Ein Kran mit dem Schriftzug TKMS

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Stand: 18.11.2025 14:39 Uhr

Der deutsche Rüstungskonzern TKMS hofft auf Mega-Deals: Kanada will zwölf neue U-Boote kaufen, auch Polen will seine Flotte erneuern. Nun sorgt die Positionierung der britischen Regierung nach Informationen von WDR und NDR für Unmut in Berlin.

Von Florian Flade, WDR, und Reiko Pinkert, NDR

Milliarden fließen derzeit weltweit in die Rüstungsindustrie. Die entsprechenden Aufträge werden offenbar immer umkämpfter. Jüngstes Beispiel sind zwei Milliardenaufträge für U-Boote, um die sich derzeit auch der deutsche Rüstungskonzern TKMS bemüht.

Hier droht nach Informationen von WDR und NDR nun einiger Ärger und ein Störfeuer aus überraschender Richtung: Die britische Regierung schlägt sich bei beiden potenziellen U-Boot-Aufträgen offenbar auf Seiten von Konkurrenten der TKMS. Eine Entwicklung, die hohe Wellen schlägt.

Beschwerde eingelegt

Nach Recherchen von WDR und NDR wurden in der vergangenen Woche sogar Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) aktiv und legten Beschwerde in London ein. Es geht vor allem um das kanadische U-Boot-Projekt: Kanada möchte seine U-Boote-Flotte modernisieren. Die aktuellen Schiffe der „Virginia“-Klasse sind in die Jahre gekommen, deshalb, so kündigte die Regierung in Ottawa im Juli vergangenen Jahres an, wolle man bis zu zwölf neue U-Boote anschaffen.

Ein Dutzend neue U-Boote, das bedeutet eine Milliardeninvestition. Wo Kanada die schwimmenden und tauchenden Kolosse kaufen will, ist indes noch unklar, die Regierung von Premierminister Mark Carney soll noch keine Entscheidung getroffen haben. Hersteller aus zwei Nationen sind jedoch in der engeren Auswahl und buhlen um die Gunst der Kanadier: Südkorea und Deutschland.

Kampf um Schlüsseltechnologie

Verteidigungsminister Pistorius warb bei seinem Besuch in Kanada im Oktober offensiv um einen Zuschlag für die deutsche Rüstungsindustrie. Südkorea baue „exzellente U-Boote“, so Pistorius, „wir bauen bessere.“ Konkret geht es um das Diesel-betriebene U-Boot vom Typ 212CD von TKMS in Kiel. „Diese Schlüsseltechnologie wollen wir fördern und sichern in Deutschland. Und auch die damit verbundenen Industriearbeitsplätze und das Know-how sichern.“

Der Wettbewerb um den Großauftrag aus Kanada, der Brancheninsidern zufolge wohl rund 30 Milliarden Euro umfassen soll, geht in die heiße Phase. Ausgerechnet jetzt kommt Störfeuer von der Seitenlinie: Großbritannien schlägt sich offenbar auf die Seite der Südkoreaner und stellt sich damit gegen einen U-Boot-Kauf in Deutschland.

Ende Oktober fand im südkoreanischen Gyeongju das Wirtschaftsforum Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation (APEC) statt. Bei einem nicht-öffentlichen Auftritt vor mehreren Hundert Teilnehmern soll der britische Botschafter in Seoul, Colin Crooks, laut südkoreanischen Medien eine überraschende Ankündigung gemacht haben: „Die britische Regierung wird bald ihre Unterstützung für Hanwha im kanadischen U-Boot-Projekt aussprechen.“ Hanwha Ocean-HD Hyundai Heavy Industries ist ein südkoreanischer U-Boot-Hersteller und der direkte Konkurrent von TKMS beim angestrebten Deal mit Kanada.

Geht Deutschland leer aus?

Innerhalb der Bundesregierung sorgt die Positionierung Großbritanniens derzeit für einigen Unmut, wie WDR und NDR aus Regierungskreisen erfuhren. Die Sorge, dass Deutschland beim kanadischen U-Boot-Deal möglicherweise leer ausgehen könnte, wächst.

Nach Informationen von WDR und NDR soll Bundeskanzler Merz deshalb in der vergangenen Woche sogar den britischen Premierminister Keir Starmer, angerufen und seine Verwunderung über die Haltung der britischen Regierung in dieser Sache geäußert haben. „Ich bitte um Verständnis, dass wir über etwaige vertrauliche Telefonate oder Gespräche grundsätzlich nicht berichten können“, teile das Kanzleramt auf Nachfrage dazu mit.

Auch Pistorius soll zum Telefon gegriffen und sich bei seinem britischen Amtskollegen beschwert haben. Auch hier verweist man auf die Vertraulichkeit. Die britische Botschaft in Berlin ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Bei der Unterstützung Londons für die Südkoreaner könnten wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen: Der kanadische Ableger des britischen Rüstungsunternehmens Babcock, bislang beauftragt mit der Reparatur- und Instandsetzung der derzeitigen kanadischen U-Boote, hat erst im September eine enge strategische Partnerschaft mit dem südkoreanischen Konzern Hanwha verkündet. Möglich wäre, dass auch Babcock davon profitieren würde, falls Kanada seine U-Boote in Südkorea kauft.

