«Ich hatte Fortune and Fame, lebte in einem Schloss – und war innerlich leer»: Michael Patrick Kelly über sein Leben mit der berühmten Kelly Family. 

«Ich hatte Fortune and Fame, lebte in einem Schloss – und war innerlich leer»: Michael Patrick Kelly über sein Leben mit der berühmten Kelly Family. 

Ennio Leanza/KEYSTONE/dpa

Mit seinem neuen Album «Traces» verarbeitet Michael Patrick Kelly nicht nur eigene Erlebnisse, sondern auch berührende Geschichten anderer. Der Auslöser: ein T-Shirt-Spruch auf der Brust seines verstorbenen Vaters.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Michael Patrick Kellys neues Album «Traces» verarbeitet persönliche und fremde Lebensgeschichten, inspiriert durch einen Spruch auf dem letzten T-Shirt seines verstorbenen Vaters.
  • Themen wie Trauer, Glaube, mentale Gesundheit und Hoffnung ziehen sich durch das Album, das auch Lieder über Gefängniskonzerte und Suizidprävention enthält.
  • Die Produktion war emotional und kreativ fordernd, mit Beiträgen seiner Geschwister als musikalisches Andenken an den Vater – jedoch ohne geplante Rückkehr der Kelly Family.

Ein T‑Shirt-Spruch auf der Brust seines verstorbenen Vaters wurde zum Ausgangspunkt für Michael Patrick Kellys neues Album «Traces», das Ende Oktober 2025 erschienen ist. 

Darauf vertont der Singer-Songwriter prägende Lebensspuren – seine eigenen und die von Menschen, deren Geschichten ihn bewegen.

Im Gespräch mit blue News erzählt Kelly von Abschied und Hoffnung, Glaube und Therapie, Gefängniskonzerten und dem Trost, den Musik schenken kann.

Michael, dein neues Album heisst «Traces». Was war der erste Impuls für diese musikalische Reise?

Michael Patrick Kelly: Am Tag, als mein Vater starb, trug er ein T-Shirt mit dem Satz: «Viele Menschen treten in dein Leben ein, aber nur wenige hinterlassen Spuren.» Das hat mich nicht mehr losgelassen. Einer der ersten Songs, die ich schrieb, war der Titelsong «Traces» – und damit kam alles ins Rollen. Das Album versammelt Lieder über prägende Ereignisse in meiner eigenen Biografie, aber auch über Menschen, deren Lebensgeschichte bei anderen Spuren hinterlassen hat. Es gibt viele Helden im Verborgenen, von denen man gar nichts mitbekommt. Ähnlich wie Bruce Springsteen und Bob Dylan das gemacht haben, treffe ich mich gerne mit solchen Menschen, und lasse mich als Songwriter von deren Erzählungen inspirieren. Gleichzeitig stellte ich mir die Frage: «Welche Spuren möchte ich selbst im Leben anderer hinterlassen?»

Du widmest deinem Vater auch den Song «The Day My Daddy Died». War das eine Art Abschied, Therapie für dich?

Ja. Auf dem letzten Album gab es einen Song für meine verstorbene Mutter, jetzt wollte ich meinem Vater ein musikalisches Denkmal setzen. Die ersten Spuren unseres Daseins sind ja biologisch – die Gene unserer Eltern. Dann kommt Erziehung und Lebensstil dazu. Wir wuchsen sehr unkonventionell auf: im Hippie-Bus, mit langen Haaren und wurden im Homeschooling unterrichtet, als das noch überhaupt nicht üblich war. Wir sind sehr freiheitsliebend aufgewachsen. Mein Vater wollte mit Musik Lebensfreude und Hoffnung den Menschen bringen. Das trage ich bis heute weiter.

Du singst auch in Gefängnissen – warum ist dir das wichtig?

Weil Musik Herzen weich machen kann. Ich habe etwa in der Death Row in Nashville gespielt. Ich stand da vor 25 Männern, die alle mindestens eine Person getötet hatten. Erstmal denkt man sich, gut, dass die nicht draussen herumlaufen. Da sass ein Mann, der fing bitterlich an zu weinen. Wir haben uns danach umarmt und er hat sich immer wieder bedankt, dass er sowas wie Liebe durch die Songs spüren durfte. In solchen Momenten merke ich: Musik kann sogar in einem Mörder die Menschlichkeit wachküssen. Das ist eine unglaubliche Kraft.

