Fragen & Antworten
Standdatum: 18. November 2025.
Autorinnen und Autoren:
Jean-Pierre Fellmer
Bauen soll günstiger werden in Bremen. Aber geht das auf die Kosten der Wohnqualität? (Symbolbild)
Bild: dpa | Florian Gaertner
Bremen will die Kosten im Wohnungsbau und so auch die Mieten senken. Dafür sollen bei den Vorgaben fürs Bauen Abstriche gemacht werden. Wie wirkt sich das auf die Wohnqualität aus?
Das Leben in Deutschland wird teurer – auch das Wohnen. Die Bremerinnen und Bremer merken das etwa, wenn sie vergeblich nach einer bezahlbaren Mietwohnung suchen. Die Nachfrage ist groß, doch es wird zu wenig gebaut. Kostentreiber beim Wohnungsbau sind etwa die Energie oder das Material, aber viele Bauunternehmen beklagen seit Jahren die Bürokratie. Nun will die Bremer Regierung mit dem „Bremer Weg“ gegensteuern.
Was ist der „Bremer Weg”?
Der „Bremer Weg” ist ein Bündel von mehr als 200 Maßnahmen, die den Wohnungsbau günstiger und schneller machen sollen. Bis zu einem Drittel der Baukosten sollen laut Bremer Baubehörde eingespart werden können – also bis zu 1.250 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.
An dem Projekt haben viele Akteure mitgewirkt: mehrere Behörden, Wohnungsunternehmen, Architekten und Ingenieure, aber auch die Feuerwehr oder der Landesbehindertenbeauftragte. Als Vorbild für den „Bremer Weg” diente der „Hamburg Standard”: In Hamburg wurden die Maßnahmen Anfang 2025 verabschiedet, der „Bremer Weg” wurde am 4. November dieses Jahres vom Senat vorgestellt und beschlossen.
Wie soll beim Bauen gespart werden?
Der „Bremer Weg” sieht dafür drei Punkte vor: Baustandards senken, um Kosten zu sparen und gleichzeitig den Bauunternehmen einen größeren Spielraum zu geben. Die Prozesse und Bauplanung optimieren, um Verzögerungen zu vermeiden. Und die Verfahren in der Verwaltung beschleunigen – heißt zum Beispiel: Grundstücke sollen beim Amt schneller umgeschrieben werden, Gutachter und Prüfingenieure sollen einfacher und schneller beauftragt werden können.
Ein großer Teil der Maßnahmen wurde unverändert aus dem „Hamburg Standard” übernommen, andere Vorschläge an Bremer Verhältnisse angepasst oder von den Teilnehmern neu vorgeschlagen. Viele Ideen stehen auch noch zur Debatte. Der „Bremer Weg” soll fortgeführt werden. Gleichzeitig baut das Projekt auf bereits laufende Entwicklungen auf: So wurden im September 2024 bereits Umweltstandards in Bremen gesenkt und der digitale Bauantrag wurde Schritt für Schritt eingeführt.
Mehr als die Hälfte der beschlossenen Maßnahmen betrifft dem Abschlussbericht zufolge die Baustandards. „Ziel war es, konkrete Ansätze zur Reduktion von Baukosten zu identifizieren, ohne dabei funktionale, soziale oder ökologische Mindestanforderungen zu unterlaufen”, heißt es in dem Bericht.
Welche Baustandards sollen gesenkt werden?
Sparvorschläge gibt es in vielen Bereichen, ein paar Beispiele:
Auf Wandhydranten soll verzichtet werden können.
Bild: dpa | Horst Galuschka
- Wärme: Die Norm, welche Temperaturen in Innenräumen erreicht werden soll, wurde geändert: in Bädern dürfen es statt 24 Grad auch 20 bis 21 Grad, in Wohn- und Schlafräumen statt 20 auch 19 Grad sein; in Fluren soll auf Fußbodenheizung verzichtet werden können .
- Brandschutz: Verzicht auf fest installierte Wandhydranten, da die Feuerwehr im Brandfall selbst Schläuche mitbringt; Verzicht auf Digitalfunkanlagen in bestimmten Gebäuden, da die Feuerwehr selbst Funkstrecken aufbauen kann.
- Barrierefreiheit: Flure sollen in bestimmten barrierefreien Wohnungen auch schmaler als 1,20 Meter breit sein können, um auf gleichem Raum mehr Wohnfläche zu schaffen; statt eines ebenerdigen Übergangs sind auch bei Außentüren Schwellen von bis zu zwei Zentimetern erlaubt; gerade Treppen sollen nur auf einer statt auf beiden Seiten einen Handlauf haben dürfen .
