Blick in die Ausstellung – zu sehen ist auch ein Wahlplakat der DKP, die 1956 verboten wurde. Foto: Haus der Geschichte BW
Wahlwerbung setzt oft auf die Gefühle der Wählerschaft. Eine Ausstellung im Haus der Geschichte zeigt, wie sich in Baden-Württemberg radikale Tendenzen in den Wahlkampf einschlichen.
Ein Satz, den heute viele unterschreiben würden: „Unser Land muss stark bleiben“ – denn letztlich wollen alle zu den Starken gehören, den Siegern. Deshalb legte Erwin Teufel in den 1990er Jahren gleich noch nach, was ein Land stark macht: „Es braucht eine starke Regierung und eine starke CDU“ – und also ihn als Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Im Grunde ist Wahlkampf eben doch nichts anderes als Werbung, mit dem Vorteil, dass man die politische Konkurrenz offen attackieren darf. „Nach der Steuerlüge jetzt die Asyllüge der CDU“ wetterte die SPD 1992. Die CDU gab sich als Regierungspartei dagegen zupackend: „Asylproblem lösen! CDU wählen!“ Fast meint man, in einer Zeitschleife festzuhängen in der neuen Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg, die sich das Thema Wahlkampf vorgenommen hat und Plakate und TV-Spots zeigt, die seit 1952 die Wählerschaft verführen sollten. Und deshalb haute die CDU den Menschen im Land 1968 einfach nur drei große – starke – Substantive um die Ohren: „Sicherheit. Ordnung. Fortschritt.“ Wer wollte da nicht sofort zustimmen?
Radikale Tendenzen im gemäßigten Baden-Württemberg
Aber hatte nicht auch die DKP irgendwie recht, als sie forderte „Preise und Profite runter. Löhne rauf“? Die Schau „Wahlkampf radikal“ will zeigen, dass im angeblich politisch gemäßigten Baden-Württemberg immer auch radikale und nationale Themen im Wahlkampf ausgespielt wurden – etwa von der Sozialistischen Reichspartei SRP. Interessant ist, wie sie warben: Nicht mit kurzen Parolen, sondern mit einem Flugblatt, auf dem man Punkt für Punkt ausführte, „warum man eine Remilitarisierung im Dienste fremder Mächte und Interessen“ ablehnte. Offenbar ging man davon aus, dass die Bevölkerung bereit und in der Lage war, ausführlichere Texte zu lesen.
Die KPD appellierte dagegen an die Menschlichkeit der Wählerinnen und Wähler, denen man auf einem Plakat marktschreierisch „Entscheide richtig!“ entgegenrief. Was man mit richtig meinte, zeigte die Zeichnung spielender Kinder. Diesen wurden marschierende Soldaten und Massengräber dramatisch gegenübergestellt.
Die Ausstellungsleiter Rainer Schimpf vertieft nicht, welche unterschiedlichen Strategien die Parteien nutzten, um die Wählerschaft gewogen zu machen oder auch gezielt zu manipulieren, sondern will in erster Linie zeigen, wie man in Baden-Württemberg zwischen 1952 und 2001 versuchte, radikale Tendenzen abzuwehren. So drängte der CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer, gegen die Sozialistische Reichspartei SRP vorzugehen, nachdem 1951 in Niedersachsen elf Prozent der Wählerschaft für sie gestimmt hatte. Ein Ergebnis, das auch das Ausland alarmierte. 1952 verbot das Bundesverfassungsgericht die SRP dann wegen ihres „Strebens zur Diktatur“ und einem Programm und einer „Vorstellungswelt“, die der NSDAP wesensverwandt sei.
Die Gegenwart wird nur am Rande gestreift
Die nationalen Tendenzen in den Köpfen ließen sich trotzdem nicht verhindern. 1983 gründeten ehemalige CSU-Mitglieder Die Republikaner, eine Partei, die Begriffe wie „Überfremdung“ und „Volkswillen“ in die politischen Debatten zurückbrachte. „Asylmissbrauch bedroht den inneren Frieden und fördert die Kriminalität“, hieß es aufwiegelnd. 1992 warben Die Republikaner in Baden-Württemberg dann mit dem Slogan, der bis heute im Sprachgebrauch ist: „Das Boot ist voll! Schluss mit Asylbetrug“. Die Grünen versuchten mit einer Frage zu kontern: „Warum sollen wir wegen Ausländerfeindlichkeit unser Grundgesetz ändern?“
Die Gegenwart wird im Haus der Geschichte nur am Rande gestreift in einer Videoinstallation von Studierenden der Hochschule der Medien. Sie erklärt, wie auf Tiktok Algorithmen am Werk sind, um Wahlwerbung zu verbreiten – ob von der Jungen Union, die sich in Clips sportlich zeigt, oder von der AfD, deren Vertreter in pseudo-journalistischen Interviews Steilvorlagen erhalten, um ihre Ideologie werbewirksam zu verbreiten.
Wahlkampf radikal: Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Bis 12. April 2026. Geöffnet Di bis So 10 bis 17 Uhr, Do bis 20 Uhr