Mit Anfang 20 gerietst du in eine tiefe Krise. Du hast öffentlich darüber gesprochen. Was hat dich da herausgeführt?

Zwei Dinge haben mir geholfen: Mein Glaube und eine längere Psychotherapie. Ich stellte mir die grossen Fragen: «Wer bin ich? Wozu das alles? Gibt es Gott?» Ich hatte Fortune and Fame (Glück und Berühmtheit), lebte in einem Schloss – und war innerlich leer. Ein Therapeut sagte: «Du hast keine Krankheit, aber wir räumen auf.» Diese Kombination aus Spiritualität und professioneller Hilfe hat mir den Weg gezeigt.

Auf dem Album heisst ein Song «K.H.A.», das ist die Abkürzung für Keep Hope Alive. Was steckt hinter dem Song?

Die Geschichte eines Highway-Patrol-Officers aus San Francisco, der an der Golden Gate Bridge über 200 Menschen vom Suizid abgehalten hat. Wir hatten ein langes Gespräch, daraus sind die Lyrics entstanden. Das Thema mentale Gesundheit betrifft viele – in allen Altersgruppen. Ich kenne diese Dunkelheit. Umso dankbarer bin ich, heute hier zu sein.

Dein Lied «Healing» wirkt eher wie ein Zwiegespräch. Wie ist der Song entstanden?

Ja, «Healing» ist eher wie ein Selbstgespräch, eine Zusage, trauern und auch weinen zu dürfen. Und die aktuelle Single «Run Free» ermutigt, emotionalen Ballast loszulassen und sich anderen zu öffnen. Was das Thema Trauer betrifft – darin war ich nicht gut. Zwei Freunde haben mir geholfen, Tränen zuzulassen. Songwriting ist für mich Seelentauchen: hinhören, was da unten noch reden will.

Wie intensiv war der kreative Prozess für «Traces»?

Sehr. Nachdem das Album fertig war, war auch ich erstmal platt. Ich habe über 100 Songs geschrieben, war in den USA und in England für Aufnahmen unterwegs. Es gibt schon so etwas wie einen Post-Recording-Blues. Und dann kommt aber auch die Vorfreude, zu sehen, welchen Weg die Songs im Leben Anderer gehen, was sie bewirken und wie sie ankommen.

Du nennst Konzerte einen «Safe Space». Was meinst du damit?

Für zwei, drei Stunden dürfen Menschen loslassen und den Alltag vergessen. In der Politik, Religion oder im Sport wird oft getrennt, Menschen bilden verschiedene Lager – bei Musik entsteht Verbundenheit. Ich war kürzlich bei Bruce Springsteen vorne im Pit: Fremde lagen sich bei «Born to Run» in den Armen. Dieses Gefühl möchte ich weitergeben.

Du hast einige Jahre im Kloster gelebt. Was nimmst du heute daraus mit?

Es war wie ein Reset. Vorher fühlte ich mich wie ein Computer mit zu vielen Viren. Im Kloster habe ich die Gottesfrage vertieft und gelernt, mein Glück nicht an Erfolg, Geld oder Meinungen zu knüpfen. Praktisch heisst das: Ich nehme mir jeden Morgen eine Stunde für Gebet, Atem- und Achtsamkeitsübungen – ein Gespräch, ein Zuhören. Und Dankbarkeit als Haltung tut extrem gut.

Auf «Traces» singst du auch mit deinen Geschwistern. Wie kam es dazu – und gibt es mehr gemeinsame Comeback-Pläne?

Das war eine spontane Idee kurz vor Album-Finalisierung: Ich habe alle angerufen, und wir haben in Studios in den USA, Irland, Spanien und Deutschland die einzelnen Einsätze aufgenommen. Es ging nicht um eine Reunion, sondern darum, unserem Vater gemeinsam ein musikalisches Denkmal zu setzen. Mehr ist aktuell nicht geplant – aber es war ein Geschenk, gerade weil es keinen geschäftlichen Anlass gab, nur echte Begegnung durch die Musik. So viele Kellys zusammen auf einer Aufnahme gab es schon länger nicht mehr.

Suizid-Gedanken? Hier findest du Hilfe:

  • Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da.
  • Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefonnummer 143 oder www.143.ch
  • Beratungstelefon Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefonnummer 147 oder www.147.ch
  • Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
  • Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben:
    – Refugium: Verein für Hinterbliebene nach Suizid
     Nebelmeer: Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils

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