- Schallschutz: Auf Balkonen soll auf Trittschalldämmung verzichtet werden können; Zimmerdecken dürfen dünner sein .
- Tiefgaragen und Keller: Auf Tiefgaragen soll verzichtet werden können, wenn Außenparkplätze nachgewiesen werden, und statt Keller können Ersatzräume über der Erde gebaut werden. Dieser Punkt wird im Abschlussbericht mit einem sehr hohen Einsparpotenzial von circa zehn bis 15 Prozent bewertet .
Für die jeweiligen Vorschläge gibt es jedoch in vielen Fällen Einschränkungen. So sind beispielsweise Wandhydranten in Hochhäusern weiterhin verpflichtend und für rollstuhlgerechte Wohnungen (R-Wohnungen) gelten trotzdem gewisse Standards.
Wie stark wirken sich die Abstriche auf die Wohnqualität aus?
„Überwiegend geht es um Fragen des Komforts, nicht um die der Sicherheit oder Gesundheit”, sagt Torsten Sasse, Präsident der Ingenieurkammer der Freien Hansestadt Bremen. Viele der Bremer Regelungen – sogenannte Bremensien – lägen über dem Bundesniveau, etwa bei den Anforderungen an den Schallschutz oder der Energieeffizienz. Und im internationalen Vergleich seien die Standards in Deutschland hoch.
Sasse erläutert das an einem Beispiel: „Muss es im Badezimmer 24 Grad sein?” Wenn man in diesem Fall die Norm runterschraube, könne man weniger oder kleinere Heizkörper verbauen – das spare Geld.
Wie wirkt sich der „Bremer Weg” auf die Mieten aus?
Dass, wie von der Behörde angekündigt, bis zu einem Drittel der Baukosten gespart werden können, sei nur der Idealfall, so Sasse. Der Grund: Es handle sich um viele Einzelmaßnahmen, diese werden bei den Bauprojekten nicht immer alle Anwendung finden können.
Die Baubehörde kündigte bei der Vorstellung des Abschlussberichts an, man wolle sicherstellen, dass die eingesparten Kosten auch anteilig an die Mieterinnen und Mieter weitergegeben würden. Auch dabei wolle man sich am Beispiel von Hamburg orientieren und würde das mit den Bauherren vertraglich vereinbaren, sagte ein Behördensprecher auf Nachfrage von buten un binnen.
Beim „Bremer Weg“ ist laut Sasse eine Sache entscheidend: „Das Mindset hat sich bei allen Beteiligten geändert.“ Im Laufe der Zeit hätten die Verantwortlichen verstanden, dass man etwas tun müsse, wenn man den Wohnungsbau ankurbeln möchte. Der „Bremer Weg“ soll auch für schnellere Verfahren und Baugenehmigungen sorgen. „Dann haben auch alle wieder mehr Spaß am Bauen“, sagt Sasse. „Und mit jeder Wohnung entspannt sich der Markt.“
Auch die Gewoba begrüßt den „Bremer Weg“, wie Sprecherin Christine Dose mitteilt. „Besonders vom Bürokratieabbau versprechen wir uns eine Beschleunigung der Bauvorhaben in Bremen“, heißt es.
Wann ist mit den ersten Ergebnissen zu rechnen?
Der „Bremer Weg“ soll in Bauprojekten erprobt werden. Dazu sei man laut Baubehörde in Gesprächen mit allen Beteiligten. Die Gewoba prüfe für die aktuellen Projekte, wo man die neuen Regelungen anwenden könne. Von gesenkten Standards habe man bereits in der Vergangenheit profitiert, so etwa auf dem Q45-Gelände – dem ehemaligen Bundeswehrhochhaus in der Innenstadt. Dort habe man bereits auf eine Verglasung der Balkone für den Schallschutz verzichtet und so Kosten gespart.
In Hamburg hat Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister, prognostiziert, dass die Mieten nicht schnell sinken werden. Bei 10.000 Baugenehmigungen jährlich werde es wohl gut zehn Jahre dauern, bis man eine Wirkung spüre, sagte Tschentscher beim NDR.
Eine derartige Prognose gibt es laut Bremer Baubehörde mit Blick auf die neuen Maßnahmen nicht. Die Vorschläge seien ein Angebot an die Baubranche, die Umsetzung liege bei den Bauherren und Planern. Die Maßnahmen, die die Verwaltung betreffen, wolle man zügig umsetzen.
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Quelle:
buten un binnen.
Dieses Thema im Programm:
butenunbinnen.de, Günstiger bauen, schlechter wohnen? Das bedeutet der „Bremer Weg“, 18. November 2025, 10:06 Uhr

