Der Schuss eines Polizisten auf ein zwölfjähriges Mädchen in Bochum fiel laut den zuständigen Ermittlern im letztmöglichen Moment. Der Beamte habe erst geschossen, als das mit zwei Küchenmessern bewaffnete Mädchen „unmittelbar“ vor den Polizisten stand, teilten die Staatsanwaltschaft Bochum und die Polizei Essen mit. Demnach hatten die Polizisten zuvor die Mutter des Mädchens fixiert und sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung verschafft.
Den Angaben zufolge hatten die Beamten die vermisste Zwölfjährige sowie ihren Bruder in der Wohnung der Mutter aufgefunden, die ihnen aber den Zutritt verwehrt haben soll. Die Beamten hätten die Mutter daraufhin in den Hausflur gezogen, sie fixiert und dann die Wohnung betreten. In dem Moment soll die Tochter mit zwei Messern auf die Beamten zugegangen sein.
Einer der vier Beamten habe daraufhin einen Taser eingesetzt – eine Waffe, die den Getroffenen durch einen Stromstoß kurz handlungsunfähig macht. Ein anderer schoss noch im selben Moment mit seiner Dienstwaffe auf das Mädchen, wie ein Polizeisprecher auf Nachfrage der ZEIT sagte. „Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen erfolgte beides gleichzeitig“, sagte der Sprecher.
Bei dem Einsatz in der Nacht zum Montag wurde die Zwölfjährige lebensgefährlich verletzt, den Angaben vom Dienstag zufolge durch einen Schuss in den Bauch. Sie wurde demnach in einem Krankenhaus in Bochum operiert, ihr Zustand werde als „stabil, aber kritisch“ beschrieben. Das Mädchen werde „weiterhin intensivmedizinisch betreut“, hieß es.
Kind und Mutter sind gehörlos
Die Zwölfjährige, die in einer Wohngruppe in Münster lebt, war zuvor von ihren Betreuern als vermisst gemeldet worden. Den Ermittlern zufolge ist sie auf lebenswichtige Medikamente angewiesen. Der Mutter seien das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden, hieß es weiter.
© Lea Dohle
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Sowohl die Mutter als auch ihre Tochter sind laut den Ermittlern gehörlos. Bisher ist unklar, wie die Kommunikation der Polizei mit dem Kind und der Mutter abgelaufen ist. Ein Gebärdendolmetscher sei bei dem Einsatz nicht dabei gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Man habe entschieden, den Einsatz noch in der Nacht durchzuführen, um das Mädchen möglichst schnell zu einem Arzt zu bringen.
Ob die Bodycams der Polizisten während des Einsatzes angeschaltet waren und das Geschehen aufgenommen haben, sei „Gegenstand der Ermittlungen“, sagte der Polizeisprecher. Bodycams gehören zur Ausrüstung der Polizisten in Nordrhein-Westfalen, müssen aber in Einsätzen von den Beamten bewusst eingeschaltet werden, damit sie Aufnahmen machen.
Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind Anforderungen zum
Schusswaffengebrauch gegen Kinder gesetzlich noch strenger gefasst als
gegen Erwachsene. So dürfen Schusswaffen gegen Menschen unter 14 Jahren
laut Polizeigesetz gar nicht eingesetzt werden, außer um eine
gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren.
Polizeischüsse
Bochum:
Bewaffnete Zwölfjährige bei Polizeieinsatz lebensgefährlich verletzt
Schusswaffen:
22 Tote durch Polizeischüsse im Jahr 2024
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
Lorenz A.:
Ihn trafen drei Schüsse – von hinten