„Alles-aus-einer-Hand“-Angebot

„Diese Kooperationsvereinbarung ermöglicht es uns beiden als führenden maritimen Organisationen, unsere jeweiligen Kompetenzen im Schiffbau und in der Instandhaltung von U-Booten zu bündeln“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung beider Firmen, „Um eine eigenständige kanadische Instandhaltungslösung zu liefern, die Kanadas zukünftige U-Boot-Flotte vom Bau bis zur Außerdienststellung unterstützen wird.“ Oder anders gesagt: Man bietet den Kanadiern ein „Alles-aus-einer-Hand“-Angebot.

Die Südkoreaner versprachen vor allem eine günstigere und schnelle Lieferung der U-Boote: Vier Schiffe könne man bis 2035 liefern, und dann jeweils ein weiteres in den Folgejahren. „Wir brauchen die U-Boote schnell“, betonte der Chef der kanadischen Marine bei einem Besuch in Südkorea vor wenigen Wochen.

Die Bundesregierung hingegen will die Kanadier davon überzeugen, gemeinsam mit Norwegen eine strategische Partnerschaft unter den NATO-Nationen einzugehen. Es gehe nicht nur um die U-Boote an sich, sagte Pistorius in Kanada, sondern um viel mehr: „Um Kooperation auf Jahrzehnte. Wir reden über 40 oder 50 Jahre.“

Die Idee dahinter: Mehrere Länder verfügen über den gleichen Typ U-Boot, damit könnte zum Beispiel die Ausbildung des Personals gemeinsam stattfinden, ebenso würden Wartung und Instandhaltung erleichtert – und die Kosten dafür sinken. Sogar gemischte U-Boot-Besatzungen wären denkbar.

Forderung nach einheitlichen Waffensystemen

Dafür warb auch der norwegische Verteidigungsminister Tore Sandvik, der mit Pistorius in Ottawa war. Die Erfahrung aus der Ukraine zeige, das militärische Ausstattung oft nicht zusammenpasse. „Waffen müssen kompatibel sein unter Partnerländern“, so Sandvik. „Wir müssen die gleichen Waffensysteme kaufen.“

Ein Sprecher von TMSK schreibt auf Anfrage, zum aktuellen Zeitpunkt könne man sich „im Kontext der britischen Äußerungen nur anhand der Medienberichte orientieren“ und wolle die diplomatische Vorgänge der deutschen Regierung nicht kommentieren.

Indes schlägt sich die britische Regierung offensichtlich auch bei einem anderen anstehenden U-Boot-Kauf auf die Seite der Konkurrenten deutscher Rüstungsfirmen: Polen möchte ebenfalls neue U-Boote kaufen. In der engeren Auswahl soll auch TKMS sein. London soll jüngst jedoch dem schwedischen Wettbewerber Saab Unterstützung zugesichert haben. Auch hier würde wohl eine Kooperation mit dem britischen Unternehmen Babcock anstehen.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich berichtet hat, soll den schwedischen Einreichungen für den polnischen Wettbewerb ein Brief von Premierminister Starmer beigelegt worden sein, indem er ausdrücklich einen Kauf der U-Boote bei Saab befürwortet. Ein Sprecher der britischen Regierung wollte sich gegenüber Reuters zu dem konkreten Sachverhalt nicht äußern, teilte jedoch mit: „Wir machen den Verteidigungssektor zu einem Motor für wirtschaftliches Wachstum – Arbeitsplätze schaffen und die britische Wirtschaft ankurbeln, während wir unser Engagement für die NATO-Verbündeten und die europäische Sicherheit stärken.“

Kritik an der britischen Regierung

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitiker Bastian Ernst kritisiert die Positionierung der britischen Regierung und verweist auf das „Trinity-House Abkommen“, ein Sicherheitsabkommen, das Deutschland und Großbritannien im Oktober 2024 geschlossen hatten. „Das Trinity-Abkommen wurde auch mit Blick auf eine vertiefte Rüstungszusammenarbeit geschlossen“, so Ernst. Wenn das Vereinigte Königreich nun vollständig für seine eigenen Interessen ausschere, stelle sich „zwangsläufig die Frage nach seiner Verlässlichkeit als Partner“.

Es gebe keinerlei Gründe, in den Wettbewerb in Polen oder Kanada einzugreifen oder dort politischen Druck auszuüben. Die Bundesregierung müsse nun „ernsthaft prüfen, ob eine weitere Zusammenarbeit unter den aktuellen Bedingungen überhaupt noch tragfähig“ sei.

Das deutsche Unternehmen TKMS verfügt über rund 8.300 Mitarbeiter und hat sich neben Fregatten und Korvetten auf den Bau von nicht-nuklearen U-Booten spezialisiert. Die Firma verfügt über Standorte in Kiel, Hamburg, Emden, Wismar und in Itajaí in Brasilien. Zuletzt hatte TKMS mehrere Aufträge sichern können: Der Bundestag hatte den Kauf von vier weiteren U-Booten der Klasse 212CD für die deutsche Marine bewilligt. Zwei befinden sich bereits im Bau. Und auch Norwegen hat vier U-Boote bei TKMS bestellt.