 37.000 Personen auf diesem Weg auf die Insel. Insgesamt beantragten in diesem Zeitraum gut 108.000 Menschen Asyl in Großbritannien – deutlich weniger als in Deutschland oder Spanien. Für viele Briten sind die Bilder der Boote dennoch zum Symbol einer aus ihrer Sicht unkontrollierten Migration geworden. Auch wenn das Land in vielerlei Hinsicht von Zuwanderung profitiert, etwa durch dringend benötigte Fachkräfte im Gesundheitswesen.

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Mit einer Reform, die laut Labour zu den drastischsten der jüngeren britischen Geschichte zählt, kündigte Mahmood nun am Montag eine grundlegende Neuordnung der Asylpolitik an. Das Vorbild für die Strategie ist Dänemark, das seine Regeln ebenfalls unter sozialdemokratischer Führung stark verschärft hat. Dort sank die Zahl der Anträge durch die abschreckende Wirkung auf ein Rekordtief; London hofft nun auf ähnliche Effekte.

Asyl nur zeitlich befristet

Am späten Montagnachmittag stellte Mahmood die Pläne schließlich im Parlament vor. Man müsse diese „Krise lösen“ und „bestimmen, wer in dieses Land einreisen darf und wer es verlassen muss“, sagte sie in ihrer Erklärung im Unterhaus.

13.09.2025, Großbritannien, London: Demonstranten gehen über die Westminster Bridge. Der britische Rechtsextremist Tommy Robinson hatte zu dem Marsch und der Kundgebung unter dem Motto "Unite the Kingdom" aufgerufen. Foto: Joanna Chan/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++Großbritanniens Rechte erlebt einen Aufschwung – auf der Straße wie in den Umfragen

In Großbritannien liegt Nigel Farages Partei Reform UK in den Umfragen vorn, noch radikalere Kräfte wie Advance UK wollen sie von rechts überholen. Warum Frust, Angst und der Niedergang der Tories den Populisten im Vereinigten Königreich in die Hände spielen.

Kern des britischen Reformpakets ist die Abkehr vom bisherigen Verständnis von Asyl: Flüchtlingsschutz soll künftig nach skandinavischem Vorbild zeitlich befristet sein. Die Behörden wollen alle 30 Monate prüfen, ob die Herkunftsländer der Betroffenen wieder als sicher gelten. Wird das bejaht, entfällt der Schutz. Für Geflüchtete soll die dauerhafte Niederlassung erst nach 20, statt bisher fünf Jahren möglich sein.

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Das 33-seitige Konzeptpapier machte überdies deutlich, dass die Regierung künftig mehr Familien zurückführen will – zunächst mit finanziellen Anreizen, später notfalls zwangsweise. Zusätzlich erwägt die Regierung Visa-Sanktionen gegen Angola, Namibia und die Demokratische Republik Kongo, falls diese abgelehnte Migranten nicht zurücknehmen. Es sei auch eine Nachricht an andere Länder, sagte Mahmood am Montag: „Weitere Sanktionen werden folgen.“

Will wieder „Ordnung und Kontrolle herstellen“: Die sozialdemokratische britische Innenministerin Shabana Mahmood.Mahmoods Verweis auf eigene Biografie

Brisant ist Mahmoods Kurs, weil er von einer Labour-Regierung stammt. Noch im Wahlkampf hatte die Partei einen humanen Umgang mit Schutzsuchenden gefordert, nun verfolgt sie einen Plan, so Experten, bei dem auch bestens integrierte Einwanderer nach vielen Jahren noch ausgewiesen werden können. Die härtere Gangart der Sozialdemokraten löste deutliche Kritik aus. Dutzende britische Wohlfahrtsverbände schrieben an Mahmood und forderten sie dazu auf, Migranten nicht weiter zu „Sündenböcken“ zu machen. Solche Schritte beförderten Rassismus und Gewalt.

Ich glaube, unser grundlegendes Wesen als Volk ist, dass wir offen, tolerant und großzügig sind.

Shabana Mahmood,

britische Innenministerin

Die 45-jährige Politikerin weist das mit Hinweis auf die eigene Biografie zurück. Ihre Eltern seien selbst in den 1960er-Jahren legal eingewandert. Gerade deshalb, sagte sie, sei es für sie ein „moralisches Anliegen“, das System wieder funktionsfähig zu machen. Ein unkontrolliertes System gefährde langfristig die Bereitschaft der Briten zur Aufnahme Schutzbedürftiger. „Ich glaube, unser grundlegendes Wesen als Volk ist, dass wir offen, tolerant und großzügig sind“, sagte sie, „aber die Voraussetzung dafür, dieses Maß an Offenheit vollständig entfalten zu können, sind Ordnung und Kontrolle.“

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Druck von den Rechtspopulisten

Doch genau diese fehlt, so der Eindruck vieler Briten. Der Druck auf die Kommunen ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten groß, und Wohnraum knapp. In der Bevölkerung wächst der Unmut. In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu Ausschreitungen und Demonstrationen, insbesondere im Zusammenhang mit Geflüchteten, die in Hotels untergebracht sind.

Angefeuert wird diese Stimmung auch von der rechtspopulistischen Partei Reform UK unter dem früheren Brexit-Antreiber Nigel Farage, der mit einer immer schärferen migrationskritischen Agenda politischen Druck aufbaut. Im linken Flügel der Labour-Partei stießen Mahmoods Pläne am Montag jedoch auf Ablehnung. Der Abgeordnete Simon Opher warnte, die Regierung müsse „der rassistischen Agenda von Reform UK entgegentreten, statt sie zu spiegeln“.