Eine neue Klima-Koalition will CO2-Handelssysteme weltweit harmonisieren. Länder wie China, die EU und Kanada bündeln Kräfte, um Emissionen zu senken und könnten damit den internationalen Handel und die Wettbewerbsregeln für immer verändern.

Leise, fast unbemerkt, fällt auf der COP30 in Brasilien der Startschuss für eine Klima-Allianz mit dem Potenzial, den Welthandel zu verändern: die „Open Coalition on Compliance Carbon Markets“. Das Bündnis will die verschiedenen Emissionshandelssysteme weltweit vereinheitlichen. Klingt trocken und technisch? Vielleicht. Doch die Pläne könnten den globalen Handel nachhaltig beeinflussen – und den Klimaschutz erheblich voranbringen.

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Ein Blick nach Europa zeigt, wie das funktioniert: Die EU setzt seit Jahren auf das Europäische Emissionshandelssystem – den sogenannten ETS I für die Industrie, den ETS II ab 2028 für Verkehrs- und Gebäudesektor. Das Prinzip ist einfach: CO2 zu emittieren kostet Geld. Unternehmen müssen Zertifikate kaufen, um Emissionen ausstoßen zu dürfen. Die automatisch sinkende Anzahl von Zertifikaten treibt die Preise in die Höhe, höhere Kosten schaffen Anreize für saubere Technologien. Öl, Gas und Kohle werden teurer – die Verbraucher zahlen, gleichzeitig fließt Geld in klimafreundliche Industrie, Heizungen und E-Mobilität.

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In diesem Jahr kommen die Staaten bei der UN-Klimakonferenz in Belém zusammen, um über den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu diskutieren.

FOCUS online Earth berichtet für Sie über die COP30: Alle wichtigen Entwicklungen, Hintergründe und aktuellen Updates können Sie hier im Ticker nachverfolgen.

CO2-Preis: Angst vor der Abwanderung

Kritik gibt es dennoch: Verteuert sich die Produktion in Europa durch den Emissionshandel, könnten Unternehmen ihre Industrien in Länder ohne CO2-Preis verlagern. Das Risiko nennt sich Carbon Leakage – die Emissionen wandern ins Ausland.

Die EU versucht, mit dem sogenannten CBAM gegenzusteuern, einem CO2-Zoll auf importierte Produkte aus Ländern ohne Bepreisung. Auf schmutzig produziertem Stahl aus dem Nicht-EU-Ausland wäre dann immer noch ein Klima-Aufschlag fällig. Außerhalb Europas wird der CBAM daher mit Argwohn betrachtet: Nicht wenige Länder sehen in dem Mechanismus eine neue Handelsbarriere, auf der Klimakonferenz im brasilianischen Belém sorgt der CBAM für hitzige Debatten.

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„Der größte Gamechanger“

Die EU ist mit ihrem Emissionshandelsystem längst nicht allein, auch andere Staaten setzen bereits auf den Mechanismus. Brasiliens „Open Coalition“ stetzt hier jetzt an: Die Initiative will auf der Weltklimakonferenz ein Netzwerk aller Länder schaffen, die bereits ein Emissionshandelssystem haben oder gerade einführen. Ziel ist, die verschiedenen Systeme weltweit aufeinander abzustimmen, um den CO2-Handel transparent, fair und grenzüberschreitend zu gestalten. Neben der EU gehören bislang China, Kanada, Großbritannien, Mexiko, Chile und Sambia zur Allianz.

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Experten und Politiker sehen in der Initiative enormes Potenzial. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra lobte die auf der COP30 angekündigte Koordination der CO2-Märkte in der EU, China und Brasilien und bezeichnete sie als möglichen Katalysator für die Energiewende. Ein Preis für CO2-Emissionen setze klare Anreize für Unternehmen, ihren Ausstoß so effizient und schnell wie möglich zu reduzieren. „Eine flächendeckende CO2-Bepreisung könnte der größte Gamechanger sein, den wir in den kommenden Jahren entfesseln könnten“, so Hoekstra.

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ANZEIGENahezu unbemerkt entsteht auf der COP30 eine globale Klima-Allianz, die den CO2-Handel neu ordnen könnte. Nahezu unbemerkt entsteht auf der COP30 eine globale Klima-Allianz, die den CO2-Handel neu ordnen könnte. Cop30 Brasil Amazônia

In Deutschland stößt die Initiative grundsätzlich auf Zustimmung. Die Bundesregierung begrüßt die Bemühungen der brasilianischen COP-Präsidentschaft, die Kohlenstoffmärkte über eine internationale Koalition voranzubringen. „Eine stärkere Angleichung der Ansätze zur Bilanzierung von Treibhausgasen ist für alle Länder von Vorteil und kann die Berichtskosten für Unternehmen, die in mehreren Märkten tätig sind, senken“, erklärt ein Sprecher des Bundesumweltministeriums.

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Ansage an die Petrostaaten

Die Open Coalition funktioniert wie ein internationales Netzwerk für CO₂-Märkte – ein Forum, in dem Länder Erfahrungen austauschen, Regeln abstimmen und Standards harmonisieren. So wollen die Staaten sicherstellen, dass Emissionshandelssysteme nicht nur ambitioniert, sondern auch fair und wirksam sind. Gleichzeitig soll Ländern geholfen werden, die ihre Systeme gerade erst aufbauen.

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Und, am Wichtigsten: Langfristig sollen die einzelnen Systeme kompatibel sein und miteinander handeln können. Das Ergebnis wäre ein riesiger Handelsraum mit gleichen oder zumindest ähnlichen Regeln. Wenn sich große Länderblöcke wie die EU, China, Großbritannien oder Kanada vernetzen, erleichtert das nicht nur den Handel untereinander, sondern setzt auch Staaten unter Druck, die nicht mitmachen wollen. Das trifft vor allem Petrostaaten wie Saudi-Arabien, Russland oder die USA unter Donald Trump. Wer weiter auf fossile Energien setzt, wäre besonders von Zöllen auf CO2-intensive Produkte betroffen.

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Für die EU sind Initiativen dieser Art besonders wichtig. „Die Brasilianer haben eine gute Initiative geschaffen, da das internationale Interesse an Emissionshandelssystemen wächst“, sagt Linda Kalcher, Leiterin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives, zu FOCUS online Earth. Einheitliche Standards und Qualitätsprüfungen für internationale Kredite würden für die EU immer bedeutsamer, um Betrug zu verhindern. „Denn die EU plant ja, sich solche Projekte zum 2040-Klimaziel anrechnen zu lassen“, so Kalcher.

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Langes Warten

Wann es jedoch soweit ist, bleibt zunächst offen. Das Harmonisieren und Anpassen der verschiedenen Emissionshandelssysteme weltweit werde noch Jahre dauern, warnt Kalcher. Doch wer früh auf emissionsarme Technologien setzt, kann sich dort Marktanteile sichern, wo ein Emissionshandel den CO2-Markt bestimmt.

China zeigt, wie lukrativ der Export grüner Technologien inzwischen sein kann: Nach einer Analyse der Denkfabrik Ember verdiente Peking im Jahr 2025 mit dem Export grüner Technik bereits 50 Prozent mehr als die USA mit dem Export von fossilen Energien, das Verhältnis lag bei 120 Milliarden zu 80 Milliarden Dollar. Für den Klimaschutz könnte ein globaler CO2-Markt Emissionen verteuern und Investitionen in saubere Technologien beschleunigen. Ob diese Effekte tatsächlich in großem Maßstab eintreten werden – und wie gerecht sie verteilt würden – bleibt derzeit noch: offen.

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