An vielen Berliner Schulen herrschte noch am Montagmorgen Unsicherheit. Seit dem Wochenende kursierte über Messengerdienste die Ankündigung von Anschlägen gegen rund 20 Berliner Schulen. Auch wenn die Polizei die Drohung rasch als Falschinformation einschätzte: Die Nachricht wurde in mehreren Chatgruppen weitergeleitet und sorgte dort für große Aufregung. Und obwohl die Polizei für Montag an Schulen besonderen Schutz ankündigte, treibt doch manche Eltern, Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte in solchen Fällen die Sorge um: Was, wenn es kein Fake ist? Wir klären die wichtigsten Fragen.
Übersicht:
Was ist passiert?
Im Laufe des Sonntags wurde in mehreren WhatsApp- und Telegram-Gruppen eine Nachricht geteilt, in der Anschläge an 20 Berliner Schulen angekündigt wurden. Die Nachricht wurde vielfach geteilt. Die Berliner Polizei erhielt nach eigenen Angaben erstmals am Sonntagnachmittag Kenntnis von der Nachricht. Am Sonntagabend um 22 Uhr gab sie in einem Pressestatement Entwarnung. Auch die Senatsbildungsverwaltung wurde informiert und gab die Entwarnung an die Schulaufsichten weiter. Diese wiederum stehen mit den Schulleitungen in Kontakt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Nachricht bereits viele Schüler und Eltern erreicht.
Nach professioneller Einschätzung des Landeskriminalamts Berlin handele es sich um gezielte Desinformationen, „die Unsicherheit, Angst und Schrecken unter den Kindern, Jugendlichen und Eltern Berlins erzeugen und verbreiten sollen“, sagte Martin Halweg, Sprecher der Polizei Berlin, am Montagnachmittag. „Der Polizei Berlin liegen keine Erkenntnisse zu konkreten Gefährdungen und Bedrohungen der betroffenen oder anderen Schulen vor.“
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An vielen Schulen durften am Montag die Eltern dennoch selbst entscheiden, ob sie ihr Kind zur Schule schicken. Die Polizei war mit speziell ausgebildeten Präventionsbeamten an den explizit genannten, aber auch an weiteren Schulen präsent. Noch am Sonntagabend hat die Polizei einen Führungsstab eingerichtet, der die Ermittlungen für das gesamte Land Berlin zentral koordiniert. Es geht um Störung des öffentlichen Friedens durch eine Androhung von Straftaten.
Was ist Desinformation?
Als Desinformation gelten frei erfundene Informationen, Fakten, die aus dem Kontext gerissen werden, oder Geschichten, an denen Teilaspekte verändert werden. Wichtig ist dabei die Intention: Teilt jemand versehentlich falsche Informationen, spricht man von Falschinformationen. Nur wer bewusst darauf abzielt, andere zu täuschen, verbreitet Desinformation.
Wie erkennt man als Eltern eine Desinformation?
Meist teilen Menschen Desinformationen nicht aus böser Absicht, sondern weil sie sich Sorgen machen. Erhalten Sie eine außergewöhnliche Nachricht, sollten Sie daher zunächst innehalten und sich fragen, wie plausibel der Inhalt ist. Grundsätzlich gilt: Je absurder eine Nachricht, desto unwahrscheinlicher der Inhalt.
Es können aber auch unwahrscheinliche Meldungen wahr sein. Achten Sie daher auf die ursprüngliche Quelle und wie seriös diese ist. Bezieht sich die Nachricht auf einen Medienbericht, eine Website oder politische Stiftung? Gibt es das Institut wirklich? Wer finanziert es? Hat die Website ein Impressum? Handelt es sich um eine unabhängige Zeitung? Schauen Sie außerdem, ob Sie andere seriöse Quellen finden, die den Inhalt stützen. Lässt sich keine weitere Quelle finden, ist die Nachricht vermutlich nicht ernst zu nehmen. Enthält die Nachricht Fotos, können Sie diese mit der Rückwärtssuche von Google oder TinEye suchen. So können Sie die ursprüngliche Quelle des Fotos finden.
Darüber hinaus können weitere Merkmale auf eine Desinformation hindeuten. In der verbreiteten Liste der betroffenen Schulen finden sich beispielsweise einige faktische Fehler. So wird etwa das Mommsen-Gymnasium aus dem Bezirk Charlottenburg aufgezählt, das es seit 1945 nicht mehr gibt. Auch das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium fusionierte bereits 2012 mit einer anderen Schule zum Gymnasium Tiergarten. Derartige Fehler könnten auf die Nutzung einer künstlichen Intelligenz hindeuten. Vor allem aber sind sie ein Hinweis darauf, dass die Nachricht nicht echt sein könnte.
Wie gehe ich damit um, wenn in einer Chatgruppe Desinformation geteilt wird?
Der aktuelle Fall der Anschlagsdrohungen zeigt: Zirkulieren Falschmeldungen einmal in Chatgruppen oder sozialen Medien, sind sie schwer einzufangen. Viele der besorgten Berliner Eltern haben sich richtig verhalten. Sie haben eine zweite Quelle einbezogen und bei der Polizei nachgefragt. Doch auch nachdem die Polizei Entwarnung gegeben hatte, blieben viele Schüler und Eltern besorgt. Ist die Desinformation einmal im Umlauf, verbreitet sie Unsicherheit. Das ist oft genau das Interesse des Urhebers. Daher ist es wichtig, die Verbreitung frühzeitig zu unterbinden und Nachrichten nicht zu teilen.
Ein Einzelfall ist dieser Fall nicht. Im vergangenen Jahr etwa kursierte in mehreren Schul-Chatgruppen die Desinformation eines vermeintlichen Vergewaltigungstags, an dem Vergewaltigungen angeblich straffrei seien. Norman Heise, Landeselternsprecher des Landes Berlin, rät in einem solchen Fall dazu, Ruhe zu bewahren. „Wer eine solche Nachricht erhält, sollte sie nicht verbreiten, solange es dazu keine gesicherten Informationen gibt.“ Wichtig sei es, die Schulleitung zu informieren. Diese wendet sich dann an die Polizei, die die Gefahrenlage bewerten kann. Erst wenn die Polizei sich zu der Drohung geäußert hat, sollte man die Informationen teilen.
Welchem Zweck dienen solche Desinformationen?
Hinter einer solchen sich schnell verbreitenden Desinformation steht oft die Intention, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen oder politische Interessen durchzusetzen, indem das Vertrauen der Öffentlichkeit in die mediale Berichterstattung und staatliche Institutionen geschwächt wird. Oft soll Unsicherheit verbreitet und so langfristig die demokratischen Strukturen geschwächt werden. Besonders perfide: Würde in den kommenden Tagen tatsächlich ein Angriff erfolgen, wäre das doppelt schlimm. Denn dann fühlten sich all jene bestätigt, die der Polizei oder eben den Medien nicht mehr glauben wollen.
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