Die CDU-Fraktion in Hamburg will den Volksentscheid zur Klimaneutralität bis 2040 per Gesetz aufheben. Fraktionschef Thering setzt auf eine Mehrheit mit der SPD in der Bürgerschaft – und warnt vor „sozialem Sprengstoff“ für die Stadt.
Die CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft will den umstrittenen Volksentscheid zur vorgezogenen Klimaneutralität rückgängig machen. Fraktionschef Dennis Thering kündigte an, am 10. Dezember ein „Zukunftsgesetz“ in die Bürgerschaft einzubringen, das die Verpflichtung zur Klimaneutralität wieder auf das Jahr 2045 verschiebt – die Regelung, die bis zum Volksentscheid vom 12. Oktober galt.
Die CDU begründet den Vorstoß mit „massiver Verunsicherung“ in der Stadt. Nach dem Volksentscheid seien viele Wähler auf ihn zugekommen, erzählte Thering – auch solche, die für die Vorlage der Initiative gestimmt hatten – und hätten über ihre Ängste vor den Auswirkungen des Klimaentscheids gesprochen. „Das Leben in Hamburg würde deutlich teurer, Unternehmen würden abwandern, Arbeitsplätze gingen verloren“, warnte Thering. Auch die Fachkräfte für eine Umsetzung bis 2040 fehlten.
Die CDU beruft sich dabei auf Artikel 50 Absatz 4 der Hamburger Verfassung, der es der Bürgerschaft mit einfacher Mehrheit erlaubt, ein per Volksentscheid beschlossenes Gesetz aufzuheben, wenn dessen Folgen als nicht vertretbar gelten. Allein hat die CDU, die in Hamburg in der Opposition ist, diese Mehrheit nicht. 26 Abgeordnete haben die Christdemokraten, 61 Stimmen wären die erforderliche Mehrheit. Thering setzt deshalb auf Unterstützung der SPD, die den Volksentscheid vor der Abstimmung ebenfalls kritisch gesehen habe. „Wir sind offen für einen interfraktionellen Antrag – außer mit der AfD“, betonte er.
Inhaltlich stützt sich Thering auf drei zentrale Prämissen. Erstens die sozioökonomische Balance: Klimaschutz dürfe den sozialen Frieden nicht gefährden. Er skizziert das Bild einer Stadt, die bei zu steiler Taktung „auseinanderfliegt“, wenn Modernisierungskosten, Mieten und Mobilitätsrestriktionen gleichzeitig scharf anziehen.
Zweitens die Umsetzbarkeit: Der Mangel an Fachkräften im Bau- und Energiebereich sei schon heute spürbar, öffentliche Gebäude seien erst zu einem Bruchteil mit Photovoltaik ausgestattet, die energetischen Standards im Neubau drosselten bereits die Bautätigkeit.
Drittens die industriepolitische Perspektive: Hamburg sei größter Industriestandort Norddeutschlands mit erheblichem Energiebedarf; Dekarbonisierung verlange verlässlichen und ausreichenden grünen Strom und Wärme – und Zeit, um Anlagen, Netze und Speicher aufzubauen. Die CDU nimmt damit ausdrücklich Abstand von der „Brechstange“, ohne den Anspruch an die Modernisierung preiszugeben.
Thering setzt die Hoffnung auf eine Gewissensentscheidung in der SPD-Fraktion. „Wir wollen keine parteipolitische Abstimmung, sondern das sachlich Richtige“, sagt er. Das Schwierige: Die SPD regiert in Hamburg gemeinsam mit den Grünen und die Grünen als Partei hatten die Ziele des Volksentscheides in großen Teilen unterstützt. Viele Grüne, vorrangig an der Basis, hatten aktiv für ein „Ja“ der Hamburger beim Volksentscheid geworben.
Grüne treffen sich zum Parteitag
Aktuell arbeiten die Grünen bereits an einem Maßnahmenpaket, das den Fahrplan für Hamburgs Klimaneutralität bis 2040 unterfüttern soll. Am Mittwoch will sich die Partei auf einem kleinen Parteitag, dem sogenannten Landesausschuss, mit einem Leitantrag befassen, der die künftige Linie der Grünen zum Klimaschutz in Hamburg festschreibt.
Einzelne geplante Vorhaben sind bereits öffentlich bekannt. Überzeugt habe ihn keines davon, sagte Thering. Seine Linie lautet: Die fünf zusätzlichen Jahre bis 2045 im Vergleich zu 2040 seien der Puffer, der soziale Härten, handwerkliche Kapazitäten und industrielle Planungssicherheit in Einklang bringen könne.
Sollte die Bürgerschaft dem Vorstoß der CDU folgen und ein Änderungsgesetz beschließen, liefe eine dreimonatige Frist, in der 2,5 Prozent der Wahlberechtigten, rund 33.000 Menschen, einen neuen Volksentscheid über das CDU-Gesetz erzwingen könnten. Thering hält auch dieses Risiko für kalkulierbar: Nach der Debatte der vergangenen Wochen, sagt er, hätten sich viele Bürger „falsch informiert“ gefühlt und würden heute anders stimmen als am 12. Oktober.
Thering unterstrich, dass die CDU weiterhin zum Klimaschutz stehe: „Wir wollen Klimaneutralität 2045 erreichen – das ist ambitioniert genug.“ Die Verpflichtung auf 2040 sei hingegen „sozial unverträglich“ und gefährde den Zusammenhalt in der Stadt. Der CDU-Chef verbindet das mit einer zeitstrategischen Begründung. Er will die Korrektur nicht erst dann vornehmen, wenn konkrete Verbote, Tempo-30-Entscheidungen oder Heizungsauflagen greifen und das „Kind in den Brunnen gefallen“ sei, sondern jetzt „Planungssicherheit“ herstellen – für Eigentümer, Mieter, Handwerk und Industrie. „Wir wollen frühzeitig den richtigen Weg einschlagen“, formuliert Thering.